Eine ungewöhnliche Massnahme

Betreibungsamt im Kanton Zug lässt Handtaschen versteigern

Haben Privatpersonen Schulden, die sich nicht mit Geld begleichen lassen, konfisziert das Betreibungsamt Gegenstände, um diese zu versteigern. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Das Baarer Betreibungsamt nimmt einer jungen Frau zwei Handtaschen weg. Die anstehende Versteigerung wird im Amtsblatt publik gemacht, inklusive Namen und Jahrgang der Frau. Notwendig wäre die Veröffentlichung dort nicht.

Einfamilienhäuser, Uhren, Modelleisenbahnen oder Autos: Sitzt man finanziell in der Tinte, ist nichts mehr so richtig sicher vor dem Hammer. Schnäppchenjäger freuen sich indes darüber. Auch wenn angeordnete Versteigerungen stets einen etwas morbiden Beigeschmack haben.

So gibt es Immobilienseiten, die sich explizit auf zwangsversteigerte Wohnungen und Häuser spezialisiert haben. In gewissen Gemeinden finden solche Versteigerungen auch öffentlich statt, so etwa in Baar, wo am 27. September eine Dreizimmerwohnung unter den Hammer kommt. Geschätzter Wert: 660’000 Franken. Man kann davon ausgehen, dass das Interesse riesig sein wird.

Hinter den oft preiswerten Angeboten stecken meist emotionale Geschichten. Es ist brutal, das eigene Zuhause zu verlieren, egal, welche Gründe dahinter stecken.

Markenhandtaschen werden verhökert

Doch nicht immer geht es bei den Versteigerungen um Millionenbeträge. Auch nicht immer um Tausende von Franken. Gerade wurde im Zuger Amtsblatt ein Hinweis darauf publiziert, dass ab Dienstag zwei Markenhandtaschen versteigert werden sollen. Dies auf der Plattform eGant des Kantons Zug. Startpreis: ein Franken.

Bemerkenswert: Es handelt sich nicht um eine Publikation eines Konkurses, sondern um eine private Versteigerung, die durch das Baarer Betreibungsamt angeordnet wurde. Bei den beiden Handtaschen der Marken Versace und Mollerus geht es zudem um Objekte, die über keine Belege und Zertifikate verfügen. Zudem sind sie gebraucht und teils leicht beschädigt. Viel Geld dürften die Taschen nicht einbringen.

Ebenfalls ungewöhnlich: Sowohl der Name als auch das Geburtsdatum der jungen Frau wurden im Amtsblatt veröffentlicht.

Schuldenberater ist überrascht über die Publikation

Auch André Widmer, Schuldenberater bei Triangel in Zug, stuft den entsprechenden Amtsblatteintrag als ungewöhnlich ein. «Insbesondere, da es sich hierbei um einen Eintrag über eine Privatperson handelt und nicht um einen Konkurs. Letztere erscheinen üblicherweise zwei- bis dreimal im Amtsblatt.»

«Ich habe noch nie erlebt, dass bei einem unserer Klienten eine private Verpfändung durchgeführt worden wäre.»

André Widmer, Stellenleiter von Triangel

Widmer dazu: «Ich habe in den vergangenen sechseinhalb Jahren als Stellenleiter von Triangel noch nie erlebt, dass bei einem unserer Klienten eine private Verpfändung durchgeführt worden wäre. Meist gibt es bei ihnen nichts Brauchbares zu verpfänden.» Und weiter: «Viel eher kommt es zu Lohnpfändungen. Die Arbeitgeberin der Schuldnerin muss dann den Lohn, der über das Existenzminimum hinausgeht, direkt dem Betreibungsamt überweisen. Dieser wird den Gläubigern ausgezahlt.»

Widmer erklärt: «Ohne besagten Fall zu kennen, gehe ich davon aus, dass die Frau über keinen Lohn verfügt, der über das Existenzminimum hinausgeht.» Entsprechend dürfte das Betreibungsamt entschieden haben, private Gegenstände der Person zu veräussern.

Hausbesuche klären, was pfändbar ist

In solchen Fällen statten die Betreibungsbeamten einer Schuldnerin einen Besuch bei ihr zu Hause ab, um zu sehen, was gepfändet werden darf. Ausgenommen sind sogenannte Kompetenzstücke, welche beispielsweise die Erwerbstätigkeit sichern. Im Falle einer Journalistin wäre dies etwa ein Arbeitslaptop. «Offenbar war das Einzige, was man fand, diese beiden Handtaschen. Was mich jedoch erstaunt, ist, dass man sie versteigern will, ohne dass ein Zertifikat vorhanden wäre», sagt Widmer. Überhaupt sei ihm unklar, weshalb diese Information öffentlich habe gemacht werden müssen.

Gemäss dem Baarer Betreibungsamt kommt es in der Tat selten vor, dass bei jüngeren Personen Gegenstände verwertet werden. Zum aktuellen Fall dürfe das Amt aus Datenschutzgründen keine Stellung nehmen. Zum Vorgehen nach einer Wohnungskontrolle, welche wohl auch in diesem Fall vorgenommen wurde, schreibt das Betreibungsamt: «Danach werden die Vermögenswerte in der Pfändungsurkunde aufgeführt. Der Gläubiger stellt das Verwertungsbegehren, falls er die Verwertung von Vermögenswerten wünscht. Dabei ist anzumerken, dass nicht mehr gepfändet wird als nötig.» Der Wert der gepfändeten Gegenstände werde vom zuständigen Beamten geschätzt.

Publikation wäre nicht zwingend gewesen

Auf die Frage, weshalb der Name und das Geburtsjahr der Betroffenen im Amtsblatt publiziert wird, äussert sich das Betreibungsamt wie folgt: Gemäss Artikel 125 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs «geschieht die Verwertung auf dem Weg der öffentlichen Steigerung. Ort, Tag und Stunde derselben werden vorher öffentlich bekannt gemacht».

«Eine Publikation im Amtsblatt ist zwar nicht zwingend nötig, sie ist aber die Regel.»

Betreibungsamt Baar

Die Art der Bekanntmachung sowie die Art und Weise, der Ort und der Tag der Steigerung würden vom Betreibungsbeamten so bestimmt, dass dadurch die Interessen der Beteiligten «bestmögliche Berücksichtigung finden». Und weiter: «Eine Publikation im Amtsblatt ist zwar nicht zwingend nötig, sie ist aber die Regel. Wenn sich das Betreibungsamt für eine Publikation im Amtsblatt entscheidet, muss zwingend auch der Name der Schuldnerin genannt werden.»

Bis zum Ende des ersten Auktionstages wurde ein Gebot für je einen Franken auf die beiden Designertaschen abgegeben. Damit haben sich die Gläubiger bereits zwei Franken gesichert.

Verwendete Quellen
  • Eintrag im Zuger Amtsblatt
  • eGant-Plattformen verschiedener Kantone
  • Infos der Gemeinde Baar zur Versteigerung der Mietwohnung
  • Telefongespräch mit André Widmer
  • Schriftliche Anfrage beim Betreibungsamt Baar
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