«Unüberbrückbare Differenzen»

Abgang im St. Anna – Klinik trennt sich von Chefärztin

Esther Bächli war seit Oktober 201 in der Klinik St. Anna tätig. (Bild: Archivbilder 2021 und 2022: zvg)

Die Luzerner Klinik St. Anna trennt sich von der Chefärztin Esther Bächli aufgrund «unüberbrückbarer Differenzen». Ein Déjà-vu für die Ärztin, die als «Gegnerin einer Zweiklassenmedizin» bekannt sei.

Per sofort gibt Esther Bächli ihre Funktion als Chefärztin sowie Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung ab. Diese Nachricht erreicht die Angestellten der Klinik St. Anna Mitte Juli. Bis Ende August solle die Chefärztin der Klinik für Innere Medizin und Nephrologie (KIM) noch «primär mit klinischem Fokus» weiterarbeiten, heisst es weiter in der Nachricht, die zentralplus vorliegt.

Die Klinik St. Anna bestätigt auf Anfrage von zentralplus, dass sie die Entscheidung getroffen hat, sich von Esther Bächli zu trennen. Die Vorstellungen der Chefärztin und der Klinik St. Anna über die Weiterentwicklung der KIM hätten sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt. «Dies hat zu unüberbrückbaren Differenzen und zur Trennung geführt», schreibt die Medienverantwortliche.

Spital Uster trennte sich von Bächli aus denselben Gründen

Esther Bächli arbeitete seit Oktober 2021 als Chefärztin in der Klinik. Davor war sie 15 Jahre im Spital Uster tätig, ebenfalls als Chefärztin.

Vor vier Jahren gab das Spital Uster bekannt, dass sich der Verwaltungsrat dazu entschieden habe, das Arbeitsverhältnis mit Esther Bächli zu beenden. In einer Mitteilung von damals heisst es, dass sich die Institution gegenwärtig in einer «sehr anspruchsvollen Situation» befinde. Die Vorstellungen der Departementsleiterin Esther Bächli über die Ausrichtung des Departements würden sich nicht mit den strategischen Zielen des Spitals Uster in Einklang bringen lassen. Unter diesen Umständen sei eine Zusammenarbeit nicht mehr gewährleistet.

Bächli als «Gegnerin einer Zweiklassenmedizin» bekannt

Die Nachricht schlug hohe Wellen. Über 100 ehemalige Ärzte des Spitals haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie sich hinter Bächli stellen. Die Unterzeichnerinnen schrieben damals, dass sie Esther Bächli als «Gegnerin einer Zweiklassenmedizin kennen und schätzen gelernt» hätten. Sie werfen die Frage auf, ob eine Entscheidung getroffen wurde, welche die Wirtschaftlichkeit höher gewichtet als das Patientenwohl.

Und Bächli erfuhr noch mehr Solidarität: Wenige Tage nach dem offenen Brief meldeten sich die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) und die Schweizerische Gesellschaft Internistischer Chef- und Kaderärzte (ICKS) mit einer gemeinsamen Stellungnahme zum Fall an die Öffentlichkeit. Auch sie nehmen den Punkt der Wirtschaftlichkeit auf. In der Mitteilung heisst es: «Es wäre an der Zeit, dass in den einseitig auf die Ökonomie fokussierten Spitalstrategien wieder gesellschaftlich wichtige Aspekte wie qualitativ hochstehende Patientenbetreuung, Exzellenz in Aus- und Weiterbildung sowie lokale Sicherstellung einer vernünftigen Grundversorgung Einfluss gewinnen.»

Verein forderte, dass Bächli wieder angestellt wird

Weiter schreiben sie, dass die plötzliche Freistellung von Esther Bächli viele Fragen hinterlasse. Die Chefärztin sei als «Persönlichkeit von hohem Berufsethos und unermüdlichem Einsatz» bekannt. Unter Patientinnen und Zuweisern geniesse sie eine «exzellente Reputation» – weit über die Grenzen der Region Uster hinaus. Ausserdem sei Bächli schweizweit eine der wenigen Frauen, welche eine Chefarztposition innehabe und diene so dem weiblichen Nachwuchs als Rollenmodell.

Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) und Schweizerische Gesellschaft Internistischer Chef- und Kaderärzte (ICKS) forderten, dass der Verwaltungsrat des Spitals Uster den «Fehlentscheid» korrigiert. Er soll die «Freistellung/Entlassung» von Esther Bächli rückgängig machen.

Vorstellungen seien «im Laufe der Zeit» auseinandergedriftet

Inwiefern sich die jetzige Trennung mit der Situation von damals ähnelt, beantwortet die Klinik St. Anna nicht. Auch unklar ist, ob Bächlis Meinungen zu einer Zweiklassenmedizin eine Rolle spielten. Ob sich die Differenzen zwischen Bächli und der Klinik bereits bei der Anstellung abzeichneten? Die Medienverantwortliche der Klinik St. Anna schreibt, dass sich die Vorstellungen von Bächli und jene der Institution «im Laufe der Zeit» in unterschiedliche Richtungen entwickelt hätten.

zentralplus hat auf verschiedenen Wegen versucht, Esther Bächli zu erreichen. Sie hat nicht reagiert. Auf eine E-Mail an ihre St.-Anna-Adresse folgt eine automatische Antwort: «Ich bin zurzeit nicht im Büro.» Auf die Frage, ob Esther Bächli seit dem Entscheid noch in der Institution tätig ist, wie den Mitarbeitern kommuniziert wurde, geht die Klinik nicht ein.

Vorläufig füllen Beat Oertli, der stellvertretende Chefarzt der KIM, und sein Kaderteam die Vakanz. Laut der Klinik St. Anna sind Gespräche mit möglichen Nachfolgerinnen am Laufen.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Lorena Manser, Projektleiterin Kommunikation bei Klinik St. Anna
  • Kontaktversuche mit Esther Bächli und automatische Antwort
  • Mitteilung des Spitals Uster vom 18. August 2020
  • Mitteilung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin und Schweizerischen Gesellschaft Internistischer Chef- und Kaderärzte vom 26. August 2020
  • Mitteilung der Klinik St. Anna vom 22. Oktober 2021
  • E-Mail, die an die Angestellten der Klinik verschickt wurde
  • Artikel des «Anzeiger von Uster» vom 22. August 2020
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