30 Jahre Kapellbrücke-Brand

Der Brand, dessen Ursache nie geklärt wurde

Vor 30 Jahren brannte die Kapellbrücke in Luzern nieder. (Bild: Archivbild: Georg Anderhub/AURA)

Heute vor 30 Jahren hat die Luzerner Kapellbrücke lichterloh gebrannt. Wie es dazu kam, ist bis heute nicht klar. Dies bestätigen auch zwei Zeitzeugen, die am Geschehnis hautnah dran waren.

«Bis morgens um vier stand ich auf dem Rathaussteg und schaute dem Brand der Kapellbrücke zu», erzählt Ueli Habegger, als zentralplus ihn zur Nacht des 18. auf den 19. August 1993 befragt. 30 Jahre ist es her, als die Luzerner eines Sommermorgens ihr Wahrzeichen als verkohlten Streifen über der Reuss wiederfanden.

Für Ueli Habegger, zu jenem Zeitpunkt Denkmalpfleger in Luzern, war die Nacht äusserst prägend: «Es war erschütternd, miterleben zu müssen, wie die Brücke zunehmend Opfer der Flammen wurde und ein grosser Teil der Brückenbilder zerstört wurde», erklärt er.

Bitteres Erwachen: Am nächsten Morgen war von der Brücke nicht mehr viel übrig. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Grossteil der Brückenbilder verloren

Besonders schlimm für ihn sei es gewesen, den vielen dreieckigen Brückenbildern mit historischem Wert auf Nimmerwiedersehen sagen zu müssen: «Der Verlust von 80 von 111 Brückenbildern, die sich am Vortag auf der Kapellbrücke befunden hatten, wiegt besonders schwer, umso mehr, als die Stadt zuvor keine Forschung zu Entstehung, Wert und Bedeutung des Bilderzyklus unternommen hatte. Bereits vor dem Brand entstanden so blinde Flecken zur Geschichte der Kapellbrückenbilder.»

Und dies bloss, weil sich niemand genügend dafür zu interessieren schien, bedauert der ehemalige Denkmalpfleger: «Weder Luzerner Politiker noch Fachleute erkannten den kulturhistorisch einzigartigen Wert der Brückenbilder von Hofbrücke, Kapellbrücke und Spreuerbrücke. Dies wirkt bis heute nach.»

Für den Denkmalpfleger und viele weitere Luzerner war der Verlust der historischen Bilder besonders schlimm. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Die Geschichte, die nicht die einzige ihrer Art ist

Bis heute erzählt man sich die Geschichte der Zigarette, die jemand von der Brücke in die Reuss werfen wollte und dabei ein unter der Brücke vertäutes Boot traf. Letzteres fing Feuer, das sich wiederum auf die Brücke übertragen hat, so die offizielle Version der Stadt Luzern. Doch einige Zeitzeugen bezweifeln diese Erklärung des Vorfalls. Und auch der Roman «Narrenfeuer», den Habegger vor wenigen Jahren veröffentlichte (zentralplus berichtete), spielt mit dem Mythos rund um den Brand der Kapellbrücke.

Habegger erläutert: «Es trifft tatsächlich zu, dass viele den offiziellen Verlautbarungen wenig geglaubt haben. Ich habe mich seit 1993 intensiv mit dem Brand und seinen Folgen, auch wissenschaftlich, beschäftigt. Ebenso stellten Journalisten immer wieder Fragen zu Ursache und Verlauf des Brandes. Die vielen Widersprüche haben mich dazu gereizt, den Kriminalroman «Narrenfeuer» zu schreiben. Dieses Format und die Zusammenarbeit mit dem genialen Illustrator Jörg Stadler waren ein grosses Erlebnis, das mich von vielem befreit hat. Viel aus meinen Tagebucheinträgen ist eingeflossen; Daten, Namen und Orte wurden verändert. Ereignis nah blieb darin doch einiges.»

In einer Extraausgabe der «LNN» wird von der Katastrophe berichtet. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Unvorsichtige Jugendliche als Brandverursacher?

Auch Emanuel Ammon, Dokumentarfotograf aus Luzern, hat sich mit dem Brand auseinandergesetzt und sich mit der Ursache beschäftigt. Im Gespräch mit ihm wird – ähnlich wie im Buch von Habegger beschrieben – klar, dass für ihn die Brandverursacher keine Unbekannten in der Geschichte sind.

Ammon erklärt: «Ich halte es jedoch nicht für wichtig zu wissen, wer damals dabei war, es müssen keine Leute blossgestellt werden. Die Brücke wurde nicht absichtlich angezündet.» In einem Nebensatz erwähnt Ammon jedoch Jugendliche einer Patrizierfamilie, die sich am Abend des Geschehens etwas unvorsichtig auf der Kapellbrücke bewegt haben sollen.

Die Luzerner verfolgten den Wiederaufbau sehr gespannt. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Stadt Luzern setzt ihre Version durch

Die Stadt hingegen habe punkto Geschichte klare Anweisungen gegeben, auch Habegger als damaligem Denkmalpfleger: «Die Mitarbeitenden wurden sehr rasch nach dem Brandereignis von höchster Stelle dazu angehalten, eine ganz bestimmte Geschichte zum Brandereignis zu erzählen – es war damals eine Form des Storytelling. Ich habe mich daran gehalten. Das Interview, das ich nach dem Brand der Tessiner «Tagesschau» gegeben habe, ist dafür ein Beleg. Und: Meine Aussagen wurden damals von höchster Stelle kontrolliert.» Gemäss Habegger sei das Interesse der Stadt Luzern schlichtweg zu klein gewesen, mittels Ermittlungen der Ursache tatsächlich auf den Grund zu kommen.

Habegger nennt zwei Beispiele dafür: «Der Eigentümer des brennenden Motorbootes wurde polizeilich nicht befragt, und die städtischen Behörden haben den Hersteller der polizeilichen Tonaufzeichnungsgeräte 1993 nicht kontaktiert, um die Meldungen der Brandzeugen zu retten und zu rekonstruieren. Ich weiss dies erst seit drei Jahren.»

Weshalb die Kapellbrücke vor 30 Jahren grösstenteils abgebrannt ist, wird wohl niemals zweifellos geklärt werden können. Ammon empfindet dies auch als nicht wirklich relevant: «Es gibt wichtigere Dinge in der Zukunft, um die wir uns ernsthaft sorgen müssten», gibt der Luzerner Dokumentarfotograf zu bedenken. Und Habegger schliesst ab: «Die Geschichte zeigt uns seit Langem, dass sich mit sogenannten blinden Flecken politisch gut leben lässt.»

Weshalb die Kapellbrücke genau abbrannte, wird wohl nie restlos geklärt werden. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)
Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Ueli Habegger, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Luzern
  • Telefonat mit Emanuel Ammon, Luzerner Dokumentarfotograf
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