Ehrung für Luzerner Architekt Daniele Marques

«Stil interessiert mich nicht»

Links die Allmend-Hochhäuser, rechts der Basler Messeturm: Nun wird Daniele Marques für seine Arbeit geehrt.

(Bild: zVg)

Daniele Marques erhält für sein Schaffen von der Stadt einen Preis. Der 66-jährige Architekt ist erfreut, aber auch überrascht. Denn er fühlte sich in Luzern lange Zeit nicht sonderlich wertgeschätzt. Im Interview spricht er über die Mühe mit «seiner» Swissporarena, Sinn und Unsinn von Hochhäusern und seinen Lebenstraum.

Daniele Marques kennt man in Luzern vor allem als Architekt der Allmend-Bauten Swissporarena, Hallenbad und der beiden Hochhäuser. Doch der 1950 in Aarau geborene und seit 1977 in Luzern wirkende Architekt hat noch viel mehr erreicht. Nebst unzähligen weiteren, teils preisgekrönten Bauten ist Marques auch Lehrbeauftragter an in- und ausländischen Universitäten, sitzt in diversen Fachgremien und amtet als Experte für Architekturfragen. Nun gewinnt Marques den mit 25’000 Franken dotierten Kunst- und Kulturpreis 2016 der Stadt Luzern.

Daniele Marques.

Daniele Marques.

(Bild: zVg)

«Stetes Streben nach Qualität»

«Daniele Marques prägt das architektonische Schaffen in Luzern, der Schweiz sowie im Ausland», begründet der Stadtrat die Verleihung. «Seine Kompromisslosigkeit und das stete Streben nach Qualität haben dazu beigetragen, dass Marques mit seinem Werk im In- und Ausland sehr erfolgreich ist. Er geniesst hohe Anerkennung als planender und bauender Architekt.»

Als Beispiele seines architektonischen Wirkens erwähnt der Stadtrat die Bauten auf der Allmend und die Weihnachtsbeleuchtung auf der Seebrücke, welche von «Leidenschaft und hoher Perfektion geprägt sind».

«Es ist schon hart, wenn man immer noch beweisen muss, dass man es doch kann.»

Zuletzt zeichnete sich Marques hier für die Frauenklinik am Kantonsspital verantwortlich, für die Talstation der Gütsch-Bahn sowie den geplanten Anbau des Klosters Wesemlin.

Marques ist verheiratet mit Barabara Hennig Marques. Er hat drei Kinder aus seiner ersten Ehe und einen Stiefsohn von seiner jetztigen Frau.

Kämpfen um Anerkennung in der Heimat

zentralplus: Daniele Marques, Sie bekommen den Kunst- und Kulturpreis 2016 der Stadt Luzern. Haben Sie ihn verdient?

Daniele Marques: Er heisst Kunst- und Kulturpreis? (lacht) Schön! Ob ich ihn verdient habe? Da fragen Sie mich etwas … Ich bin ziemlich überrascht. Und ich frage mich, warum ich überhaupt so etwas bekomme, nachdem ich 40 Jahre lang in der Stadt Luzern Fuss fassen und vieles bauen wollte, das ich gut fand. (überlegt) Aber in den letzten Jahren konnte ich ja doch ein paar schöne Sachen realisieren.

zentralplus: Das tönt nach einem zwiespältigen Verhältnis zur Stadt?

Marques: Ich habe mich ab 1977 entschieden, hier in Luzern zu arbeiten. Ich liebe speziell die Architektur von all den Hotels und Landschaftsanlagen. Aber das stammt fast alles aus dem 19. Jahrhundert. Wenn ich schaue, wie viele Bauten ich in Luzern realisieren konnte und wie viele ausserhalb – dann sind diese hier klar in der Minderheit. Es ist schon hart, wenn man immer noch beweisen muss, dass man es doch kann. Das gilt aber weniger, seit wir 2012 das Fussball-Stadion bauen konnten. Seither läuft es besser.

Der Basler Messeturm stammt ebenso von Marques.

Der Basler Messeturm stammt ebenso von Marques.

(Bild: zVg)

zentralplus: Dann passt die Begründung der Stadt für den Preis eigentlich nur halb. Diese schreibt: «Daniele Marques prägt das architektonische Schaffen in Luzern, der Schweiz sowie im Ausland.» Aber gerade in Luzern ist Ihre Prägung folglich gar nicht so gross?

Marques: Es freut mich natürlich, dass man das so sieht. Sehen Sie: Architektur ist nicht nur das, was man gebaut hat, sondern auch das, was man denkt. Wir haben hier schon fast an jedem Wettbewerb mitgemacht. Auch das bewirkt teilweise eine Prägung. Zudem habe ich mich stark in diversen Fachgremien engagiert. Etwa in Berufsverbänden, in der Kunstgesellschaft, in der kantonalen Orts- und Landschaftsbildkommission. Das scheint nun von der Stadt gewürdigt worden zu sein.

«50 Prozent aller Siegerprojekte werden nicht realisiert.»

zentralplus: Wenn Sie so oft an Wettbewerben teilgenommen haben – warum konnten Sie nicht mehr Bauten realisieren?

Marques: Wettbewerbe sind nur schon wichtig für uns, um Visionen zu entwickeln und in unseren Vorstellungen zu reifen. Aber in der Regel gewinnt man höchstens zwei von zehn Wettbewerben. Und von diesen zwei wird im Schnitt dann eines nicht mal realisiert, weil im Nachhinein Einsprachen oder politischer Widerstand das Projekt verhindern. 50 Prozent aller Siegerprojekte werden nicht realisiert.

zentralplus: Auf welche Bauten sind Sie besonders stolz?

Marques: Jedes neue Projekt macht mir Freude. Es macht Freude, ein Projekt zu entwickeln und die bestmögliche Antwort auf jede gestellte Frage zu finden. Es geht dabei immer darum, die Lebensraumqualität so zu gestalten, dass die Menschen, die darin wohnen, glücklich werden. Wenn es dann einmal gebaut ist, ist es schön, aber es ist erledigt.

zentralplus: Ihr grösstes Projekt in der Schweiz sind die Allmend-Bauten mit Fussballstadion und Hochhäusern. Wie stehen Sie heute dazu?

Marques: Wir haben sechs Jahre lang, von 2006 bis 2012, an diesem Projekt gearbeitet. Wenn Sie so lange nichts anderes im Kopf haben und ständig an alle Wünsche, Knörze, Probleme und Risiken denken, dann kann man am Schluss das Bauwerk fast nicht mehr anschauen. Jedes Teil hat für mich eine Geschichte, und nicht immer ist es ein schöne. Hier braucht es eine Zeit lang Abstand.

Marques grösster Bau in Luzern: Das FCL-Stadion mit den beiden Hochhäusern und dem Sportgebäude.

Marques grösster Bau in Luzern: Das FCL-Stadion mit den beiden Hochhäusern und dem Sportgebäude (Bild: Dominik Blum).

zentralplus: Das tönt anstrengender, als man sich das als Aussenstehender vorstellt. Sie mussten bei diesem Projekt Abstriche gegenüber den Bauherren machen, die teils andere Vorstellungen und Erwartungen hatten. Ging das für Sie zu weit?

Marques: Die Kompromisse sind nicht das Problem, das gehört für uns dazu. Architektur ist ein komplexes Zusammenspiel von Bedingungen, Kreativität und Wünschen. Das Problem sind Konstellationen von Planungen und Zusammenhängen, die man bestimmen könnte. Auf der Allmend war dies besonders verzwickt. Die Stadt hatte ja selber kein Geld für den Stadionbau, sondern liess das Projekt in Zusammenarbeit mit Privaten realisieren. Das war ein Pilotprojekt – schlussendlich waren wir alle etwas überfordert damit. Das war am Schwierigsten.

zentralplus: Konkret ging es meistens ums Geld?

Marques: Nicht nur. In dieser ganzen Konstellation hatten wir als Architekten gar nicht so viel zu sagen. Wir mussten uns richtig unbeliebt machen und auf den Tisch hauen, damit die Qualität auch nur einigermassen unseren Ansprüchen entsprach. Am Schluss wurden wir sogar rausgeworfen und durften das Hallenbad nicht mehr fertig bauen. Die Baukosten waren natürlich schon oft ein Thema. Aber wenn wir nach innovativen Lösungen für gewisse Probleme suchten, hiess es zu schnell, das werde zu teuer. Obwohl das nicht automatisch der Fall war.

«Man müsste den Pilatusplatz massiv verbauen, mit zwei oder drei oder mehr Hochhäusern.»

zentralplus: Speziell die mit 77 und 88 Metern höchsten Hochhäuser der Zentralschweiz waren in Luzern heftig umstritten. Es hiess, sie würden das Landschaftsbild verschandeln. Heute hört man von dieser Kritik nichts mehr. Andere in der Stadt geplante Hochhäuser – Steghof, Bundesplatz, Pilatusplatz – aber werden weiter bekämpft. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Marques: Es ist sehr wichtig, dass man die Stadt in ihrer Struktur versteht. Es gibt Orte, wo Hochhäuser Sinn machen, und Orte, wo sie schwer verträglich sind. Auf der Allmend ging es ja auch darum, die Quersubventionierung fürs Stadion hinzukriegen. Ohne Hochhäuser hätten wir die halbe Allmend verbauen müssen.

zentralplus: Und sonst in Luzern, etwa auf dem Pilatusplatz?

Marques: Hochhäuser können eine mögliche Verdichtungsstruktur sein. Man muss auf diese Weise nicht aus der Stadt und in die Landschaft hinaus bauen. Beim Pilatusplatz ist das Problem, dass dieser zwischen den drei angrenzenden Quartieren extrem trennend wirkt. Die Quartiere wachsen nicht zusammen, darum ist das so ein öder Ort. Man müsste diesen Platz massiv verbauen, mit zwei oder drei oder mehr Hochhäusern. So könnte man ein belebtes Zentrum schaffen mit Wohnen, Arbeiten, Gastronomie. Dazu müsste dann auch der Verkehr anders geregelt werden.

Der Frauentrakt am Kantonsspital – entworfen von Marques.

Der Frauentrakt am Kantonsspital – entworfen von Marques.

(Bild: zVg)

zentralplus: Speziell in Luzern Süd und Luzern Nord läuft enorm viel. Dort werden riesige Siedlungen aus dem Boden gestampft. Geht das in die richtige Richtung?

Marques: Ich bin mir noch nicht so sicher, ob der Ansatz gut ist. Es gibt auch in Zürich Quartiere wie Zürich Nord, die nicht funktionieren. Investoren haben konkrete Vorstellungen, wie sie ihre Bauten möglichst gut bespielen können. Sie konzentrieren sich dabei allerdings auf bestimmte Nutzungen: nur Wohnungen, nur Arbeiten. So haben sie am wenigsten Probleme. Das aber führt zu einer Monokultur. Die Siedlung lebt dann nicht. Eventuell müsste vermehrt politisch darauf hingewirkt werden, dass in solchen Siedlungen gemischt gebaut wird. Als grosses Vorbild kann hier die Luzerner Neustadt dienen. Dort wird im Erdgeschoss gearbeitet und oben gewohnt. Gelingt dies nicht, entmischen sich die Städte, und das ist ein Riesenproblem.

zentralplus: Wie würden Sie Ihren Stil bezeichnen?

Marques: Ich habe keinen Stil (lacht). Stil interessiert mich nicht. Mich interessiert Architektursprache. Dabei geht’s um Erfahrungen und Erlebnisse von Menschen. Je nach Ort spielen gewisse Elemente eine wichtige Rolle. Als Architekt kann ich solche Mittel verwenden und in die Arbeit einbringen. Mich interessiert es überhaupt nicht, dass man meine Bauten sofort erkennt, das will ich gar nicht. Ich will den Bau mit dem Ort und den Gegebenheiten in einen Dialog bringen und so eine Identität schaffen.

Die Luzerner Weihnachtsbeleuchtung stammt auch von Daniele Marques.

Die Luzerner Weihnachtsbeleuchtung stammt auch von Daniele Marques.

(Bild: zVg)

zentralplus: Haben Sie noch einen Traum, ein bestimmtes Projekt, das Sie verwirklichen möchten?

Marques: Mein Lebenstraum ist es, Architekt zu sein (lacht). Vieles was mit Architektur verwandt ist, habe ich breit ausgekostet. Ich habe immer versucht, möglichst viel zu machen. Alles, was man als Architekt gestalten kann, interessiert mich. Ich möchte noch mehr, noch weitere Sachen ausprobieren. Auch an Orten, wo man noch nicht weiss, wie man dort bauen kann.

zentralplus: Wenn man richtige spannende Architektur sehen will – welches Reiseziel empfehlen Sie dafür?

Marques: Augen auf! Das ist das Ziel!

zentralplus: Letzte Frage: Was machen Sie mit den 25’000 Franken Preisgeld?

Marques: Geld allein macht nicht glücklich. Aber trotzdem kann es angenehm sein (lacht).

Daniele Marques.

Daniele Marques.

(Bild: zVg)

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