Kollektiv wagt Neustart an bekannter Adresse

Das Kulturcafé «Zündhölzli» bietet Raum für Zugs Neugierige

Patrick Leemann von der «Industrie 45» in Zug ist einer der Köpfe hinter dem «Zündhölzli». (Bild: cbu)

Mit dem «Zündhölzli» hat die Stadt Zug einen Raum für kreative Projekte. Finanzieller Gewinn steht nicht im Vordergrund. Wie das Lokal überlebt und was im Raum geboten wird, erklärt das betreibende Kollektiv.

Leserunden, Spieleabende, eine Velobar oder ein Suppenznacht – im «Zündhölzli», einem kreativen Freiraum in der Stadt Zug, sind solche Anlässe an der Tagesordnung. Das Lokal an der Alpenstrasse 13 ist klein, hat zwei Zimmer mit Wohnzimmer-Atmosphäre. In einem Raum steht ein Bartresen, ein knallroter Kühlschrank, eine Getränkeablage und eine Sitzgelegenheit. Im anderen gibt’s zwei Tische mit Stühlen, an den Wänden hängen Regale mit Büchern, Zeitschriften und Tablets mit Bibliothekszugang.

Eröffnet hat das Kulturcafé beim Bahnhof Zug im April (zentralplus berichtete). Es bezog die Räumlichkeiten des Kulturraumes «Dilemma», das im März 2023 mit einem speziellen Finanzierungsmodell – statt auf reguläre Preise setzte das Betreiberteam auf ein Guthaben-Konzept – eröffnete. Leider zahlte sich das Wagnis nicht aus, weswegen das «Dilemma» nach einigen Zwischennutzungen im März seine Türen wieder schloss (zentralplus berichtete).

Alles neu macht das «Zündhölzli»

Ähnlich freigeistig, aber mit anderem Konzept, wirkt nun das «Zündhölzli» an dieser Adresse. Hinter dem Kulturcafé steht ein Kollektiv von gut 25 Personen. Bunt gemischt vom Alter, beruflichem Hintergrund und Nationalität her. «Von 33 bis 74 ist alterstechnisch alles vertreten», sagt Patrick Leemann gegenüber zentralplus. Einen Tag pro Monat steht er im «Zündhölzli.» Sonst ist der gelernte Elektriker und Soziokulturelle Animator als Leiter des Jugendkulturzentrums Industrie 45 in Zug tätig. Andere Mitglieder bestehen aus Lehrepersonen, einer Tierärztin, ehemaligen Bibliothekarinnen oder Landschaftsgärtner.

Im «Zündhölzli» gibt es auch eine kleine Kaffeeecke. Einen Konsumationszwang gibt es hingegen nicht. (Bild: cbu)

Jeder im Kollektiv könne eigene Ideen und Konzepte einbringen und das «Zündhölzli» damit bespielen. Patrick Leemann beispielsweise bietet einmal pro Monat den «Soup-Port» an. Dabei kocht er zusammen mit seiner Partnerin Suppe, die vor Ort für sieben Franken gekauft wird. Der Erlös fliesst in die allgemeine Kasse. Ausserdem nutzen auch befreundete Organisationen wie beispielsweise «Queer Zug» die Räumlichkeiten für ihre Treffen.

«So etwas hat es in Zug noch nicht gegeben»

An wen richtet sich das Lokal? Grundsätzlich an alle. Darum gibt es auch weder Konsumationszwang noch geschlossene Anlässe. Hereinlaufen ist möglich und gar erwünscht. Sei es zu einem Gespräch, einem Kaffee oder Tee oder um etwas zu lesen.

In der Realität zählen nebst dem Umfeld der Kollektiv-Mitglieder auch Neugierige und Leute, die auf den Bus warten zu den Besuchern. «Viele Leute kommen gerne her, weil ihnen hier jemand zuhört», sagt Katharina Dinter, eine pensionierte Sozialarbeiterin, die im «Zündhölzli» unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Überrannt wird das Lokal derzeit noch nicht. Damit hat das Kollektiv aber auch nicht gerechnet. Zug müsse sich an einen solchen Raum noch gewöhnen, meint Dinter. «Denn so etwas hat es in der Stadt Zug bislang nicht gegeben.»

Das Kollektiv entscheidet

Entscheidungen über das Programm und die Ausrichtung des «Zündhölzli» werden, wenn es schnell gehen muss, im Kollektivchat oder -forum gefällt oder an der jährlich stattfindenden Vollversammlung. Konsens bei so vielen Leuten zu erreichen, sei nicht immer einfach. Diametral entgegengesetzt waren die Meinungen bislang zwar noch nie. Kleine Gabenkämpfe habe es hingegen schon gegeben. «Das gehört dazu. Sonst wären wir eine Sekte», sagt Dinter und lacht. Die Idee ist, dass grundsätzlich alle mit einem Entscheid leben können. Falls das nicht klappt, dann müsse wenigstens eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht werden.

Bücher, Spiele und Sitzgelegenheiten sind die Grundausstattung im «Zündhölzli». (Bild: cbu)

Eine Frage der Finanzierung

Ein Lokal an Zentrumslage zu eröffnen, das nicht gewinnorientiert ist, ist ein Risiko. Dessen ist sich das Kollektiv bewusst. Damit das «Zündhölzli» nicht ein ähnliches Schicksal erleidet wie das «Dilemma», habe man sich anders aufgestellt. Alle im Kollektiv leisten ihren Beitrag am Lokal. Entweder in dem sie 100 Franken pro Monat an die Miete zahlen, aktiv im Lokal mitarbeiten oder beides tun.

Mitglieder verpflichten sich mindestens für ein halbes Jahr – eine Zeitdauer, die im Kollektiv für Gesprächsstoff sorgt. «Wir haben die Kündigungsfrist auf sechs Monate angesetzt, um eine gewisse Planungssicherheit zu haben», erklärt Dinter. Weil einige finden, dass mit dieser Frist allfällige Interessentinnen abgeschreckt werden könnten, werde die Kündigungsfrist bei der nächsten Versammlung diskutiert und gegebenenfalls angepasst. Selbiges gilt für die Idee, einen Zustupf von passenden Stiftungen oder Gönnern zu beantragen.

Es braucht noch Leute

Das Kollektiv zeigt sich im Grundsatz zuversichtlich. «Wir haben nicht vor, in einem halben Jahr wieder zu schliessen», sagt Leemann gut gelaunt. Bei der Eröffnung habe man geschaut, dass man genügend Leute hat, um den Betrieb an vier Tagen pro Woche aufrechtzuerhalten.

Zumal die Rückmeldungen des bisherigen Programms bislang sehr gut seien. Und wer weiss, vielleicht werden aus den neugierigen Bus-Passagieren bald künftige Mitglieder. Denn je mehr Mitglieder das «Zündhölzli» bekommt, desto günstiger werde der monatliche Beitrag werden, erklärt Leemann. Und es sei definitiv das Ziel, noch mehr Leute für das «Zündhölzli» zu begeistern. Nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, um das Angebot noch vielseitiger gestalten zu können.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Patrick Leemann und Katharina Dinter
  • Website Zündhölzli
  • Website Industrie 45
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