Zuhause für beschlagnahmte Tiere gesucht

Sie kümmern sich in Luzern um Kampfhunde

Sandy (links) und Eveline vom Verein BullStaff Hilfe suchen für Ruedi ein neues Zuhause. (Bild: Bettina Wyss)

Es gibt Hunderassen, die in der Gesellschaft weniger gut ankommen: sogenannte Listenhunde wie Pitbulls oder Bullterrier. Der Luzerner Verein BullStaff Hilfe kümmert sich um diese Tiere.

Es ist ein sonniger Montagnachmittag, als Eveline und Sandy gemütlich durchs Städchen Willisau spazieren. An der Leine geht Ruedi, ein grosser American Bully. Ein schwerer Hund mit grossem Kopf. Einige Menschen drehen sich nach ihm um. Er fällt auf. Nicht nur wegen seiner Grösse: Ruedi ist ein Kampfhund.

«Er kämpft in erster Linie um genügend Streicheleinheiten», sagt seine Pflegerin Eveline und lacht. Sie streichelt sein Fell und er schmiegt seinen Kopf an ihren Arm.

Ist es ein Klischee, dass man vor Kampfhunden Angst haben muss? «Kampfhunde sind gezüchtet worden, um sich mit Artgenossen in der Pit zu messen. Das Wort Kampf bezieht sich demnach auf andere Hunde», erklärt Sandy. «Mit Menschen vertragen sich diese Rassen sehr gut. Das war sogar ein wichtiges Kriterium bei der Selektion.»

Natürlich seien Kampfhunde-Rassen etwas anderes als Pudel oder Dackel. Doch: «Erzieht man solche Hunde richtig, wird es keine Probleme geben. Oft werden Pitbulls oder Bullterrier als Statussymbol gehalten. Und das meist von Menschen ohne Hundeerfahrung. Und hier beginnt das Problem.»

Wenn Menschen einen solchen Hund nur aus Spass besitzen und ihn nicht richtig erziehen, könnten grosse Probleme entstehen. Dann kann es zu Beissvorfällen und Schlimmerem kommen. «Genau wie andere anspruchsvolle Rassengruppen gut erzogen werden müssen, so ist es auch bei Kampfhunden. Jeder Hund sollte alltagstauglich sein.»

Verein BullStaff Hilfe kümmert sich um beschlagnahmte Hunde

Sandy weiss, wie man mit Hunden umgeht. Sie hat Tierpflegerin gelernt, sich danach intensiv mit Hundeerziehung auseinandergesetzt und besitzt privat zwei Listenhunde. Zudem ist sie die Präsidentin des Vereins BullStaff Hilfe, der seinen Sitz in Luzern hat.

Sandy, Präsidentin des Vereins BullStaff Hilfe, mit ihrer Hündin Bernadette, die sie liebevoll «Bee» nennt. (Bild: Bettina Wyss)

Hier werden Kampfhunde betreut, die neu vermittelt werden sollen. Da Listenhunde in gewissen Kantonen verboten sind, kann sie der Veterinärdienst beschlagnahmen. Der Verein nimmt diese Hunde auf. Dabei arbeitet er mit Veterinärdiensten, der Polizei und dem Grenzschutz zusammen.

«Unsere Aufgabe ist es, die Hunde zu betreuen und mit ihnen zu arbeiten, um sie kennenzulernen. Sobald wir ihr Wesen einschätzen können, geben wir sie an eine Pflegestelle oder ein neues Plätzchen weiter», erklärt die Präsidentin. Pflegestellen sind Menschen oder Familien, die ehrenamtlich einen solchen Hund bei sich aufnehmen, bis er einen schönen Endplatz erhält.

Der Verein bezahlt alles, was den Hund betrifft: Futter, Tierarzt, Zubehör, die Hundeschule. Es gibt verschiedenste Pflegestellen: Sind es Familien mit Kindern, werden Junghunde ohne problematische Vorgeschichte abgegeben. Andere Pflegestellen bestehen aus Hundeprofis, die sich gezielt um die Hunde kümmern, die resozialisiert werden müssen. Dafür braucht es spezielle Erfahrung und viel Zeit.

Über den Verein

Der Verein BullStaff Hilfe kümmert sich um beschlagnahmte Listenhunde aus der ganzen Schweiz. Die Hunde werden in ausgewählten Pensionen und bei Pflegestellen betreut und so erzogen, dass sie neuen Besitzerinnen vermittelt werden können.

In den vergangenen elf Jahren konnten durch den Verein 170 Hunde neu platziert werden. Derzeit sind es 16 Hunde, die ein Zuhause suchen. Einige sind noch bei ihren Pflegestellen oder in Abklärung, andere bereits beim Probewohnen. Der Verein finanziert sich ausschliesslich über Spendengelder.

Nicht verboten in Luzern und Zug

Laut Peta Schweiz zeigt die deutsche Beissstatistik auf, dass Schäferhunde, Dackel und Mischlinge genauso oft beissen wie Kampfhunde. Bei Letzteren ist die Beisskraft höher – was jedoch in keinem Zusammenhang mit ihrem Verhalten stünde. Wichtig sei nur, dass diese Tiere von Menschen gehalten werden, die sich mit Hunden auskennen und sie richtig erziehen können.

In der Schweiz gibt es keine einheitliche Regelung, welche Hunde gehalten werden dürfen und welche verboten sind. Das ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Es gibt jedoch Verbotslisten. Rassen, die besonders häufig auf diesen stehen, sind der (American) Pit Bull Terrier, Standard Bull Terrier, American Staffordshire Terrier, die Bordeauxdogge, Bullterrier, Bullmastiff / Mastiff, Cane Corso Italiano, Dobermann und der Dogo Argentino. In mehreren Kantonen – darunter auch Luzern und Zug – gibt es keine Verbote bezüglich Kampfhunden.

Eine Arbeit, die sich lohnt

Es ist ein Muss, intensiv mit den Hunden zu arbeiten, bevor sie einen neuen Besitzer kriegen, wie der Verein betont. «Gerade bei erwachsenen Hunden, bei denen wir die Vorgeschichte nicht kennen, ist es besonders entscheidend, dass wir den Charakter des Hundes einschätzen können.»

Dies dauere im Minimum drei Monate. Manchmal länger. «Wenn Hunde falsch behandelt wurden, braucht es viel Zeit, sie wieder ins Gleichgewicht zu bringen», sagt Sandy. Die meisten Fälle sind aber leicht. Da landen die Hunde nur bei BullStaff Hilfe, weil sie im jeweiligen Kanton nicht gehalten werden dürfen. «Wenn man einen Kampfhund hat, kann man zum Beispiel nicht einfach nach Zürich umziehen. Dort sind sie verboten», erklärt sie weiter.

Ruedi ist ein solcher Hund. Er wurde beschlagnahmt, weil er illegal gehalten wurde. Eveline hat ihn bei sich aufgenommen. Sie ist im Vorstand des Vereins und agiert als eine der Pflegestellen, die sich um solche Hunde kümmert. Ein Jahr ist der grosse Rüde bereits bei ihr. Die beiden sind ein Team. Zurzeit sucht er ein neues Plätzchen. Ist es denn nicht schwer, den Hund wieder herzugeben? «Natürlich wird dieser Abschied nicht einfach», sagt sie. «Jedoch hätte ich sonst keine Möglichkeit, einem neuen Hund diese Chance zu geben.»

Der American Pitbull Ruedi ist seit einem Jahr bei Eveline in Pflege. Jetzt sucht der freundliche Rüde ein neues Plätzchen. (Bild: Bettina Wyss)

Sandy ergänzt und meint schmunzelnd: «Wir haben einige Pflegestelle-Versager.» So nennt sie die Leute, die sich eigentlich nur vorübergehend um die Hunde kümmern sollten, sie jedoch dann gleich behalten. «Auch ich bin so eine Versagerin. Meine beiden Hunde sollten eigentlich ursprünglich auch an einen neuen Besitzer oder eine neue Besitzerin übergehen. Aber dann war die Liebe zu gross.» Und jetzt kann sie sich ein Leben ohne ihre beiden besten Freunde nicht mehr vorstellen. Die beiden Hunde sind tiefenentspannt. Sie sagt lachend: «Ich glaube, wenn ein Einbrecher in mein Haus kommen würde, würden die beiden nach einem Leckerli betteln.»

Killermaschinen oder Menschenfreunde?

Im Café: Ruedi kuschelt sich an Eveline. Ein Pärchen vom Nebentisch schaut neugierig rüber. «Eieiei, ist der gross», sagt der Mann. Sofort kommt das Pärchen mit Eveline ins Gespräch. Nach nur wenigen Minuten sind die beiden damit beschäftigt, Ruedi hinter den Ohren zu kraulen. Er geniesst es sichtlich. «Solche Begegnungen sind immer besonders schön», sagt Eveline. «Da sieht man, wie schnell Vorurteile vom Tisch sind.»

Denn ja: Vorurteile gibt es viele. Sandy kennt dieses Thema gut. «Wir hatten mal einen Hund, der ein regelrechter Katzenkiller war. Der musste permanent einen Maulkorb tragen. Das ist ein Bild, das den Menschen oft Angst macht. Ich hatte es nach einem Jahr geschafft, dass der Hund ganz entspannt an meinen Katzen vorbeispazieren konnte. Konsequentes Training ist das A und O. Das sind keine Maschinen. Es sind lernfähige Lebewesen.»

Alles ehrenamtlich

Der Verein BullStaff Hilfe besteht aus einem fünfköpfigen Vorstand und zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen. Von Pflegestellen über Pensionen bis hin zu Gassigängern ist alles dabei. Auch Präsidentin Sandy arbeitet auf freiwilliger Basis. Mindestens 50 Prozent des Jahres arbeitet sie gemäss eigenen Angaben für den Verein.

Und sie strahlt dabei. Hier ist spürbar viel Herzblut im Spiel. «Meine Kinder und die Hunde kommen in meinem Leben zuerst. Alles andere kann warten oder gehen.»

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Sandy und Eveline des Vereins BullStaff Hilfe
  • Website des Vereins BullStaff Hilfe
  • Website von Peta Schweiz
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