Kanton Zug untersuchte Gebäudeversicherung

Verwaltungsrat steht wegen illegaler Entschädigungen in der Kritik

Der Zuger Regierungsrat – hier das Regierungsgebäude – hat untersuchen lassen, ob bei Entschädigungen der Gebäudeversicherung alles mit rechten Dingen zu und her gegangen ist. (Bild: Andreas Busslinger)

Der Verwaltungsrat der Gebäudeversicherung Zug hat sich bei eigenen Entschädigungen nicht an das Gesetz gehalten. Das zeigen Akten auf, die zentralplus mittels Öffentlichkeitsprinzip erhalten hat.

Es sind deutliche Worte, die Zuger Kantonsräte an der Sitzung vom 6. Juli dieses Jahres wählen: «Offensichtlich raucht irgendetwas», sagt SVP-Parlamentarier Gregor Bruhin an diesem Sommernachmittag in die politische Runde. Er vernimmt gar das «Martinshorn» und sieht «Warnlampen» blinken. Für GLP-Vertreter Klemens Iten ist es kurz darauf «befremdlich, man könnte auch sagen: besorgniserregend». FDP-Kantonsrat Tom Magnusson verspürt derweil nicht nur ein «gewisses Unbehagen», sondern gar «Ärger».

Die Parlamentarier sprechen im Kantonsratssaal vom Geschäftsbericht 2022 der Gebäudeversicherung Zug (GVZG) – eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt. Normalerweise ist die Debatte darüber eine trockene Angelegenheit. Doch nicht in diesem Jahr.

Um die Geschichte zu verstehen, braucht es eine Reise in die Vergangenheit. Das ist möglich, weil zentralplus – gestützt auf das Zuger Öffentlichkeitsprinzip – Zugang zu einem ganzen Stapel Akten erhielt, in denen es um Löhne, Spesen und Entschädigungen bei der Gebäudeversicherung geht. Darunter sind diverse Regierungsratsprotokolle und -beschlüsse.

Was ist passiert?

Am 18. Oktober 2022 spricht der Geschäftsführer der Gebäudeversicherung Zug mit dem stellvertretenden Zuger Sicherheitsdirektor Stephan Schleiss. Er legt Schleiss ein Dokument zuhanden des Regierungsrats vor, in welchem die Gebäudeversicherung eine «deutliche Erhöhung» der Entschädigungen des Verwaltungsrats fordert. Ebenso wird ausgeführt, dass das Gremium im Januar 2019 für sämtliche variabel zu entschädigenden Leistungen pauschal 90 Franken pro Stunde festlegte. Also beispielsweise für Sitzungen.

Das macht Stephan Schleiss – er vertritt Sicherheitsdirektor Beat Villiger, der aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr arbeitet – stutzig. «Für diesen Beschluss des Verwaltungsrats besteht kein Raum», hält der Gesamtregierungsrat an seiner Sitzung vom 8. November fest. Denn Entschädigungen des VR lägen in der alleinigen Kompetenz der Regierung. «Aufgrund der Ausführungen (…) besteht Grund zur Annahme, dass sich dessen Mitglieder (des Verwaltungsrats, Anm. d. Red.) höhere variable Entschädigungen zugesprochen haben als erlaubt.»

Was ist das Problem?

Für die Regierung ist klar: Dem VR der Gebäudeversicherung stehen die gleichen Entschädigungen wie den nebenamtlichen Richtern des Kantons zu. Diese Beträge sind im sogenannten Nebenamtsgesetz festgelegt. So gibt es für eine bis zu zweistündige Sitzung 166 Franken, bis zu drei Stunden 184 und über drei Stunden 221 Franken. Für das Aktenstudium gibt es pro Stunde 49 Franken.

Die Regierung hat den Verdacht, dass sich der GVZG-Verwaltungsrat nicht an das Gesetz hielt – und sich zu hohe Entschädigungen ausbezahlte. In einem Antrag der Sicherheitsdirektion vom 20. Dezember 2022 heisst es: «Gemäss dem stellvertretenden Sicherheitsdirektor haben die Mitglieder des Verwaltungsrats der Gebäudeversicherung Zug in Eigenregie und wissentlich höhere Entschädigungen bezogen. Pro Person machen die zu viel gemachten Bezüge schätzungsweise einen Betrag von zirka 2500 bis 3500 Franken aus.» Zudem seien gewisse Abrechnungen im Personalbereich nicht ordnungsgemäss.

Die Regierung will es genauer wissen und beauftragt die kantonale Finanzkontrolle, die Bücher der Gebäudeversicherung zu überprüfen.

Was findet die Finanzkontrolle heraus?

Diese nimmt die Arbeit auf und liefert der Regierung am 24. März dieses Jahres einen Bericht ab zu Spesen, pauschalen und variablen Entschädigungen. Aber auch Ferien, Arbeitszeit und Überzeit nimmt sie unter die Lupe. Bei den variablen Entschädigungen und bei einem Reglement zu Abgeltungen sieht die Finanzkontrolle die grössten Probleme und beanstandet Punkte. Die Finanzkontrolle bestätigt zumindest einen Verdacht des Regierungsrats: «Bezüglich Einheitssatz für variable Entschädigungen besteht keine Rechtsgrundlage.» Die Festlegung der Entschädigung der VR-Mitglieder sei alleinige Kompetenz des Regierungsrats.

Das Fazit zu diesem Punkt: «Im geprüften Zeitraum können wir die Ordnungs- und Rechtmässigkeit nicht bestätigen.» Das heisst: Der Verwaltungsrat hätte nicht von sich aus bestimmen dürfen, pauschal variable Entschädigungen auszuzahlen. Allerdings scheint sich der Verdacht nicht zu erhärten, dass sich der Verwaltungsrat zu hohe Entschädigungen ausbezahlt hat.

In anderen Bereichen hält die Finanzkontrolle fest, dass sie die Ordnungs- und Rechtmässigkeit nicht bestätigen könne. Weitere Punkte wiederum seien korrekt gehandhabt worden. Die Kontrolleure schreiben in ihrem Schlussfazit, sie würden dem Regierungsrat empfehlen, bei der GVZG periodisch eine ausserordentliche Revision durch die Finanzkontrolle anzuordnen.

Was sagt die Gebäudeversicherung dazu?

Die Gebäudeversicherung Zug legt der Finanzkontrolle am 28. Februar ihre Stellungnahme vor. Sie räumt darin ein, der VR habe bei den variablen Entschädigungen einen Einheitssatz von 90 Franken pro Stunde verwendet, ohne über die entsprechende Kompetenz oder die Genehmigung des Regierungsrats zu verfügen. Doch bereichern hätten sich die VR-Mitglieder nie wollen. «Effizienz, Vereinfachung und Transparenz der unklaren Abrechnungsregeln standen im Vordergrund.»

Dann das für Aussenstehende möglicherweise Überraschende: Die Prüfung durch die Finanzkontrolle und der Revisionsstelle der GVZG habe gezeigt, «dass die VR-Mitglieder nicht zu viel, sondern zu wenig Entschädigungen bezogen haben.» Hätte man also das Nebenamtsgesetz anstatt die Regelung des VR angewendet, hätte der Verwaltungsrat gar höhere Entschädigungen zu Gute gehabt, argumentiert dieser.

Konkret schreibt ein von der GVZG beauftragtes externes Prüfungsbüro, dass die vier Verwaltungsratsmitglieder im Jahr 2021 zwischen 210 und 995 Franken weniger variable Entschädigungen erhalten hätten, als ihnen eigentlich zugestanden wäre.

Was sagt der Verwaltungsrat sonst noch?

Der Verwaltungsrat zeigt sich in seiner Stellungnahme trotzdem teilweise reuig: «Der VR ist sich bewusst, dass er nicht nach vorgeschriebenem Nebenamtsgesetz abgerechnet hatte.» Er habe in gutem Glauben darauf vertraut, dass der damalige Regierungsrat Beat Villiger, der in seiner Funktion als Sicherheitsdirektor auch Verwaltungsratspräsident der Gebäudeversicherung war, die «Vereinfachung der Abrechnung im Regierungsrat beschliessen lassen würde». Der VR habe es aber unterlassen, den Nachweis der Genehmigung durch den Regierungsrat einzuverlangen.

Trotzdem ist für den VR klar: «Das Verhalten des Verwaltungsrats war zwar nicht rechtmässig, aber die Ordnungsmässigkeit war zu jeder Zeit sichergestellt.»

Wie urteilt die Regierung?

Den Bericht der Finanzkontrolle und die Stellungnahme der GVZG diskutiert die Regierung an ihrer Sitzung vom 4. April 2023. Sie rudert dabei etwas zurück. Die Mitglieder des Verwaltungsrats hätten sich «nicht bereichert», wie Stephan Schleiss zusammenfasst. Ausserdem würden diese sich missverstanden fühlen, weil sie den Eindruck hätten, die Finanzkontrolle habe sich «angesichts der vergleichsweise bescheidenen Höhe der fraglichen Entschädigungen und Spesen auf Unwesentliches fokussiert».

Gleichzeitig hält Schleiss fest, der Verwaltungsrat habe sich für sein Vorgehen nicht entschuldigt, «was letztlich als verpasste Chance zu werten sei». Ebenso behalte es sich die Regierung «ausdrücklich vor, die Finanzkontrolle mit Sonderprüfungen und ausserordentlichen Revisionen bei der Gebäudeversicherung Zug zu beauftragen».

Die Exekutive beschliesst: «Der Regierungsrat fordert den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der Gebäudeversicherung Zug auf, sich ab sofort an die rechtlichen Vorgaben zu halten und die (…) gemachten Beanstandungen, Empfehlungen und Hinweise umgehend umzusetzen beziehungsweise entsprechende Massnahmen zu deren Umsetzung einzuleiten.» Gleichzeitig fordert die Exekutive den Verwaltungsrat auf, eine Liste der Massnahmen zusammen mit dem Budget der Gebäudeversicherung für das Jahr 2024 einzureichen. Eine Woche später gibt die Regierung grünes Licht und genehmigt den Geschäftsbericht inklusive Jahresrechnung 2022 der GVZG. Der Kantonsrat nimmt ihn an seiner Sitzung vom 6. Juli zur Kenntnis.

Was sagt die Gebäudeversicherung Zug heute zum Fall?

Richard Schärer, Direktor der GVZG, schreibt nun auf Anfrage von zentralplus, die GVZG habe Massnahmen ergriffen. So habe sie die bisherigen Prozesse und Formalitäten analysiert und wo nötig präzisiert und angepasst. «Dies betraf hauptsächlich den anzuwendenden Stundenansatz. Entgegen dem früher angewandten, durchschnittlichen Ansatz erfolgt die Abrechnung künftig nach Massgabe der variierenden Stundenansätze gemäss Nebenamtsgesetz.» Diese Anpassung sei gemeinsam und im Austausch mit den zuständigen Aufsichtsstellen erfolgt.

Der Verwaltungsrat habe einen Bericht erarbeitet, aus dem ersichtlich sei, wie die relevanten Befunde angegangen und wo nötig die notwendigen Massnahmen umgesetzt worden seien. «Die Behandlung dieses Berichts durch den Regierungsrat ist am 19. Dezember 2023 erfolgt. Die vom Verwaltungsrat getroffenen Massnahmen wurden dabei diskussionslos zur Kenntnis genommen.» Sicherheitsdirektorin Laura Dittli (Mitte) bestätigt diese Aussage auf Anfrage von zentralplus.

Die GVZG werde sich bei «veränderten Umständen» künftig aktiver und frühzeitig mit den zuständigen Aufsichtsstellen austauschen, damit allfällige unterschiedliche Interpretationen vorgängig geklärt werden können, schreibt Richard Schärer. Ausserdem würden Entscheide des VR und/oder des Regierungsrats künftig konsequent schriftlich festgehalten und dokumentiert.

Gefragt, ob die GVZG oder einzelne VR-Mitglieder in der ganzen Affäre Fehler begangen hätten, schreibt der Direktor: «Wie überall, wo gearbeitet wird, kann es zu Fehlern kommen. Umso wichtiger, dass bei festgestellten Fehlern analysiert wird, wieso diese entstanden sind und wie sie zukünftig zu vermeiden sind.» Das sei bei der Gebäudeversicherung entsprechend aufgearbeitet worden. Dabei sei es unerheblich, wer welche Fehler allenfalls begangen habe. «Entscheidend ist, dass die Institution GVZG die richtigen Lehren daraus gezogen und entsprechende Massnahmen umgesetzt hat.»

Das «Martinshorn und die Warnlampen», der «Ärger» und der «offensichtliche Rauch», den mehrere Zuger Kantonsräte am Sommernachmittag vom 6. Juli heraufbeschworen – sie scheinen mittlerweile verflogen zu sein. Doch eine Folge wird die ganze Affäre haben: Die Behörden schauen der Gebäudeversicherung künftig genauer auf die Finger.

Verwendete Quellen
  • Mehrere Protokolle und Beschlüsse der Zuger Regierung, welche die Entschädigungen thematisieren
  • Revisionsbericht der Finanzkontrolle vom 24. März 2023
  • Stellungnahme der Gebäudeversicherung Zug zum Revisionsbericht
  • Externer Bericht über «tatsächliche Feststellungen» der Treuhandfirma Balmer Etienne
  • Bericht und Antrag der erweiterten Staatswirtschaftskommission zum Geschäftsbericht inkl. Jahresrechnung 2022 der Gebäudeversicherung Zug
  • Kantonsratsprotokoll zur Debatte
  • Gesetz über die Entschädigung der nebenamtlichen Behördenmitglieder (Nebenamtsgesetz) des Kantons Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Richard Schärer, Direktor der Gebäudeversicherung Zug
  • Telefonische Anfrage bei der Sicherheitsdirektorin Laura Dittli
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