Tierschutzverstösse

Nach aufgeschlitzten Geissen: So gehen Zuger mit Tieren um

Dieser Geiss geht's (hoffentlich) gut. (Bild: Peter Lloyd/Unsplash)

Die jüngsten Fälle im Kanton Zug schockierten: Betrunkene Männer töteten mutmasslich zwei Ziegen und Unbekannte schossen auf Enten. Die Vorfälle werfen Fragen zur Wirksamkeit der Tierschutzgesetze und zu deren Durchsetzung auf.

In Oberwil bei Zug findet die Polizei in einem Gehege zwei tote Geissen. Ihre Bäuche sind aufgeschlitzt.

Jemand schiesst in Unterägeri mit Pfeilen auf Stockenten. Die Ente watschelt auch Wochen später immer noch umher – mit dem Pfeil in ihrem Körper.

Die jüngsten Ereignisse im Kanton Zug wühlten auf. So informierte die Zuger Polizei, dass sie Ende April zum ersten Mal eine Meldung erhielt, dass eine Ente mit einem Pfeil in ihrem Körper gesichtet wurde. Ende Mai erhielt sie zwei weitere Meldungen (zentralplus berichtete).

Vor einer Woche randalierten zwei Asylbewerber in Oberwil bei Zug, welche betrunken mutmasslich zwei Geissen getötet haben sollen (zentralplus berichtete).

Und im letzten November wurde in der Stadt Zug ein Schaf geklaut und anschliessend geschächtet (zentralplus berichtete).

Zu den jüngsten beiden Vorfällen kann Frank Kleiner, Mediensprecher bei der Zuger Polizei, noch nicht mehr sagen. Im Fall der Enten seien der Polizei keine Sichtungen mehr gemeldet worden. «Wir gehen davon aus, dass es sich bei den gesichteten Stockenten jeweils um dasselbe Tier handelt», sagt er am Telefon. Im Falle der beiden getöteten Geissen laufen die Ermittlungen noch.

Nur wenige Tierschutz-Strafentscheide für den Kanton Zug

Nehmen Fälle, in denen Tiere misshandelt, vernachlässigt oder qualvoll getötet werden, denn zu im Kanton Zug?

Die kantonalen Behörden sind verpflichtet, dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sämtliche kantonale Strafentscheide zuzustellen – ob Verurteilungen oder Freisprüche, Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügungen. Dem BLV fehlen noch die Zahlen aus dem Jahr 2023, wie die Medienstelle auf Anfrage mitteilt.

Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) sammelt sämtliche Tierschutzstrafentscheide in einer Datenbank. Diese zeigt: Für den Kanton Zug liegen für das Jahr 2022 insgesamt zwölf Entscheide vor – mehr waren es im Jahr zuvor mit 24 Tierschutzstrafentscheiden. Diesen Rückgang kann sich der Zuger Kantonstierarzt nicht erklären, beziehungsweise, es bewerte der Veterinärdienst die Anzahl der Tierschutzstraffälle nicht, wie er in einer E-Mail schreibt. Wobei Schwankungen nicht aussergewöhnlich seien.

Wesentlich mehr Entscheide liegen für den Kanton Zürich vor – im letzten Jahr waren es 263 Tierschutzstrafentscheide, im 2021 waren es 312.

Das hielt Staatsanwaltschaft und Gerichte auf Trab

Ein Blick in diese Datenbank zeigt, wie verschieden die einzelnen Vergehen sind. Für den Kanton Zug liegt unter anderem ein Strafbefehl vom Februar 2022 vor. Der Beschuldigte trifft bei einem Spaziergang mit seinem Hund auf eine andere Hundehalterin, die mit ihrem kleinen Hund unterwegs ist. Der Hund des Beschuldigten beisst den kleinen Hund in den Hals und schüttelt ihn, bis er diesen verletzt. Damit hat der Beschuldigte die Vorschriften über die Tierhaltung missachtet.

In einem anderen Strafbefehl vom Oktober 2022 steht, dass jemand um 2 Uhr nachts mit seinem Auto in ein Reh gefahren ist. Anschliessend soll er weitergefahren sein, ohne sich um das Tier zu kümmern, den Wildhüter oder die Polizei zu rufen. Das fällt unter den Tatbestand der Tierquälerei.

«Tierschutzverstösse werden oftmals bagatellisiert und zu wenig konsequent geahndet.»

Bianca Körner, Stiftung für das Tier im Recht

In einem Strafbefehl von 2021 wird geschildert, wie ein Bauer 74 verschmutzte Schweine zum Schlachthof gefahren hat. Fast die Hälfte der Tiere waren von Schwanzbeissen betroffen. Vier Schweine hatten blutige und entzündete Schwanzstummel – eines hatte einen komplett abgebissenen Schwanz. Auch eine spätere Hausdurchsuchung beim Betrieb brachte diverse Mängel ans Licht.

Werden Anzeigen weniger konsequent geahndet?

Doch vieles passiert hinter verschlossenen Stalltüren. So schreibt Bianca Körner, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung TIR: «Tierschutzverstösse werden oftmals bagatellisiert und zu wenig konsequent geahndet.» Angesichts der Millionen von in der Schweiz gehaltenen und genutzten Tiere falle die Anzahl der Tierschutzstrafentscheide insgesamt sehr tief aus. Entsprechend geht sie von einer hohen Dunkelziffer aus.

Nur weil ein Kanton viele Tierschutzstraffälle aufweist, heisse das nicht, dass Tierschutzverstösse überproportional zugenommen hätten. Sondern vielmehr, dass der Vollzug des Tierschutzstrafrechts in den letzten Jahren «deutlich verbessert» worden sei.

Bianca Körner schreibt weiter: «Tiefe Quoten lassen allgemein vor allem vermuten, dass in den betreffenden Kantonen weniger Anzeigen wegen Tierschutzverstössen eingereicht, beziehungsweise dass entsprechende Anzeigen weniger konsequent verfolgt und geahndet werden. Oder dass die Meldung der Verfahren an das BLV pflichtwidrig unterlassen wird». Auch würden die Kantonsregierungen unterschiedlich viel Ressourcen zur strafrechtlichen Verfolgung und Ahndung von Tierschutzdelikten zur Verfügung stellen.

Das Schweizer Tierschutzgesetz

Das Tierschutzgesetz unterteilt Tierschutzdelikte in die drei Tatbestände «Tierquälereien», «Widerhandlungen im Verkehr mit Tieren und Tierprodukten» und «Übrige Widerhandlungen».

Zum Tatbestand der Tierquälerei gehören beispielsweise die Misshandlung, Vernachlässigung, unnötige Überanstrengung oder das Missachten in anderer Weise der Würde des Tieres. Auch fällt darunter, wer ein Tier qualvoll oder aus Mutwillen tötet. Oder wer ein im Haus oder im Betrieb gehaltenes Tier aussetzt oder zurücklässt in der Absicht, «sich seiner zu entledigen».

Dies erklärt aus ihrer Sicht, dass die Fallzahlen zwischen den Kantonen stark auseinanderdriften. Denn man müsse davon ausgehen, dass das Tierschutzrecht «in allen Landesteilen – im Verhältnis zur Wohnbevölkerung – in ähnlichem Ausmass missachtet wird».

Viele Hundefälle

Im Kanton Zug liegen vergleichsweise wenig Tierschutzverstösse vor. Werden diese also zu wenig konsequent geahndet? Dies kann Bianca Körner nicht beurteilen. Der Stiftung würden keine Kontrollberichte der Veterinärämter oder Polizeirapporte vorliegen.

Was sie aber sagen kann: «In Bezug auf die nach Kantonen aufgeschlüsselte Zahl der Hundefälle schneidet der Kanton Zug beispielsweise überdurchschnittlich ab. Jedoch weist er niedrige Nutztierzahlen pro Nutztierbetriebe auf.» Wegen der tiefen Anzahl von Straffällen sei ein tiefgreifender Vergleich jedoch schwierig.

Verbesserungspotenzial sieht sie gleich an mehreren Stellen: Das Schaffen spezifischer Tierdeliktfachstellen bei der Polizei könnte helfen, dass Verstösse konsequenter geahndet würden. Auch würde es die Stiftung begrüssen, wenn das Veterinäramt als zuständige Stelle für die Tierschutzkontrolle im Kanton Parteirechte im Strafverfahren hätte.

Das sagt der Kantonstierarzt

Wie gut Zuger ihre Tiere halten – das weiss der Zuger Kantonstierarzt Ramon Bucher. Schliesslich führt der Veterinärdienst regelmässig Kontrollen durch. Wie er auf Anfrage schreibt, gehen direkt beim Veterinärdienst pro Jahr rund 40 Tierschutzmeldungen ein, die kontrolliert werden und bei denen, wo es notwendig ist, Massnahmen ergriffen werden. Seit fünf Jahren sei die Anzahl Meldungen gleichbleibend.

Nicht selten stellt der Veterinärdienst jedoch fest, dass Tiere nicht gut gehalten werden. «Bei zirka 1/3 der Kontrollen werden Mängel festgestellt.» Sei das, weil die Halter ihren Hunden zu wenig Auslauf geben – oder weil sie sozial lebende Tiere einzeln halten.

Pro Jahr erstatte der Veterinärdienst bis zu drei Strafanzeigen gegen die Tierschutzgesetzgebung. Der Veterinärdienst müsse Tiere jedoch selten vorsorglich beschlagnahmen – das komme maximal einmal im Jahr vor.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Ramon Bucher, Zuger Kantonstierarzt
  • Schriftlicher Austausch mit Bianca Körner, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung für das Tier im Recht (TIR)
  • Telefonat mit Frank Kleiner, Mediensprecher bei der Zuger Polizei
  • Studie der Stiftung für das Tier im Recht über die Schweizer Tierschutzstrafpraxis 2021
  • Datenbank der Stiftung für das Tier im Recht über Tierschutzstraffälle
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