Ein Mann mit vielen Facetten

Dieser Zuger kombiniert Schiessen, Religion und Paarberatung

Kosmas Mutter führt seit über dreissig Jahren ein Sicherheitsunternehmen in Zug. (Bild: wia)

Religiös sein und sich dennoch täglich mit Gewalt auseinandersetzen: Das bringt der Zuger Kosmas Mutter unter einen Hut. Heute führt er nicht nur ein Sicherheitsunternehmen, sondern er berät auch mal Paare.

Kosmas Mutter steht in einem Raum, in dem es vor Waffen nur so wimmelt. Schlagstöcke, Messer, Pfeffersprays und Pistolen hängen hinter ihm an der Wand. Eine davon hält er in der Hand, während er erklärt, wie man die Pistole richtig und sicher manipuliert. Dass er darin Routine hat, ist unschwer zu erkennen.

Potenziell gefährlich ist die Situation deshalb nicht, weil die Waffen hier für Schulungszwecke so präpariert wurden, dass sie keinen ernsthaften Schaden anrichten können. Hier geht es vielmehr darum, den Umgang mit bewaffneten Personen respektive die Entwaffnung von Angreifern, zu üben.

Seit über 30 Jahren existiert Mutters Sicherheitsunternehmen

Hier, an der Adresse Bösch 104 im Hünenberger Industriequartier, betreibt Mutter seit 2006 ein «Bildungs- und Kompetenzzentrum für Sicherheit und Verteidigung». Er gründete das Unternehmen im Jahr 1990. Das Bildungszentrum umfasst neben Büros mehrere Schulungsräume, Unterrichtshallen sowie eine unterirdische Schiessanlage. Auch zwei Schlafsäle findet man in den Räumen der «Elite Guard», wie Mutters Firma heisst. Sie sind pragmatisch eingerichtet. Es herrscht Kasernenfeeling, einfach in freundlicher Atmosphäre.

Wer will, kann während der teils mehrtägigen Kurse vor Ort übernachten. (Bild: wia)

Kosmas Mutter ist eine interessante Erscheinung. Die Ruhe, die der 58-Jährige nicht nur durch seine Körperhaltung, sondern auch in seinen Bewegungen und während des Sprechens ausstrahlt, ist angenehm, ja sogar ein wenig ansteckend. Wohl ein gutes Attribut für jemanden, der sich beruflich täglich mit Waffen und Gewalt auseinandersetzt.

Die Stille, die an diesem Vormittag über dem Ausbildungszentrum liegt, trügt. Hier gehen nicht nur Personen ein und aus, die Ausbildungen im Bereich Sicherheitsdienst oder Personenschutz machen oder Sozialdetektivinnen werden möchten. Sondern auch Leute, die vom RAV und von sonstigen Sozialkassen hergeschickt wurden, um sich umschulen zu lassen. «Etwa, wenn sie aufgrund einer Verletzung oder einer Allergie nicht mehr in ihrem angestammten Beruf arbeiten können. Oft ist es ihnen dennoch möglich, einer Arbeit im Sicherheitsbereich nachzugehen.»

Mit den Waffen im Übungsraum wird der Ernstfall geprobt. (Bild: wia)

Tanzen und Schiessen im gleichen Haus

Die Schule bietet auch Freizeitkurse an, etwa im Pistolenschiessen oder für mehr Sicherheit im Alltag. Abends werden die Räume zudem von einer Tanzschule genutzt, die von Mutters Frau geführt wird.

Der wohl am meist genutzte Raum im Haus liegt unauffällig im Untergeschoss. Der Schiessraum ist jeden Tag gut gebucht und kann auch von Privatpersonen genutzt werden. Dies jedoch nicht, bevor sie von den Mitarbeitern von «Elite Guard» kontrolliert und registriert wurden, wie Mutter betont. Auch während des Besuchs von zentralplus ist der Raum, den man durch ein Fenster einsehen kann, besetzt. Ein grosser Mann schiesst von etwa 10 Metern mit der Pistole auf verschiedene Ziele. Als er Mutter hinter der Glasscheibe entdeckt, winkt er freundlich.

Hier, im Untergeschoss des Hauses, wird scharf geschossen. (Bild: wia)

Mutter wählte den riskanteren Weg

Der Zufall führte Mutter auf seinen heutigen beruflichen Weg. «Als junger Erwachsener arbeitete ich neben meiner Ausbildung jeweils abends im Sicherheitsdienst. Wenige Jahre später, mit 24 Jahren, gründete ich meine eigene Sicherheitsfirma, um sauber abrechnen zu können, hauptberuflich war ich jedoch als Hoch- und Tiefbaupolier tätig.»

Während der Suche nach einem neuen Arbeitgeber wurde er von einem bestehenden Kunden angefragt, ob er nicht gleich Vollzeit in den Sicherheitsdienst einsteigen wolle. «Ich entschied mich dafür, obwohl das karrieretechnisch riskanter war. Doch der Plan ging auf. Wir begannen, verschiedene Ausbildungen im Sicherheitsbereich anzubieten. Dies, da die Nachfrage danach immer grösser wurde. So wuchs auch das Unternehmen», erzählt der gebürtige Walliser.

Wie lassen sich Waffen mit christlichen Werten verbinden?

An einer der Wände in der Sicherheitsfachschule hängt ein grosses Plakat. Darauf zu sehen: Der Text der Schweizer Nationalhymne. Darauf angesprochen, holt Mutter aus: «Vor 15 Jahren hatte ich ein Erlebnis, das dazu führte, dass ich den Glauben für mich entdeckte. Zwei Jahre zuvor hatte meine Frau diesen Weg bereits eingeschlagen. Wir entschieden, diesen Weg mit Jesus Christus gemeinsam zu gehen.»

Nur: «Dies führte anfangs dazu, dass ich meine ganze Firma infrage stellte. Gewalt und Waffen, all das. Ich war mir unsicher, ob sich das mit dem Glauben ‹der Liebe› vereinbaren lässt. Irgendwann realisierte ich: Wenn es einen Gott gibt, und wenn dieser Wahrheit ist, dann wollte er mich ganz bewusst hier. Die Frage war nur, warum.» Mutter begann daraufhin, alle Abläufe und alle Ausbildungsprogramme des Unternehmens zu überdenken und anzupassen.

«In unseren Ausbildungen gibt es keine Gewaltverherrlichung.»

Kosmas Mutter, Sicherheitsexperte

«Heute sind wir schweizweit, aber auch über die Grenzen hinaus, bekannt als die ethische Sicherheitsfachschule. In unseren Ausbildungen gibt es keine Gewaltverherrlichung.» Er revidiert sogleich schmunzelnd: «Fast keine Gewaltverherrlichung.» Will heissen? «Es gibt Auszubildende, denen müssen wir zuerst klarmachen, dass es bei uns anders läuft. Nämlich, dass jeder Mensch für uns wertvoll ist, ganz egal, wo er im Leben steht. Wir kennen die Hintergründe nicht, wenn jemand gewalttätig oder kriminell wird.»

Nach seinem religiösen Erwachen überdachte Mutter die Abläufe in seinem Unternehmen. (Bild: wia)

Das Ziel von «Elite Guard» sei es, Kriminalität zu verhindern. «Dies wenn möglich ohne den Menschen psychisch oder physisch zu verletzen, auch wenn das ab und zu nötig ist. Wenn, dann passiert das nur zum Schutze aller, auch des Täters.»

Die christlichen Werte, welche Mutter bewusst in die Schule implementiert hat, habe er klar im Haus sichtbar machen wollen. «Aus diesem Grund hängt die Landeshymne an der Wand. Es handelt sich dabei letztlich um einen christlichen Psalm, also eine einzige Verherrlichung von Gott», führt der Geschäftsführer aus. Das Haus, so betont er, sei selbstverständlich offen für alle Menschen, egal, welchen Glaubens und welcher Nationalität.

Er berät Männer, manchmal auch Paare

Vor einigen Jahren hat Kosmas Mutter ein zweites Standbein aufgebaut. Neben Einzelcoachings bietet er, gemeinsam mit seiner Frau, die als Seelsorgerin arbeitet, auch Paarcoachings an. Ein Besitzer einer Schiessanlage, der auch Paarcoachings anbietet?

Passt das denn zusammen? «Ja. Denn zu mir kommen nicht Fremde, sondern immer Leute, die mich aus privatem oder beruflichem Umfeld bereits kennen. Meine Ausbildung und Erfahrung im beruflichen Bereich sowie meine Lebenserfahrung haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen meinen Rat in beruflichen und auch privaten Situationen suchten», erklärt Mutter. «Wenn es um Ehe- oder Familiensituationen geht, so beraten meine Frau und ich gemeinsam. Mir persönlich ist es ein Herzensanliegen, Männer in ihrem Alltag, in welchem sie ‹ihren Mann› stehen müssen, zu beraten und zu begleiten.»

«Hatte jemand eine Depression, fand ich früher, der sei ein Weichei. Bis es mich selber erwischte.»

Kosmas Mutter

Eine Menge Erfahrung hat Mutter mittlerweile in verschiedenen Bereichen, sei es im Privatleben oder in der Berufswelt. Auch weiss er, wie es weitergehen kann, wenn eben gar nichts mehr geht. «Ich habe zwei Mal in meinem Leben ein Burnout erlebt. Das war sehr heftig, aber auch sehr lehrreich. Früher war ich krass unterwegs. Ich arbeitete wahnsinnig viel und war nicht nur mit mir selber sehr streng, sondern setzte diesen Massstab auch bei Mitarbeitern und meinem sozialen Umfeld an.» Er ergänzt: «Hatte jemand eine Depression, fand ich damals noch, der sei ein Weichei. Bis es mich selber erwischte. Ich merkte, dass ich einigen Unrecht getan hatte. Heute weiss ich, wie heftig die Psyche reagieren kann, und dass jeder Mensch seine Grenze hat.»

Heute spürt Mutter seine Mitarbeiter und sich selbst besser

Die beiden Burnouts haben die Art verändert, wie Mutter sein Unternehmen führt. «Heute interessiert es mich, wie sehr meine Mitarbeiter belastet sind und was sie in ihrer Freizeit tun, um sich zu erholen. Daran hatte ich früher nicht gedacht.» Nun setze er jede Angestellte so ein, wie es ihr Spass mache, zu so vielen Prozent, wie sie möchte. «Ich frage auch regelmässig nach, wie es bei ihnen in der Freizeit läuft. Merke ich, dass jemand am Limit läuft, verordne ich auch Mal sofortige Ferien.» Auch seine eigenen Arbeiten versuche er heute anders zu terminieren und gleichmässiger zu verteilen.

Apropos Arbeit und Freizeit: Kennt Mutter das Phänomen der déformation professionelle, also die mit dem Beruf einhergehende Veränderung der eigenen Person? Er lacht und sagt: «Es gibt tatsächlich einige Sicherheitsfachleute, denen es sehr schwer fällt, in einem Raum mit dem Rücken zur Tür zu sitzen. Bei mir selber merke ich hingegen immer wieder, dass ich eine schnelle Reaktionszeit habe. Sei es bei unvorhergesehenen Situationen im Strassenverkehr oder aber, wenn ein Gegenstand runterfällt und ich diesen ohne zu überlegen auffange.»

Diese Wandbeschriftungen würde man in einem Sicherheitsunternehmen zunächst nicht vermuten. (Bild: wia)
Verwendete Quellen
  • Besuch von «Elite Guard» und persönliches Gespräch
  • Website «Elite Guard»
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon