Nach «Strauss»-Aus

Puls des Dorfes: Was Luzerner Landgasthöfe heute brauchen

Gastro Luzern Co-Präsidentin und «Löwen»-Wirtin Sandra Zettel weiss, was es für eine erfolgreiche Dorfbeiz braucht. (Bild: cbu)

In Luzerns ländlichen Gemeinden kämpfen einige traditionelle Gasthöfe ums Überleben – das Dorfrestaurant ist längst kein Selbstläufer mehr. Doch während einige Betriebe schliessen, gibt es auch Hoffnung.

Knapp ein halbes Jahr amtete das Wirtepaar René und Ardiana Funk im Landgasthof Strauss in Meierskappel (zentralplus berichtete). Sie wollten den Betrieb in bekannter Manier mit gutbürgerlicher Küche und gleichem rustikalen Ambiente weiterführen. Im vergangenen Juli kam jedoch das abrupte Ende (zentralplus berichtete).

Es war der dritte Versuch, nachdem der Urbeizer Ruedi Stöckli sich 2021 aus dem Gasthaus zurückzog. Stöckli führte die Dorfbeiz 34 Jahre lang gemeinsam mit seiner Frau Bernadette. Seither kam der «Strauss» in der Luzerner Randgemeinde nicht mehr zum Fliegen. Sehr zum Verdruss des langjährigen Gastronomen und einstigen Präsidenten des Verbandes Gastro Luzern.

Damit ist Meierskappel die dritte Luzerner Gemeinde, die aktuell keinen Gastrobetrieb mehr hat (zentralplus berichtete). Die anderen beiden sind Honau und Mauenseee. Letztere verlor mit dem «Rössli» Ende 2023 ihre letzte Beiz (zentralplus berichtete). Eine Dorfbeiz sei kein Selbstläufer mehr, sagte Ruedi Stöckli zur «NZZ». Die Zeiten hätten sich geändert.

Was es für eine erfolgreiche Landbeiz braucht

Das sieht auch Sandra Zettel so. Seit dem 1. Januar 2024 bildet sie im Verbund mit Patrick Grinschgl das Präsidium von Gastro Luzern. Während Grinschgl für die Region Stadt zuständig ist, vertritt Sandra Zettel die Region Luzern Land. Zusammen mit ihrem Mann Philipp führt sie seit 1998 das Gasthaus Löwen im ländlichen Grossdietwil in der achten Generation. Das historische Restaurant ist eine weitherum bekannte Adresse. Aber ein Zuckerschlecken ist der Betrieb selbst bei einer etablierten Beiz nicht. Sandra Zettel weiss, was nötig ist, damit es trotzdem läuft.

«Ein Restaurant zu führen klingt einfach. Viele unterschätzen jedoch die Arbeit», sagt Sandra Zettel gegenüber zentralplus. Idealerweise führe man einen Betrieb zu zweit, mit klar verteilten Strukturen. Im «Löwen» beispielsweise kümmert sich Philipp Zettel um die Küche, seine Frau steht an der Front im Service. «Die Herausforderung ist, dass trotzdem alle am selben Strick ziehen.» Und dass man bereit sei, auf gewisse Dinge zu verzichten. Freizeit beispielsweise. «Man muss die Zeit nehmen, wenn es das Geschäft zulässt. Eigene Pläne müssen da manchmal hinten anstehen», findet die Gastronomin.

Die «Chrampfer» gehen verloren

«Viele alteingesessene Landbeizer sind ‹Chrampfer›», sagt Zettel weiter. Da stehe man oft Tag und Nacht im Betrieb, verlängere beispielsweise spontan die Öffnungszeiten, wenn unangemeldet noch eine Vereinsgruppe eintrudelt. Das festigt zwar die Verbundenheit zwischen Gast und Lokal, geht jedoch auf Kosten der eigenen Zeit und Energie. Etwas, was viele jüngere Gastronominnen oder Quereinsteiger heute nicht mehr im selben Mass bereit sind, zu geben.

Denn: «Die Work-Life-Balance spielt heute eine wichtigere Rolle als früher. Und das ist auch gut so», sagt sie. «Wenn noch Familie im Spiel ist, wird es noch schwieriger.» Früher hätten Wirte oft in der Wirtschaft selbst gewohnt – bei Zettels ist das noch der Fall – heute sei es nicht unüblich, dass Pächterinnen ausserhalb des eigenen Betriebs wohnen. Der Arbeitsweg schlage damit zusätzlich auf die ohnehin knappe Zeit von Beizerinnen.

Sandra Zettel begrüsst die Veränderungen und findet, dass auch in der Gesellschaft ein Umdenken stattfinden muss. «Ich bin der Meinung, dass auch eine Landbeiz ihre Öffnungszeiten anpassen darf und etwa dann geschlossen hat, wenn es für den Betrieb nicht rentabel ist.» Gerade weil Gäste heute weniger Zeit in Restaurants verbringen als früher. «Ich kann mich an Zeiten erinnern, als Leute den ganzen Nachmittag hier verbracht haben.» Heute seien viele Gäste nach dem Essen wieder weg.

Den Puls des Dorfes fühlen

Ein weiterer – und für eine erfolgreiche Landbeiz elementarer Punkt – ist das Dorfleben an sich. «Als Gastronom muss man das Dorf kennenlernen, den Puls fühlen.» Gerade für auswärtige Wirte eine Herausforderung. Oft seien es kleine Dinge, die eine Bindung zwischen Wirten und Gästen aufbauen und festigen. Etwa der persönliche Austausch mit den Restaurantgästen, selbst wenn es nur ein kurzer Schwatz am Tisch sei. Im «Löwen» schreibe man diese Tradition gross. «Die Leute wären enttäuscht, wenn nicht Philipp oder ich kurz ‹hallo› sagen würden.» Denn das Familiäre gehöre auf dem Land dazu.

Der Erfolg gibt ihnen recht. Im «Löwen» in Grossdietwil läuft es gut. Weil Sandra und Philipp Zettel und ihr Team den Betrieb an erste Stelle setzen.

Für den «Strauss» in Meierskappel geht es derweil wieder zurück auf Feld eins. Sollte sich in den nächsten ein, zwei Jahren kein passender Wirt finden, plant Ruedi Stöckli, das Gasthaus «schweren Herzens» an Investoren zu verkaufen, wie er gegenüber der «NZZ» äusserte.

Der Schein trügt

Obschon einige Luzerner Gemeinden derzeit ohne Gasthof sind und auch renommierte Betriebe wie der «Strauss» kein Happy-End zu finden scheinen – aussichtslos ist die Situation keineswegs. So verzeichnet der Verband ein gesteigertes Interesse an gastronomischen Berufen selbst. Fürs kommende Jahr haben sich gemäss Sandra Zettel mehr junge Leute für verschiedene Berufe rund um die Gastronomie beworben, als in den Jahren davor. «Das ist sehr erfreulich.»

Wer weiss, vielleicht sind unter dem Nachwuchs auch ein paar «Chrampfer» dabei, die einen Landgasthof wieder zum Fliegen bringen können.

Verwendete Quellen
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