Eigentlich wollte er Musiker werden, nun ist er Spitzenkoch
In der Stadt Luzern betreibt Pietro Catalano mit dem «CAAA» ein Fine-Dining-Restaurant. Bis es so weit war, legte der gebürtige Zuger eine illustre Karriere hin. Ein Gespräch über Trompeten, Halsabschneider und hässige Walliser.
Noch herrscht Ruhe, als zentralplus den Spitzenkoch Pietro Catalano (39) in seinem Restaurant CAAA an der Haldenstrasse in Luzern trifft. In der offenen Küche bereiten die Köche das Mis en Place vor, Töpfe scheppern. Die abgerundeten Holztische sind bereits gedeckt. Im hinteren Bereich des Lokals, wo eine Bar eingerichtet ist, reflektiert das Sonnenlicht vom Innenhof auf dem Chrom der Elektra-Kaffeemaschine. Vor dem wuchtigen Gerät, den Kolben in der Hand, steht Catalano und lässt sich einen Kaffee raus. «Den brauche ich, bevor es losgeht», sagt er gut gelaunt.
Dass der Zuger, der in der Küche gerne Sneakers und Baseballcaps trägt, einst zusammen mit seiner Ehefrau Elena Klimianok und seiner Schwester Stefania in Luzern ein Edellokal führen würde, hatte er nicht in den Karten. Denn ursprünglich strebte Pietro Catalano eine Karriere als Musiker an – unter anderem.
Nach einer Lehre zum Automechaniker zog es den introvertierten Schüler, wie sich Pietro Catalano selbst bezeichnet, an die Hochschule Luzern, wo er das Trompetenspiel studierte. Sein Ziel: später in einem renommierten Orchester zu spielen. Weil die Plätze in den Orchestern damals bereits besetzt waren und Catalano kein Interesse daran hatte, als Musiklehrer zu agieren, begab er sich dahin, wo seine Eltern seit seiner Kindheit tätig waren: die Gastronomie.
Eine klassische Gastroausbildung absolvierte er dabei nicht, stattdessen brachte er sich das Wissen autodidaktisch bei, schaute den Köchen über die Schultern und lernte von seinen Eltern. Als er 2007 das Restaurant La Campana in Cham von seinem Vater übernahm, war die Familie Catalano aus der Zuger Gastronomie nicht mehr wegzudenken. Seine ältere Schwester Stefania leitet seit 2004 die Pizzeria Camaro in Rotkreuz, und der Vater wirtete von 2011 bis Ende 2022 im Restaurant Da Rocco in Lindencham (zentralplus berichtete).
Vom Haifischbecken auf den Berg
Zu Beginn stand Pietro Catalano noch nicht in der Küche, sondern an der Front. Aber: «Der Service war nie meine Leidenschaft.» Sein Herz schlug für die Gastronomie als Ganzes, aber auch für Kunst und Mode. Daraus entwickelte er die Idee, diese drei Steckenpferde unter ein Dach zu bringen. Sein Konzept stellte er dem amerikanischen Modeunternehmen Vogue vor, das mit den Vogue Cafés weltweit ausgefallene Lokale betreibt.
Unter diesem Banner plante Pietro Catalano Cafés in Zürich, Stockholm und Monaco. Vogue gab grünes Licht, es fehlte nur noch das Geld. Nebst seriösen Angeboten musste Catalano ebenfalls zwielichtige Leute umschiffen, die den jungen Unternehmer über den Tisch ziehen wollten. «Es war das reinste Haifischbecken», erinnert er sich. Letztlich kam das Geld nicht in nützlicher Frist zusammen, und der Plan vom eigenen Franchisegeschäft fiel auseinander. Vorerst.
Denn der Gedanke daran liess ihn nicht los. 2018 gab er das La Campana auf. «Jedes Restaurant hat seinen Höhepunkt», erklärt er. Und er sei jemand, der gerne auf dem Höhepunkt aufhöre und weiterziehe. Online stiess er auf Heidi’s Hütte, eine Bergbeiz im Walliser Skiort Fiesch. Und hier fragte sich Catalano, ob man etwa Bergrestaurants mit einem Franchisekonzept kombinieren könnte. Quasi ein «McDrive in den Bergen», wie er die Idee schmunzelnd beschreibt. Er arbeitete ein Konzept aus und stellte es den Verantwortlichen vor. Ein halbes Jahr später zog es den Zuger auf den Berg – und an den Herd. Schliesslich wollte er selbst ausprobieren, welche kulinarischen Prozesse Franchise-tauglich sind.
Den Wallisern schmeckts nicht – zu Beginn
Das Bergrestaurant kam mit einer ganzen Lawine an Herausforderungen auf ihn zu. «Ein Restaurant auf einem Berg zu führen, ist die Königsklasse», sagt der Gastronom. Material musste aufwendig – teils mit Helikopter – in die Höhe gebracht werden, das Wetter war launenhaft, und Catalanos kulinarisches Konzept, das über «Schnipo» und Wienerli hinausging, stiess bei Teilen der ansässigen Bevölkerung auf Ablehnung. «Ich habe einige wütende E-Mails bekommen», erinnert er sich zurück. Einen Kniefall machte er nicht, hielt stattdessen an Zutaten wie Gnocchi und Trüffeln fest.
Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Vier Monate nach der Eröffnung flatterte ein Brief von Gault-Millau ins Haus: 12 Punkte und Neuentdeckung des Jahres. Es war bis dato das einzige Lokal in der Region, das sich über diese Adelung freuen konnte. «Das war verrückt. Dabei hatte ich nicht einmal den Anspruch, ein Gault-Millau-Koch zu werden.» Sein Plan sei doch gewesen, ein Franchisekonzept für Bergrestaurants zu entwickeln, das auf andere Länder übertragbar sein würde.
Als er seinen Mehrwert in der Region bewiesen hatte, verstummten die Unkenrufe zunehmend und kehrten sich ins Gegenteil. In den Folgejahren hielt er die 12 Gault-Millau-Punkte für Heidi’s Hütte und bekam das Angebot, zusätzlich das Restaurant Riederfurka auf der anderen Seite des Skigebiets von Grund auf aufzubauen – was Catalano tat. Nach sieben Wochen adelte ihn der Gault-Millau mit 13 Punkten und erhöhte im Folgejahr auf 14.
Ewig auf dem Berg zu bleiben, sei aber nie der Plan gewesen. Trotz mehreren Angeboten für weitere Lokale in der Region zog es ihn fünf Jahre nach Eröffnung von Heidi’s Hütte wieder ins Flachland. Und nach Luzern. Hier wollte er eine Idee umsetzen, die in ihm herangereift war.
Eine Handvoll «A’s» in Luzern
Aus einer ehemaligen Kunstgalerie baute er 2023 an der Haldenstrasse das Restaurant CAAA auf – ein Wortspiel aus seinem eigenen Nachnamen. Das Lokal fokussiert kulinarisch auf gehobene Küche in Kombination mit Mixology. Das Interieur ist modern gehalten und massgeschneidert. Statt Dutzender Sitzplätze legte Catalano das Lokal auf rund 20 Gäste aus. Klassische Hierarchien warf er über Bord. Im «CAAA» helfen beispielsweise die Köche im Service mit, und der Barkeeper kann kleine Snacks zubereiten. Diese Abkehr von starren Aufgabengebieten steigere nicht nur den Wert der einzelnen Mitarbeiter, falls sie mal ein Haus weiterzögen, sondern sei die Zukunft der Gastronomie, ist Catalano überzeugt.
Das Restaurant CAAA öffnete Ende 2023 seine Türen. Catalano war sich der Risiken bewusst. «Im Skigebiet gab es saisonbedingt klare Gästefrequenzen.» In der Stadt müsse man die Gäste zu sich holen. Hinzu käme, dass es im Haus zuvor kein Restaurant gegeben hätte, auf dessen Ruf man hätte aufbauen können. Ebenfalls sei gehobene Gastronomie nicht jedermanns Sache – aber das müsse sie auch nicht. Trotzdem sah Pietro Catalano der Sache einigermassen entspannt entgegen. «Wir hatten uns auf dem Berg ein dickes Fell angeeignet», sagt er.
Sein Plan geht bislang auf. Gäste als auch internationale Medien werden zunehmend auf das Luzerner Restaurant des umtriebigen Musikers, Modeschöpfers und Gastronomen aufmerksam. Wenige Stunden nach dem Gespräch mit zentralplus würde er dem nächsten Journalisten Rede und Antwort stehen. Dieses Mal für ein italienisches Magazin. Auch der Gastroführer «Gault Millau» hat seine Fühler bereits ausgestreckt und meint nach einem ersten Probebesuch im Januar: «Start geglückt.» Weitere Auszeichnungen sind nicht auszuschliessen.
Obwohl sich die Catalanos in Luzern «superwohl» fühlen, sind die Franchisepläne, die Pietro Catalano überhaupt auf seinen Weg gebracht haben, nicht vom Tisch. Der Name des Restaurants CAAA by Pietro Catalano sei bewusst so gewählt, sodass er auch in anderen Städten funktionieren könnte. «Du musst vorausdenken und bereit sein», sagt er und lacht schelmisch. Man weiss ja schliesslich nie, welche Briefe demnächst im Briefkasten landen.
Arbeitet seit 2020 bei zentralplus und betreut den Bereich Gastronomie.
In Luzern und Zug aufgewachsen und schon seit bald 20 Jahren als Texter und Autor unterwegs. Steht privat gerne am Herd und war während mehreren Jahren als Assistenz einer Luzerner Störköchin tätig.