Tötete Mann Bekannten in Luzern mit 25 Stichen?

Blut abgezapft und Pornos? Rätselhafter Mord vor Gericht

Der 25-jährige Afghane muss sich vor dem Kriminalgericht Luzern verantworten. (Bild: zvg)

Ein 25-jähriger Mann soll 2022 in Luzern einen Bekannten ermordet haben. Am Mittwoch stand er vor dem Kriminalgericht. Er streitet alles ab und verstrickt sich in wilde Argumentationen und Theorien. Die grosse Unbekannte bleibt das Motiv.

Einfach gekleidet und mit starrem Blick erscheint der Beschuldigte in Luzern vor Gericht. Der Afghane, der in Frankreich wohnte, muss sich für eine Tat verantworten, die er im Juni 2022 begangen haben soll. Der Beschuldigte reiste damals aus Frankreich ein und kam bei einem Bekannten in Luzern unter. In dessen Wohnung spielte sich die Tat ab. Am Morgen des 26. Juni soll der Beschuldigte den Mann von hinten angegriffen und auf dessen Nacken, Rücken, Brustkorb und weitere Körperteile eingestochen haben.

25 Stich- und neun Schnittverletzungen seien es gewesen, die schliesslich zum Tod des Opfers, ebenfalls ein Mann aus Afghanistan, geführt hätten. So heisst es in der Anklageschrift. Wie die Luzerner Staatsanwaltschaft schreibt, habe sich das Opfer dabei kaum wehren können. Möglicherweise habe es sogar geschlafen. Die Polizei fand die Leiche des Mannes schliesslich am 27. Juni 2022 in seiner Wohnung (zentralplus berichtete). Nach der Tat soll der Beschuldigte die Wohnung verlassen und zum Bahnhof Luzern gegangen sein. Am 1. Juli 2022 wurde der mutmassliche Täter in Frankreich festgenommen und einige Monate später in die Schweiz ausgeliefert. Seither sitzt er im vorzeitigen Strafvollzug.

Beschuldigter streitet alles ab

Vor dem Kriminalgericht stritt der Täter die Tat ab. Er sei in die Schweiz gekommen, weil ihm sein Freund versprochen habe, ihm bei der Jobsuche zu helfen. Einige Tage sei er geblieben und dann wieder zurück nach Frankreich gereist, weil er dort ein Vorstellungsgespräch gehabt haben soll.

Die Richter versuchten, die Tage zu rekonstruieren, und wollten wissen, wie diese abgelaufen seien. Die Antworten darauf fielen karg aus. Schlafen, essen, über die Arbeit sprechen, so der Beschuldigte.

Bei Fragen zur Tat selbst hingegen kam er in Fahrt. Keinesfalls sei er für die Tötung verantwortlich. Er konterte mit Gegenfragen: Hätten denn die Nachbarn nichts mitbekommen? Seien denn seine Kleider kaputt gewesen? Habe man am Opfer Wunden oder Hinweise auf einen Kampf gefunden?

«Jemand könnte Blut im Schlaf abgezapft haben»

Auf die Frage, wie sein Blut in der Wohnung des Opfers ins Bad, auf den Wohnungsschlüssel oder auch auf die Leiche selbst kam, sagte er, dies stamme nicht von ihm.

Auf den Hinweis, dass DNA-Auswertungen das Gegenteil beweisen würden, packte er wirre Theorien aus. Es könne sein, dass ihn jemand im Schlaf betäubt habe, um ihm Blut abzuzapfen. Um dieses dann in der Wohnung zu verteilen. Ausserdem könnten ja auch Wissenschaftler mal Fehler machen.

Beziehungsdrama oder sexueller Hintergrund?

Die zweite grosse Frage, die sich vor Gericht stellte, war die des Motivs. Dabei wollten die Richter besonders auf die Beziehung zwischen dem Opfer und dem mutmasslichen Täter eingehen.

Ob es sexuelle Avancen oder gar Belästigungen gegeben habe, wollten sie etwa wissen. Der Beschuldigte verneinte. Sein Bekannter habe eine Freundin gehabt, soviel er wisse, erzählte er. Er selbst sei auch nicht homosexuell, wenn er auch schon Pornos mit homosexuellem Inhalt konsumiert habe, wie er vor Gericht nach mehrmaligem Fragen angab. Auch das Opfer soll solche Videos geschaut haben. Sie hätten diese aber nie zusammen geschaut, so der Beschuldigte.

Staatsanwaltschaft erhöhte auf lebenslänglich

Wie die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer ausführte, spreche alles dafür, dass der Beschuldigte für die Tat verantwortlich sei. Das Argument, das Blut stamme nicht von ihm, sei eindeutig widerlegt. Dafür spreche auch, dass der 25-Jährige, nachdem er zurück nach Frankreich gereist sei, wegen einer Verletzung an einem Finger an der rechten Hand ins Spital hätte müssen.

Der Beschuldigte argumentierte, er habe sich diese Verletzung erst zurück in Frankreich beim Zwiebelschneiden zugezogen. Wie man sich denn als Rechtshänder beim Schneiden an der rechten Hand verletzen könne, wollte das Gericht wissen. Die Antwort: Er habe mal etwas ausprobieren wollen und habe mit links geschnitten.

Es seien solche «Räuberpistolen», die gegen den Beschuldigten sprechen würden, sagte die Staatsanwältin. Die Tat sei denn auch so skrupellos und grausam, dass die Staatsanwaltschaft den Strafantrag vor Gericht erhöhte. Statt 16 Jahren fordert sie lebenslänglich.

«Welcher Mörder lässt Lebenslauf zurück?»

Der Verteidiger fordert das genaue Gegenteil: einen Freispruch. Sein Hauptargument: Der Beschuldigte hatte, weil er auf Jobsuche war, seinen Lebenslauf mitgenommen. Dieser wurde am Tatort gefunden. «Welcher Mörder lässt seinen Lebenslauf am Tatort zurück? Das ist doch absurd», so der Verteidiger.

Er stellte denn auch in den Raum, dass es tatsächlich Fehler in der Indizienkette geben könnte. Ausserdem sei es nicht unmöglich, dass irgendjemand dem Beschuldigten den Mord unterschieben wolle. Schlussendlich gebe es zu viele Unbekannte, und nach dem Motto «im Zweifel für den Angeklagten» müsse ihn das Gericht freisprechen.

Licht ins Dunkel hätte nur der Beschuldigte bringen können. Dieser schwieg aber beharrlich. Auch beim Schlusswort wiederholte er lediglich, dass er nichts mit dem Mord zu tun habe. Und so bleibt es ein Rätsel, was sich im Juni 2022 in der Wohnung in Luzern abgespielt hatte und warum ein Mann sterben musste.

Das Urteil ist noch ausstehend. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Verwendete Quellen
  • Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Luzern
  • Besuch der Verhandlung
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