Neue Präsidentin des afghanischen Kulturvereins Zug

«Frauen sind nicht dafür da, nur zu putzen und zu kochen»

Fatima Ali präsidiert seit vergangenem Herbst den afghanischen Kulturverein in Zug. (Bild: zvg)

Mutter, Studentin, Angestellte und ehrenamtlich engagiert: Die in Zug wohnhafte Afghanin Fatima Ali hat viel um die Ohren. Als erste Präsidentin des afghanischen Kulturvereins will sie zudem ein Zeichen setzen.

Fatima Ali hat in den acht Jahren, seit sie in der Schweiz ist, viel erreicht. Die Afghanin spricht fliessend Deutsch, arbeitet Teilzeit bei einer IT-Firma in Sihlbrugg und studiert daneben an der Höheren Fachschule am GIBZ Informatik mit Fokus auf Systemtechnik. Die 30-Jährige ist zudem Mutter einer fünfjährigen Tochter.

In ihrer Freizeit engagiert sich Ali nicht nur als Moderatorin bei Femmes-Tische, einem Verein, der sich für die informelle Bildung vulnerabler und sozial benachteiligter Menschen einsetzt. Vor Kurzem wurde sie vom afghanischen Kulturverein Zug auch zur Präsidentin ernannt.

«Ich muss immer etwas tun», erklärt sie beim Gespräch mit zentralplus in einem Zuger Café. «Zu Hause auf der faulen Haut zu liegen, ist keine Option. Viel lieber unternehme ich mit meinem Mann und meiner Tochter Ausflüge.»

Sie musste dafür kämpfen, in der Schweiz studieren zu dürfen

Sie erzählt: «Als mein Mann und ich 2015 in die Schweiz kamen, hatten wir noch keine Niederlassungsbewilligung. Wir durften also während der ersten zwei Jahre weder an den regulären Deutschkursen teilnehmen noch arbeiten. Das war nicht einfach», erzählt sie. «In dieser Zeit konnte ich jedoch von Deutschkursen profitieren, die auf freiwilliger Basis angeboten werden.»

Ali lernte also möglichst rasch Deutsch und verhandelte mit dem Sozialamt über die Finanzierung eines Studiums. Auch das sei nicht ganz leicht gewesen. «Das Sozialamt wollte zunächst nicht zwei Leuten im gleichen Haushalt ein Studium finanzieren. Mein Mann hatte in Afghanistan Medizin studiert. Hier in der Schweiz studiert er nun Medizinaltechnik, im kommenden Sommer schliesst er das Studium ab.»

Doch Fatima Ali kämpfte für ihre Bildung. Sie wandte sich ans BIZ, machte mehrere Schulevaluationstests und eruierte mithilfe eines Berufsberaters von «GGZ@Work», welche beruflichen Wege sie einschlagen könnte.

Gewisse Fachbegriffe sind heute noch eine Herausforderung

Ali schaffte den Sprung ans GIBZ, der vierjährige IT-Studiengang konnte beginnen. «Anfangs war es richtig hart. Heute geht es einfacher. Auch wenn mir gewisse Wirtschaftsbegriffe nach wie vor Mühe bereiten.» Im Sommer 2025 wird sie ihren Bachelorabschluss machen.

Obwohl Fatima Ali ziemlich beschäftigt ist, wurde sie im Oktober 2023 zur Präsidentin des afghanischen Kulturvereins gewählt. Das ist insofern ungewöhnlich, als die Wahl einer Frau jener Entwicklung entgegenläuft, die in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban derzeit passiert. Eine politische Wahl also? «Nein, eigentlich nicht unbedingt», sagt sie lachend. «Eigentlich wollte ich damit noch warten, bis ich mit dem Studium fertig bin. Doch wurde ich von vielen Leuten ermutigt, das Amt zu übernehmen.»

Die Männer im Verein seien für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. «Sie gehen offen und respektvoll mit uns um. Darum ist es auch kein Problem, wenn sie jetzt eine Präsidentin haben», sagt Fatima Ali.

«Grundsätzlich fällt mir immer wieder auf, dass die Afghaninnen in Zug fortschrittlicher sind als andernorts.»

Fatima Ali, Präsidentin des afghanischen Kulturvereins Zug

Dennoch sei das etwas Besonderes. «Die meisten afghanischen Kulturvereine sind nach wie vor männerdominiert. Ich hoffe, dass ich mit meiner Wahl ein positives Zeichen setzen kann.» Sie gibt zu bedenken: «Grundsätzlich fällt mir immer wieder auf, dass die Afghaninnen in Zug fortschrittlicher sind als andernorts. Nur wenige tragen ein Kopftuch.» Auch Fatima Ali trägt ihr langes schwarzes Haar offen.

Alis Mann war einer der Gründer sowie der erste Präsident des afghanischen Kulturvereins Zug. Er unterstützt die Ambitionen seiner Frau vollumfänglich. «Er findet es wichtig, dass auch ich studiere und arbeite. Auch findet er es gut, wenn ich in einer Gruppe laut sage, was ich denke. Ich bin ein Mensch, der seine Meinung schlecht für sich behalten kann», sagt sie und schmunzelt.

«Den Frauen in Afghanistan fehlt es an Grundrechten und mittlerweile auch an Hoffnung.»

Fatima Ali

Als Frau will sie in ihrer Rolle eine Vorbildfunktion einnehmen. «Frauen sind nicht dafür da, nur zu putzen und zu kochen. Ich arbeite und studiere, obwohl ich ein Kind habe. Ich möchte zeigen, dass man das alles erreichen kann, wenn man genug Willen hat.»

Ihre Heimat wurde zum Gefängnis für Frauen

Zur aktuellen Situation in Afghanistan sagt Ali: «Die Frauen in Afghanistan leben in einem Gefängnis. Sie waschen, putzen und kochen, doch sie dürfen nicht einmal allein einkaufen. Es fehlt ihnen an Grundrechten und mittlerweile auch an Hoffnung.» Die Männer dürften hingegen alles. Das sorge für eine starke Abhängigkeit der Frauen von ihren Männern. «Ein Land kann nur fortschrittlich sein, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten.»

Vor der Machtübernahme der Taliban hätten die Frauen zumindest zur Schule gehen dürfen. Sie hätten sich frei bewegen können, Auto fahren und auch politisch aktiv sein dürfen. Das sei heute undenkbar. «Afghanistan hat sich durch die Taliban 30 Jahre zurückentwickelt. Für jene Generation, welche die Situation vor 2021 kannte, ist das sehr schlimm.» Sie sagt: «Blickt man zurück auf die Geschichte Afghanistans, sieht man, dass solche Phasen jeweils nicht besonders lang dauerten. Ich hoffe, dass das auch in diesem Fall so ist.»

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Fatima Ali
  • Website des afghanischen Kulturvereins
  • Frühere Berichterstattung über Hamidullah Ali

Der afghanische Kulturverein Zug

Der afghanische Kulturverein wurde 2018 von Hamidullah Ali und weiteren Afghanen in Zug gegründet. Dies aus einer Not heraus, wie Fatima Ali erklärt: «Die Mutter eines Freundes von mir starb vor einigen Jahren. Damals lebten wir im Asylzentrum. Eine Gedenkfeier zu organisieren, war jedoch sehr schwierig. Die Anzahl der Besucher ist beschränkt, und diese dürfen maximal zwei Stunden bleiben.» Eine Halle für eine Gedenkfeier zu mieten, war gleichzeitig für die Betroffenen zu teuer. «Als Verein ist das einfacher.»

Das Hauptziel des Vereins ist es, mit eigenem Geld solch kulturellen Feste zu organisieren. Daneben unterstützt er unterschiedliche Kurse und Veranstaltungen und leistet Hilfe bei der beruflichen und sozialen Integration der afghanischen Bevölkerung in der Schweiz.

Bewusst verzichtet der Verein auf gemeinsame religiöse Veranstaltungen. Nicht zuletzt, da die Haltungen der Mitglieder gegenüber dem Thema sehr unterschiedlich sind. «Wir finden, Religion ist Privatsache und hat mit dem Verein nichts zu tun», sagt Ali.

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