Regierung kippt Verbot

Ab 2025: Betteln wird in Luzern legal – zumindest teils

Gerade rund um den Bahnhof Luzern gibt es viele Bettler. (Bild: Jörg&Schröter/AURA)

Betteln in Luzern? Eigentlich verboten! Das soll sich bald ändern. Die Regierung will es erlauben – zumindest, wenn keiner nervt oder trickst.

Manche knien in der Hertensteinstrasse an einer Hausmauer. Sie formen die Hände bittend, senken den Blick und blicken immer wieder hoffnungsvoll in die Gesichter der Passantinnen. Andere sprechen einen direkt mit «Hesch mer en Stutz?» an. Bettlerinnen gehören zum Stadtbild dazu – genauso wie die schicken Museggmauern, der Pilatus und die Touristen.

Was viele nicht wissen: Betteln ist im Kanton Luzern faktisch verboten. Wer öffentlich Geld sammeln will, muss erst eine Bewilligung einholen. Wer bettelt, um ein paar Franken für den Lebensunterhalt einzutreiben, kriegt dafür jedoch gar keine Bewilligung. Das hält das Gesetz des Kantons Luzern fest – das seit 1976 beziehungsweise 1981 gilt.

Bettelverbot? Das gehört abgeschafft

Ein solches Bettelverbot ist heute nicht mehr zulässig. Das hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil 2021 festgehalten. Hintergrund war ein Fall im Kanton Genf. Eine Rumänin wurde zu einer Geldstrafe von 500 Franken verurteilt – weil sie gebettelt hatte. Sie konnte die Busse nicht bezahlen und musste deswegen fünf Tage im Gefängnis absitzen.

Das Urteil aus Strassburg drängte die Kantone zu einem Umdenken. Auch den Kanton Luzern. In einem ersten Entwurf schlug die Regierung vor, eine Bewilligungspflicht für Bettlerinnen einzuführen. Dafür musste sie viel Kritik einstecken, insbesondere seitens der Stadt (zentralplus berichtete).

In Luzern soll das Betteln erlaubt sein, aber …

Auch die Regierung sah dies ein und veröffentlicht am Dienstag eine neue Version. Ihr zweiter Vorschlag: Das Betteln soll grundsätzlich erlaubt sein. Jedoch sollen bestimmte Formen des Bettelns verboten beziehungsweise bestraft werden.

Bettlerinnen sollen künftig in Luzern gebüsst werden können, wenn sie täuschende oder unlautere Methoden anwenden. Wenn jemand beispielsweise vorgaukelt, eine körperliche Beeinträchtigung zu haben oder mit dem Geld fiktive Projekte zu unterstützen. Gebüsst werden sollen auch Bettler, die in organisierter Form betteln oder Kinder losschicken.

«Es gibt kein Recht, im öffentlichen Raum nicht mit Unangenehmem konfrontiert zu werden.»

Luzerner Regierung in ihrer Botschaft an den Kantonsrat

Mit Busse bestraft werden sollen weiter Bettlerinnen, welche «die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung» stören. Das ist der Fall, wenn sie aufdringlich und aggressiv nach Geld fragen. Gebüsst werden soll auch, wer an Orten um Almosen bittet, wo Personen umherlaufen, der Platz beschränkt ist und Passanten kaum ausweichen können – wie etwa Bushaltestellen. Dies jedoch nur, wenn die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung gestört wird. Unter Strafe gestellt werden soll auch, wenn an sensiblen Orten gebettelt wird – etwa bei Geldautomaten, wo mit Geld hantiert wird, oder auf Spielplätzen, wo Kinder spielen.

«Damit wird das Betteln nicht generell verboten, aber eingeschränkt», ist die Regierung überzeugt. Das normale Betteln – passives Sitzen oder massvolles Ansprechen – müsse man grundsätzlich akzeptieren, gerade wenn Bettler somit eine persönliche Notlage beseitigen wollen. «Denn es gibt kein Recht, im öffentlichen Raum nicht mit Unangenehmem konfrontiert zu werden.»

Betteln braucht keine Bewilligung mehr

Die Vernehmlassung dauerte von Januar bis Ende April. Auch die Parteien äusserten sich dazu. Sie standen grundsätzlich hinter dem Gesetzesentwurf. GLP, Grüne und SP schauten aber besonders genau hin – sie hielten den Entwurf für zu wenig bestimmt und forderten Präzisierungen. «Aufgrund des Vorschlags bleibt das Bettelverbot eigentlich bestehen», hielt Grüne-Kantonsrätin Rahel Estermann etwa fest. Dies, weil der Gesetzesentwurf darauf schliessen liess, dass das Sammeln von Gaben – worunter auch das Betteln fällt – nach wie vor einer Bewilligung benötige.

Dies nimmt die Regierung in ihrer neuen Botschaft an den Kantonsrat auf. In dieser hält sie fest, dass durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung Betteln grundsätzlich ohne Bewilligung erlaubt werden solle. «Betteln ist nicht bewilligungspflichtiges Sammeln», so die Regierung. Wer bettelt, will mit Almosen den Lebensunterhalt (teilweise) decken, bei Sammlungen gehts eher um einen gemeinnützigen Zweck. Etwa wenn der WWF um Spenden für den bedrohten Panda bittet oder eine Schulklasse Kuchen verkauft, um Geld für eine Reise aufzutreiben. Solche Sammlungen müssen nach wie vor bewilligt werden – auch wenn die Mitte in ihrer Vernehmlassungsantwort anregte, dass Schulen von dieser Pflicht ausgenommen werden.

Wer verwarnt wird und sich nicht daran hält, riskiert Busse

In der Vernehmlassung gaben auch die Bussen zu reden. Grüne, Mitte und SP hielten fest, dass diese verhältnismässig sein müssten. Dies, weil nur die Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft betteln – Menschen, die kein Geld fürs Bezahlen dieser Bussen haben.

Die Regierung hält fest, dass passive Bettlerinnen erst dann gebüsst werden sollen, wenn sie zuvor von der Polizei weggeschickt oder ermahnt wurden. Eine Busse riskieren sie aber nur, falls die öffentliche Sicherheit und Ruhe gefährdet ist. Das hält die Regierung nun auch in einem zusätzlichen Absatz des Gesetzesentwurfs fest. Ordnungsbussen sollen zwischen 50 und 100 Franken kosten.

Auch Basel-Stadt hat 2021 das Betteln teilweise verboten. Unter anderem dürfen Menschen nicht an Orten betteln, die weniger als fünf Meter entfernt sind von ÖV-Haltestellen, Geldautomaten oder Restauranteingängen.

Auf solche «metergenaue Abstandsvorschriften» will man in Luzern verzichten. Die Regierung zumindest, denn in den Vernehmlassungsantworten wurde dies teilweise vorgeschlagen. «Entscheidend ist, ob im konkreten Einzelfall die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung gestört wird. Dies lässt sich nicht durch genaue Meterangaben bestimmen», hält die Regierung dagegen. Das heisst im Umkehrschluss: Die Polizei hat Handlungsspielraum.

Geht es nach der Regierung, sollen die Gesetzesänderungen im April 2025 in Kraft treten. Zuerst entscheidet jedoch der Kantonsrat darüber.

Verwendete Quellen
  • Botschaft des Regierungsrats an den Kantonsrat über die Neuregelung des Bettelns im öffentlichen Raum
  • Sammelverordnung Kanton Luzern
  • Vernehmlassung zum Bettelverbot
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