Künstliche Intelligenz

Im Beichtstuhl gegenüber KI-Jesus? In Luzern bald möglich

Der KI-Jesus wird ab dem 23. August in der Peterskapelle zu bestaunen – und zu testen sein. (Bild: zvg/KI-generiert)

In Luzern kann man bald mit einem KI-Jesus sprechen. Ab dem 23. August steht die Installation in der Peterskapelle für Besucher bereit. Sie soll zum Nachdenken über die Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Religion anregen.

KI – Künstliche Intelligenz – macht Unmögliches möglich. Beispielsweise mit Jesus zu chatten. Oder sogar mit ihm zu sprechen.

In Luzern ist das bald möglich. In einem intimen, kleinen Raum in der Peterskapelle kann man vis-à-vis eines KI-Jesus Platz nehmen. Ähnlich einem «himmlischen Hologramm». Er heisst «Deus in machina», wird als «allwissende Maschine» angepriesen, der «vielleicht einen heiligen Moment» erschaffen kann.

Am 23. August wird der KI-Jesus in der Peterskapelle eingeschaltet – und steht bis am 20. Oktober zu Diensten. Darüber ist auch im aktuellen Pfarreiblatt der Stadt Luzern zu lesen.

Peterskapelle möchte zu kritischer Auseinandersetzung mit KI anregen

«Ich muss sagen, der KI-Jesus gibt wirklich smarte Antworten», sagt Marco Schmid am Telefon. Schmid ist theologischer Mitarbeiter der Peterskapelle. Er selbst hat den KI-Jesus schon mehrmals getestet. «Ich bin immer wieder überrascht, teilweise sogar berührt, was die Maschine sagt.»

Der KI-Jesus habe zum Beispiel sämtliche Bibelstellen korrekt und situationsentsprechend wiedergegeben. Es sei ein «faszinierendes Medium». So ist Schmid auch überzeugt, dass der KI-Jesus Besucherinnen berührt – «nicht nur intellektuell, sondern auch religiös».

«Es ist höchste Zeit, dass wir uns als Kirche Gedanken machen, was KI für uns bedeutet.»

Marco Schmid, theologischer Mitarbeiter Peterskapelle Luzern

Schmid führt aus, dass die Peterskapelle dazu anregen möchte, sich kritisch mit KI auseinanderzusetzen. KI dringe gewollt oder ungewollt in alle Bereiche unserer Gesellschaft ein, auch ins Religiöse. In hiesigen Pfarreien sei das Thema praktisch nicht existent. Anders im Vatikan. Der Papst hat kürzlich am G7-Gipfel darüber gesprochen. Er hat dazu aufgerufen, dass KI menschenwürdig gestalten werden sollte.

«Es ist höchste Zeit, dass wir uns als Kirche Gedanken machen, was KI für uns bedeutet», sagt Schmid dazu. Gerade als Stadtkirche sei es ihre Aufgabe, gezielte gesellschaftliche Entwicklungen aufzugreifen und neue Formen der kirchlichen Präsenz auszuprobieren.

Die Peterskapelle am Kapellplatz in der Stadt Luzern. (Archivbild: als)

KI-Jesus spricht (noch nicht) Schweizerdeutsch

Beim KI-Jesus in der Peterskapelle handelt es sich um eine experimentelle und zeitlich beschränkte Kunstinstallation, welche die Peterskapelle zusammen mit dem «Immersive Realities Research Lab» der Hochschule Luzern (HSLU), entwickelt hat. Zum künstlerischen Team gehören neben Marco Schmid auch Philipp Haslbauer und Aljosa Smolic. Gemäss Schmid ist die Peterskapelle seit Jahren im Austausch mit dem Lab.

Philipp Haslbauer, Masterassistent an der HSLU am Departement für Informatik, erklärt, was Besucherinnen in der Peterskapelle erwartet: Wer den Beichtstuhl der Kapelle betritt, erblickt den bewegten Avatar auf der anderen Seite des Gitterfensters. Der Besucher spricht, nach den ersten Worten erkennt der KI-Jesus beziehungsweise das System die gesprochene Sprache und antwortet in derselben. «Schweizerdeutsch kann sie leider noch nicht, das kommt womöglich in einer künftigen Version», schreibt Haslbauer in einer E-Mail.

Der KI-Jesus erkennt die Sprache des Gegenübers und antwortet dementsprechend. (Bild: zvg/KI-generiert)

«Das System versucht, Bibelstellen zu finden, die zum Anliegen der Besucher passen. Basierend auf ihrem erlernten Wissen und diesen Bibelstellen formt die KI eine Antwort. Die intellektuelle Kapazität der KI ist begrenzt, daher mögen die Antworten in ihrer Form Sinn ergeben, aber nicht unbedingt korrekt sein», so Haslbauer weiter.

KI-Jesus: Chancen und Risiken zugleich

Sowohl er als auch Schmid sehen in einem solchen KI-Jesus Chancen und Risiken zugleich. «Das ist eine Maschine. Sie hat keine Emotionen, besitzt keine menschliche Empathie, keine moralische Fähigkeit und kein Gewissen», so Schmid. «Das könnte gar zu einem geistigen Missbrauch führen.» Etwa dann, wenn jemand alles für bare Münzen nimmt, was der KI-Jesus sage.

Zusätzlich gibt es gemäss Haslbauer das Risiko unerwünschter Antworten. Die KI könne Dinge erzählen, die nicht mit den Werten des jeweiligen Glaubens oder der Gesellschaft vereinbar seien. «Zwar sind aktuelle KI-Modelle so trainiert, dass sie sich an gewisse Werte halten, aber eine absolute Garantie gibt es nicht.»

Chancen sieht Schmid insbesondere in seelsorgerischer Hinsicht. Seelsorgerinnen müssen ruhen und schlafen, ein KI-gestützter Chatbot steht hingegen rund um die Uhr zur Verfügung und könne gerade in Krisensituationen erste Hilfe leisten. Auch kann der KI-Jesus sämtliche Sprachen sprechen.

Wer mit KI-Jesus spricht, kann Rückmeldung abgeben

Schmid ist sich bewusst, dass einige einem KI-Jesus sehr skeptisch gegenüber stehen könnten. Der Theologe findet das auch eine gesunde Einstellung. Er hofft aber dennoch, dass Leute den KI-Jesus testen und das Experiment nicht vorschnell verurteilen. Er erzählt von zwei gläubigen Menschen, die den KI-Jesus in der Testphase ausprobiert hätten – und zuvor sehr skeptisch waren. Beide hätten gute Gespräche mit der Maschine geführt. «Der eine sagte, dass ihm der KI-Jesus einen Impuls mitgegeben hat, der ihm helfe.»

Was die Luzernerinnen vom KI-Jesus halten, wird sich zeigen. Wer den KI-Jesus testet, darf anonym eine Rückmeldung abgeben. Im November werden die Erfahrungen gemeinsam mit den Forschern im Rahmen einer Veranstaltung diskutiert. Im September geht Peter Kirchschläger, Professor an der Uni Luzern, zudem auf ethische Fragen ein.

«Ich weiss nicht, ob es klug oder nötig wäre, einen KI-Jesus als ernsthafte Instanz zu haben. Vielleicht macht das Gott fast zu nahbar?»

Philipp Haslbauer, HSLU

Der KI-Jesus wird sicherlich auch Menschen in den Beichtstuhl locken, die mit der Kirche nichts am Hut haben. Auch Haslbauer hat bereits in der Projektumsetzung gespürt, dass das Projekt auch Menschen interessiert, die sich nicht als religiös bezeichnen. Er selbst habe sich schon lange nicht mehr so viel über Glauben und Religion unterhalten wie in den letzten Monaten. Er sieht eine grosse Chance, dass der KI-Jesus Menschen zusammenbringe, über verschiedenen Themen zu reden, die für uns alle relevant seien.

Ob künftig ein KI-Jesus zu Luzern gehört wie der Kirchturm zu der Peterskapelle, der ältesten Kirche der Stadt Luzern? Haslbauer dazu: «Ich weiss nicht, ob es klug oder nötig wäre, einen KI-Jesus als ernsthafte Instanz zu haben. Vielleicht macht das Gott fast zu nahbar?»

Verwendete Quellen
  • Aktuelles Pfarreiblatt der Stadt Luzern
  • Infos auf der Website der katholischen Kirche Stadt Luzern
  • Telefonat mit Marco Schmid, theologischer Mitarbeiter, Peterskapelle Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Philipp Haslbauer, HSLU
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