30-Jähriger in Luzern verurteilt

Beziehungsterror, böse Geister und ein Beinahegenickbruch

Das Kriminalgericht Luzern veruteilt den Mann zu einer Freiheitsstrafe. (Bild: Fotalia)

Ein Mann ist in Luzern wegen massiver häuslicher Gewalt verurteilt worden. Er habe seiner Frau beinahe das Genick gebrochen und es selbst mit Karton geschient. Vor Gericht sprach er von übernatürlichen Erscheinungen und Lügen.

Er habe ihr den «korrekten Weg» zeigen wollen. So begründete der 30-jährige Iraker laut Urteil des Luzerner Kriminalgerichts die Streitereien mit seiner Frau, die schliesslich in Gewalt gipfelten. Der «korrekte Weg» hiess in dem Fall: Die Frau muss dem Mann bedingungslos gehorchen und auf jede persönliche Freiheit verzichten. So steht es im kürzlich publizierten Urteil des Gerichts.

Da die Frau scheinbar anderer Meinung gewesen sei, habe sie der Beschuldigte in den Jahren 2022 und 2023 massiv misshandelt. Immer wieder habe er sie geschlagen, eingesperrt, ihr bei Verletzungen verboten, die Ambulanz zu rufen. So sei es auch beim Höhepunkt der Gewalt im September 2022 gewesen.

Nacken verletzt und anschliessend mit Karton geschient

In der gemeinsamen Wohnung in Kriens kam es gemäss dem Urteil zum Streit. Der 30-Jährige habe die Frau ins Schlafzimmer geschubst. Mit dabei: die achtjährige Tochter der Frau. Der Beschuldigte habe diese aus dem Schlafzimmer ausgeschlossen und sei dann auf seine Partnerin losgegangen. Er habe sie zuerst an den Beinen gepackt und diese dann in Richtung Kopf gedrückt. Schliesslich habe er ihr das Kinn und den Kopf seitlich aufs Bett gedrückt. So lange, bis ein Knacken zu hören gewesen sei. Die Frau habe daraufhin starke Schmerzen gehabt.

Sie habe ihren Mann aufgefordert, die Ambulanz zu rufen. Dieser hätte sich jedoch geweigert, so das Gericht. Stattdessen habe er mit einem Karton und einem Tuch eine improvisierte Schiene gebastelt, welche er der Geschädigten um den Hals gelegt habe. Die Schmerzen seien jedoch so stark gewesen, dass die Frau für zwei Stunden das Bewusstsein verloren habe.

Ein Angriff mit einem Stift

Schliesslich sei es zur Trennung und Scheidung gekommen – und zu weiterer Gewalt. Anfang 2023 habe der Iraker vor der Wohnungstür seiner Ex-Frau auf diese gewartet. Mit dabei: ein Stift und Papiere, mutmasslich Korrespondenz vom Bezirksgericht. Es sei erneut zum Streit gekommen. Die Frau habe dem Mann schliesslich gesagt, er solle sich «verpissen». Dieser erwiderte laut dem Urteil, er werde sie umbringen. Dabei habe er versucht, mit dem Stift in ihren Hals zu stechen. Dies sei jedoch nicht gelungen.

Also sei er auf die Frau losgegangen, habe mit den Fäusten auf sie eingeprügelt und ihren Kopf, als sie umfiel, vier- bis fünfmal mit voller Wucht auf den Steinboden geschlagen. Wie das Kriminalgericht schreibt, hätte er erst von ihr abgelassen, als er Blut und Schleim gesehen hätte. Die Frau sei nach dem Angriff für mehrere Tage im Spital gewesen.

Die Angriffe seien der Gipfel des Versuchs des Mannes, seine im Irak angetraute Ehefrau bis ins letzte Bisschen zu kontrollieren. Er habe ihr verboten, sich mit anderen Familien oder Nachbarn zu treffen. Zudem habe er ihr den Kontakt mit anderen Männern bei der Arbeit verboten und mit seinem Auftauchen am Arbeitsplatz sogar dafür gesorgt, dass seine Frau fast ihre Stelle verloren hätte.

Gearbeitet habe er nicht. Laut Angaben der Frau, wie sie im Urteil zitiert werden, sei er nächtelang live auf Tiktok gewesen und hätte mit Leuten über «islamische Sachen» geredet. Wegen der Gewalt habe die Frau mehrere Wochen im Frauenhaus verbringen müssen, und die Kesb habe wegen der minderjährigen Tochter interveniert. Schliesslich habe das Opfer ihren Mann angezeigt.

Geister in der Wohnung

In der Einvernahme und vor Gericht stritt der Beschuldigte viele der Vorfälle ab. Mal bezeichnete er seine Ex-Frau als Lügnerin, an andere Vorfälle will er sich nicht erinnern können. Auch gab er an, dass die Gewalt nicht von ihm, sondern von einem bösen «Geist» ausgegangen sei. Er erzählte, er habe in der Wohnung fremde Stimmen gehört, seltsame Bilder gesehen und Gegenstände hätten sich von selbst bewegt.

Laut Kriminalgericht kam ein Gutachten jedoch zum Schluss, dass bei dem Beschuldigten keine Anzeichen für eine ausgeprägte psychische Krankheit vorliegen, auch wenn er an Anpassungsstörungen und Depressionen leidet.

Das Gericht sieht in den Schilderungen von Geistern mehr den Versuch, die Schuld an den Gewaltexzessen einem Dämon oder einer anderen mystischen Gestalt zuzuweisen. Zudem seien beim Beschuldigten stark frauenfeindliche und patriarchalische Denkmuster zu erkennen.

Das Kriminalgericht Luzern verurteilte den 30-Jährigen nun zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, wovon er 14 Monate absitzen muss. Ausserdem wird er für zehn Jahre des Landes verwiesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es wurde Berufung angemeldet.

Hier findest du Hilfe

Wähle die Nummer 143 der «Dargebotenen Hand», wenn es dir nicht gut geht oder du dir Sorgen um jemand anderen machst. Kostenlos und rund um die Uhr hilft dir auch die Nummer 147 (Pro Juventute).

Gewaltbetroffene Frauen finden in Luzern Zuflucht im Frauenhaus sowie bei der Opferberatungsstelle des Kantons Luzern.

Verwendete Quellen
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon