Zwei Monate nach tödlichem Zugersee-Unfall

So wurde das Unglücksboot aus 80 Meter Tiefe geborgen

Das Segelschiff, das Ende Juni im Zugersee gesunken ist, wurde am Donnerstag aus der Tiefe des Zugersees geborgen. (Bild: wia)

Am Donnerstagnachmittag fand in Zug eine aussergewöhnliche Polizeiaktion statt. Das Segelboot, welches vor über zwei Monaten im Zugersee versank, wurde geborgen. Dies mit der Hilfe von Zürcher und Schwyzer Polizisten.

Es ist ein schönes, kleines Segelboot, das am Donnerstagnachmittag am Zuger Hafen angelegt hat. Dass etwas damit nicht stimmt, wird erst auf den zweiten Blick ersichtlich. Die dunkelblaue Farbe des Mastes blättert ab, das hölzerne Deck sieht etwas mitgenommen aus, das Innere des Boots ist mehrere Zentimeter hoch hoch mit trübem Wasser gefüllt.

Mehrere Personen stehen auf und um das Boot herum, räumen zerknüllte Segel weg, beginnen, Wasser aus dem Innenraum zu pumpen. Wenig später wird der Mast gekippt und auf dem Boot abgelegt. Danach wird dieses, auf dem Asphalt eine Wasserspur hinterlassend, aus dem Zugersee gehievt und auf einen Bootsanhänger gelegt.

Dass es sich hier nicht um den Courant normal des Hafenbetriebs handelt, ist selbst für Passanten unverkennbar. Denn die Personen, die sich um das Boot scharen, tragen allesamt eine Polizeiuniform. Spaziergängerinnen werden freundlich von der Seepromenade weggelotst.

Die Geschichte des herzigen Gefährts ist eine traurige. Es handelt sich um jenes Segelschiff, das am 22. Juni während einer Regatta auf dem Zugersee unterging. Zwei der drei Segler konnten gerettet werden, der dritte, ein 56-jähriger Mann, wurde einige Tage später tot geborgen.

Bergung des Schiffs bedurfte eingehender Vorbereitungen

Nicht geborgen werden konnte bis anhin jedoch das Boot, welches bereits vor rund zwei Monaten von Tauchrobotern der Kantonspolizei Zürich in der Tiefe des Sees entdeckt wurde. Dort lag es nun bis zur Polizeiaktion vom Donnerstag. Zu diesem Zweck waren nicht nur Einsatzleute aus Zug, sondern auch aus Zürich und Schwyz vor Ort.

Der Zuger Polizeisprecher Frank Kleiner äusserte sich zu den Schwierigkeiten beim besagten Einsatz wie folgt: «Das Schiff lag auf einer Tiefe von 80 Metern im See. Dies wiederum benötigte den Einsatz spezieller Taucher der Kantonspolizei Zürich.» Eine weitere Schwierigkeit sei es gewesen, die Konstruktion in dieser Tiefe am Schiff anzubringen, um dieses dann mittels Bergungswinde hinaufziehen zu können. «Eine dritte Schwierigkeit lag in der Unberechenbarkeit des heutigen Wetters. Ein Gewitter hätte für die Einsatzkräfte gefährlich werden können.»

Die Zuger Polizei verfügt nicht über eigene Taucher. Sie werden von den Polizeien anderer Kantone bereitgstellt. In diesem Fall verhielt sich die Situation noch etwas vertrackter. Denn kaum ein Sporttaucher, und längst nicht alle Berufstaucher können Tauchgänge in dieser Wassertiefe absolvieren.

Franziska Erne, Mitinhaberin des Tauch-Treff Zug und selber Tauchlehrerin, erklärt auf Anfrage, was die Herausforderung hierbei ist: «Das Besondere bei einem solchen Tauchgang ist insbesondere der Druck. Auf 80 Meter Tiefe ist der Druck neun Mal stärker als an der Wasseroberfläche.» Insbesondere aufgrund der Menge an Stickstoff, die sich in dieser Tiefe im Körper ansammele, seien solche Tauchgänge sehr anspruchsvoll und bedürfen besonderen Equipments.

Anspruchsvolle Arbeiten im tiefen Wasser

«Es gibt verschiedene Systeme. Bei herkömmlichen Sporttauchgängen benützt man normale Pressluftflaschen in einem sogenannt offenen System. Die Luft, die ausgeatmet wird, wird ins Wasser entlassen», erklärt Erne. «Für solche besonderen Tauchgänge nutzt man hingegen Kreislaufgeräte, in denen das Atemgas zirkuliert. Diese regulieren selbst, wie hoch die Menge an Sauerstoff auf welcher Tiefe sein muss.» Das CO2 werde mittels Atemkalk im Kreislaufgerät gebunden. Ab einer gewissen Tiefe werde zudem Helium zum Sauerstoffgemisch hinzugefügt.»

Weiter sagt sie: «Aussergewöhnlich an diesen Tauchgängen ist überdies, dass es sehr lange dauert, bis man an die Wasseroberfläche steigen darf. Auch wenn beispielsweise die Arbeiten in 80 Metern Tiefe nur zehn Minuten dauern, so ist doch die gesamte Tauchzeit um ein Vielfaches länger.» Dies, da in unterschiedlichen Tiefen Stopps eingelegt werden müssen, damit die im Körper aufgesättigten Gase wieder über die Lunge abgeatmet werden können.

Die Komplexität dieser Bergung war denn auch der Grund, dass zwischen Unfall und Bergung über zwei Monate verstrichen. «Bevor diese vollzogen werden konnte, mussten logistische und sicherheitstechnische Abklärungen getätigt werden. Gerade die Bergung aus solch grosser Tiefe ist Filigranarbeit», erklärt Polizeisprecher Frank Kleiner vor den Medien.

Dank schwimmender Plattform an die Wasseroberfläche transportiert

In einem ersten Schritt gelang es den Tauchern der Kantonspolizei Zürich am vergangenen Freitag, an verschiedenen Stellen beim Segelschiff die Konstruktion für die Windenbergung anzubringen. «Diese Arbeiten gestalteten sich aufgrund der Situation auf dem Seegrund als äusserst anspruchsvoll, verliefen jedoch erfolgreich», so die Zuger Polizei.

Am Donnerstag wurde das Boot aus 80 Metern Wassertiefe gehievt. (Bild: zvg/ Zuger Polizei)

Am Donnerstagmorgen wurde wiederum mit einem Tauchgang in einer Tiefe von 80 Metern das Seil der Bergungswinde angebracht. Diese befand sich auf einer schwimmenden Plattform einer privaten Baufirma. Im Anschluss daran wurde das Segelschiff langsam und vorsichtig angehoben.

An der Wasseroberfläche angekommen wurde das Schiff durch die Taucher der Kantonspolizei Schwyz gesichert, mittels Vorrichtung in die Höhe gehoben, ausgepumpt und im Anschluss daran mit einem Boot in den Hafen Zug geschleppt.

Die Polizei inspiziert das Unglücksboot, bevor es abtransportiert wird. (Bild: wia)

Warum das Segelschiff vor rund zwei Monaten sank, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Das Boot wird nun untersucht, der Fall liegt bei der Zuger Staatsanwaltschaft.

«Für die Zuger Polizei war es in dieser Sache besonders wichtig, dass wir die vermisste Person bergen konnten. Doch auch die problemlose Bergung des Boots ist wichtig», sagt Frank Kleiner. «Dies insbesondere auch für die Angehörigen. Die Schiffsbergung kann für sie aus psychologischer Sicht ein wichtiger Faktor sein, um abzuschliessen.»

Verwendete Quellen
  • Live-Berichterstattung der Bergung
  • Gespräche vor Ort
  • Telefongespräch mit Tauchlehrerin
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