Knatsch um Covid-19-Gelder: Kantonsrat spricht Machtwort
Müssen Betriebe, die dank staatlicher Unterstützung während der Pandemie Gewinne gemacht haben, diese zurückbezahlen? Darüber hat das Luzerner Kantonsparlament debattiert – und sich gegen die Regierung gestellt.
Während der Pandemie wurden Unternehmen schweizweit durch den Bund und Kantone finanziell unterstützt. Auch im Kanton Luzern erhielten Firmen Millionen von Franken, um den Kopf über Wasser halten zu können. Es waren sogenannte Härtefallgelder, welche «à fonds perdu» gesprochen wurden. Sie mussten also nicht zurückbezahlt werden. Einige Luzerner Betriebe erzielten damit Gewinne, was bei der Luzerner Regierung nicht gut ankam. Nach längerer politischer Auseinandersetzung diskutierte der Kantonsrat am Dienstagvormittag, was mit diesen Härtefallgeldern geschehen soll.
Die Frage war: Müssen Luzerner Betriebe mit einem Umsatz von unter fünf Millionen Franken, welche vor dem 21. April 2021 Härtefallgelder erhielten, ihre Gewinne zurückbezahlen oder nicht? Denn ursprünglich hiess es, dass die Härtefallgelder nicht zurückbezahlt werden müssten. Später kommunizierte der Kanton, dass Unternehmen, die einen Gewinn machen würden, denjenigen Teil davon zurückbezahlen müssten, den sie als Härtefallhilfe bezogen hätten.
Konkret behandelte der Kantonsrat eine Motion der Kommission Wirtschaft und Abgaben (WAK), welche forderte, dass die Gelder nicht zurückverlangt werden sollten. Die Regierung stellte sich gegen das Anliegen: Wirtschaftsdirektor Fabian Peter (FDP) erklärte, die Regierung habe sich bezüglich Härtefallgelder an zwei Grundsätzen ausgerichtet: «Erstens: Mit Steuergeldern sollen keine privaten Gewinne finanziert werden. Zweitens sollen alle Unternehmen gleichbehandelt werden.» Die Regierung machte in ihrer schriftlichen Stellungnahme ausserdem klar, dass es um sieben Millionen Franken für den Kanton und 16 Millionen für den Bund gehe. Was der Bund genau macht, ist derzeit gemäss der Regierung noch nicht klar.
Härtefallgelder als «Selbstbedienungsladen»
Der bürgerlich geprägte Regierungsrat erhielt während der Diskussion im Parlament Unterstützung von SP und Grünen: SP-Kantonsrat Jörg Meyer wurde grundsätzlich: «Es war immer klar, dass der Staat hilft, aber auch, dass es keine Gewinne daraus gibt.» Die Härtefallgelder seien zu einem «Selbstbedienungsladen» geworden. Parteikollegin Simone Brunner ergänzte: «Einige Firmen haben freiwillig Geld zurückgezahlt. Andere stellten sich quer und haben das Gefühl, sie müssen sich diesem Kompromiss nicht fügen.»
Samuel Zbinden von den Grünen kritisierte zudem den Druck von gewissen Unternehmen und Verbänden, welche sich gegen die drohende Rückzahlung wehrten: «Es ist ein gefährliches Beispiel dafür, was man als einzelne Branche erreichen kann, wenn man sich genügend querstellt.»
«Ein salomonischer Kompromiss»
Im Rat fiel während der Debatte immer wieder das Wort «Kompromiss». Es gebe keine ideale Lösung, waren sich alle Kantonsräte einig, die Situation sei verfahren. Für Guido Müller (SVP), Präsident der WAK, war klar: «Die Kommission hatte zu vermitteln zwischen weitgehenden Verzichtsforderungen von Verbänden und einem restriktiven Vorgehen der Luzerner Regierung. Was nun ausgearbeitet wurde, ist aus meiner Sicht ein salomonischer Kompromiss.» Dank der Vermittlung der Kommission habe man verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen können. «Und was macht die Regierung? Sie bleibt stur.»
Parteikollege Fritz Gerber machte einen kurzen Ausflug in die Geschichte: Die Wirtschaftsfreiheit im Kanton sei noch nie so stark eingeschränkt worden wie während der Pandemie. «Getroffen hat es kleine schwache Firmen.» Er verwies auch auf die finanziellen Prognosen des Kantons, der in den kommenden Jahren dank der neuen OECD-Mindeststeuer mit 400 Millionen Franken mehr Steuereinnahmen jährlich rechnet als bis anhin (zentralplus berichtete). «Jetzt sprechen wir von sieben Millionen Franken Härtefallgeldern. Wir können und sollten es uns leisten.»
Bürgerliches Parlament stellt sich gegen bürgerlichen Regierungsrat
Am Ende der Diskussion obsiegten die bürgerlichen Parteien. Der Kantonsrat nahm die Motion mit 86 zu 27 Stimmen und gegen den Willen des Regierungsrats an. Dieser muss das Anliegen nun umsetzen. Er ist angehalten, eine einheitliche Wegleitung zum Umgang mit Sofortabschreibungen und Eigenlöhnen zu erstellen. Ausserdem muss er eine Lösung ausarbeiten, wie stossende Einzelschicksale verhindert werden können. Auch auf Verfügungen, bei welchen nach dem 21. April 2021 der Hinweis auf die bedingte Gewinnrückführung fehlte, muss der Kanton verzichten. Die Regierung wird jetzt ein Dekret ausarbeiten, welches sie dem zeitnah Kantonsrat vorzulegen hat.
Derweil sind vor dem Kantonsgericht noch vier Fälle hängig, sogenannte Leading Cases. Diese «Musterfälle» sollen offene juristische Fragen zur Rückzahlung von Härtefallgeldern klären.
Matthias Stadler ist Redaktionsleiter von zentralplus und seit über zehn Jahren Journalist. Die meiste Zeit davon in Luzern und in der Zentralschweiz, während zwei Jahren auch als Ozeanien-Korrespondent.