Notunterkünfte in Luzern

Wenn Obdachlose selbst in Notschlafstelle abgewiesen werden

Obdachlosigkeit, wie hier in Berlin, kommt auch in der Stadt Luzern vor. (Bild: Emmanuel Ammon/AURA)

Menschen ohne Wohnung finden in der Stadt Luzern durch verschiedene Angebote vorübergehend ein Dach über dem Kopf. Doch gemäss der Stadtluzerner SP schlägt selbst da die Wohnungsnot zu. Besonders im Winter.

Obdachlosigkeit in der Stadt Luzern? Um das zu verhindern, gibts Angebote wie die Notschlafstelle des Vereins Jobdach, die Pension Zihlmatt oder die Notwohnungen der Stadt. Und trotzdem übernachten Menschen unter den schützenden Schindeln und Balken der Kapellbrücke, wie ein Leserreporter kürzlich beobachtete. Oder haben einzig das Blätterdach eines Busches in der Nähe des Bahnhofs als Obdach. Denn wie die SP-Grossstadträtinnen Patricia Almela und Caroline Rey in einem neuen Vorstoss schreiben, mache die Wohnungsnot auch vor Notunterkünften nicht halt.

Die Politikerinnen erläutern, die Notschlafstelle in Luzern sei «seit geraumer Zeit voll belegt». Gleiches gelte für «Obdach», das Angebot für betreutes Wohnen, das ebenfalls vom Verein Jobdach organisiert wird. Das Angebot «Obdach» soll besonders sucht- und psychisch kranke Menschen ansprechen – zwei Personengruppen, die gemäss einer Studie des Bundesamts für Wohnungswesen von 2022 besonders oft von Obdachlosigkeit betroffen sind. Entsprechend hoch ist die Nachfrage. Das betreute Wohnen führe Wartelisten mit über 40 Personen, schreiben die SP-Politikerinnen im Vorstoss.

Diese starke Belastung der Notunterkünfte führte dazu, dass im vergangenen Winter während mehrerer Wochen Menschen abgewiesen wurden. Bei Minustemperaturen hätten Luzerner stattdessen in Tiefgaragen oder an öffentlich zugänglichen Orten übernachtet, schildern die beiden Politikerinnen. Sie verlangen nun mittels einer Interpellation eine Übersicht vom Stadtrat zur Obdachlosigkeit in Luzern und der überlasteten Situation der Notschlafstelle.

Menschen in Not abweisen – das gabs vorher noch nie

«Die Situation hat sich verschärft. Es fehlt uns grundsätzlich an niederschwelligem Wohnraum», sagt denn auch Jobdach-Geschäftsleiterin Annamarie Käch am Telefon. Sie bestätigt die lange Warteliste für das «Obdach»-Angebot. Eigentlich wäre angedacht, dass Personen, die sich fangen und von der Gasse wegkommen, von der Notschlafstelle ins betreute Wohnen wechseln. Doch diese Plätze sind ausgebucht, Anfragen kommen gemäss Käch zudem auch von Kliniken und anderen Einrichtungen.

Eigentlich bräuchte der Verein Jobdach mehr Plätze – doch günstige Zimmer für betreuten Wohnraum zu finden, ist eine Herkulesaufgabe (zentralplus berichtete).

Die fehlenden Plätze bei diesem Angebot schlagen sich auch auf die Notschlafstelle nieder. Im Winter mussten deren Mitarbeiterinnen zum Teil Personen zurück in die Kälte schicken. «Diese Situation hat es in der Notschlafstelle Luzern noch nie gegeben. Für die jeweiligen Mitarbeitenden und abgewiesenen Personen war das eine sehr unschöne Situation», sagt Käch. Gemäss ihr ist das die Folge von zunehmender sozialer Verwahrlosung und Armut der betroffenen Menschen und fehlendem günstigen Wohnraum.

Wie Käch betont, schaue der Verein jedoch nicht tatenlos zu. Derzeit würden Gespräche mit der Stadt und dem Kanton laufen, um im Bereich niederschwelliges Wohnen mögliche kurzfristige und auch längerfristige Lösungen zu finden. Zudem seien sie mit den städtischen und kantonalen Behörden auf der Suche nach Wohnungen für Zwischennutzungen, die sie unkompliziert anmieten könnten. «Besonders die ganze Finanzierung für diese künftigen weiteren Wohnangebote muss besprochen und geklärt werden», so Käch. Dabei helfe sicher, wenn das Thema wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücke, sagt sie.

Nicht nur Suchtkranke sind froh um Notunterkunft in Luzern

Genau das ist auch das Ziel hinter dem SP-Vorstoss. «Eine Notschlafstelle ist schlussendlich die letzte Option. Wenn Menschen wegen Vollbelegung abgewiesen werden, führt das gerade im Winter zu prekären Situationen», erklärt Patricia Almela am Telefon den Hintergrund des Vorstosses. Ihr sei zwar bewusst, dass die Notschlafstelle durch den Zweckverband für institutionelle Sozialhilfe und Gesundheitsförderung (ZISG) finanziert werde. Und damit durch mehrere Gemeinden und den Kanton Luzern zusammen, womit nicht einzig die Stadt Luzern verantwortlich sei. Von der Notschlafstelle abgewiesene Menschen würden sich jedoch anschliessend in der Stadt Luzern aufhalten, so die SP-Politikerin.

Mit der Interpellation will sie vorerst mal die aktuelle Situation erfragen, unter anderem auch zu den Notunterkünften der Stadt Luzern. Wie ist die aktuelle Auslastung? Wie ist der Zustand der Notwohnungen, nachdem vor wenigen Tagen eine verwahrloste Unterkunft Schlagzeilen auslöste (zentralplus berichtete)? Welche Möglichkeiten haben Menschen, die von heute auf morgen keine Wohnung mehr haben oder denen eine Kündigung droht?

DIe Sozialarbeiterin und SP-Politikerin Patricia Almela sorgt sich um obdachlose Luzerner, die zwischen Stuhl und Bank fallen. (Bild: zvg)

Wie die Sozialarbeiterin betont, seien vom Wohnungsverlust längst nicht nur Suchtkranke oder Personen mit psychischen Problemen betroffen. «Menschen können schnell in die Bredouille geraten. Der angespannte Wohnungsmarkt, steigende Mieten und Krankenkassenprämien, vieles schlägt aufs Portemonnaie. Und die Kündigungsandrohung kommt schnell.»

Je nach Antwort könnte nächster Vorstoss folgen

Patricia Almela will auch wissen, mit welchen Massnahmen der Stadtrat die angespannte Situation im niederschwelligen Wohnbereich zu entschärfen gedenkt. Dabei hoffe sie auch darauf, dass die künftige Sozialvorsteherin und Parteikollegin Melanie Setz etwas frischen Wind in die Thematik bringe (zentralplus berichtete).

Je nach Antwort des Stadtrats kann sich Almela gut vorstellen, mit einem Postulat oder einer Motion nachzudoppeln. Zuerst wolle sie jedoch eine Übersicht zur aktuellen Situation haben. Und aufzeigen, dass Obdachlosigkeit auch in der Stadt Luzern Realität ist. «In Luzern gibt es Menschen, die im Winter in Parkhäusern übernachten, weil sie sonst kein Dach über dem Kopf haben. Das muss uns bewusst sein», sagt sie.

Bereits vor rund zwei Jahren war das Wohnangebot für Obdachlose mit Suchtproblemen auf dem politischen Tapet. Damals meinte die Stadt, dass sie prüfen wolle, inwiefern bestehende Anbieter ihre Angebote ausbauen könnten (zentralplus berichtete). Dabei hofften die Stadt Luzern sowie der Verein Jobdach auch auf die neue Notschlafstelle am Neuweg, wo der Verein seine beiden Wohnangebote zusammenziehen will (zentralplus berichtete). Dieser Standort werde nächstes Jahr den Betrieb aufnehmen, sagt Annamarie Käch, löse jedoch die aktuelle Wohnungsnot in Luzern nicht.

Verwendete Quellen
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