Gesichter der Gastronomie

Karin Hilty: Die Frau hinter dem «Absacker-Stübli»

Karin Hilty amtet seit Jahrzehnten in der Gastronomie. Seit 2022 ist sie in der Baselstrasse tätig. (Bild: cbu)

Karin Hilty amtet seit über 30 Jahren in der Gastronomie. Ihr erstes eigenes Lokal ist eine Schweizer Kneipe, wie sie im Buche steht. zentralplus hat sie in der Luzerner Baselstrasse besucht.

Umgeben von exotischen Einkaufsläden, einem neuen Nachtclub (zentralplus berichtete) und viel Multikulti ist es fast ein Unikum, das «Absacker-Stübli» an der Baselstrasse. «Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich sofort das Lesen auf – zum Wohl!» steht in rosaroter Kreide auf einer Schiefertafel neben der Eingangstür.

«Wenn ich für jedes Foto und jeden Schmunzler, den diese Sprüche auslösen, einen Franken bekommen würde …», sagt Karin Hilty schmunzelnd, als zentralplus sie an einem Montagmorgen besucht. Hilty ist die treibende Kraft hinter dem «Absacker-Stübli», das 2022 aus der «Brooklyn Bar» entstanden ist (zentralplus berichtete). Hier treffen Stammtischkultur auf «Füschtu», Frühschoppen und Zigaretten. Während Raucherlokale in Luzern eine aussterbende Spezies darstellen (zentralplus berichtete), halten Hilty und ihr Team diesbezüglich die Fahne hoch.

Hilty lernt von 0 auf 100

Viel ist an diesem Morgen nicht los. Die Baselstrasse ist im Aufwachmodus, und im «Absacker-Stübli» herrscht ebenfalls noch gepflegte Ruhe. Im schlicht eingerichteten Lokal – auf Schickimicki wird hier bewusst verzichtet – ist nur eine Handvoll Gäste, die Kaffee trinken und Zeitung lesen. Mit dem Verlauf seit der Neueröffnung sind Karin Hilty und ihr Mann Daniel Kaufmann, der im Betrieb ebenfalls mitmischt, zufrieden. Mehrheitlich zumindest. Aber von vorne.

Stammgäste müssen keine Bestellung aufgeben. Karin Hilty weiss, was gewünscht ist. (Bild: cbu)

Hilty wird die Gastronomie quasi in die Wiege gelegt. Ihr Grossvater und ihr Vater wirteten im «Ochsen» in Grosswangen, die Mutter an deren Seite. Auch Karin Hilty verbringt als Kind viele Stunden im Gasthaus. Beruflich zieht es sie allerdings in eine andere Richtung. Sie wird Metzgerin. Zumindest, bis sie genug davon hat. 1992 wagt sie den Sprung ins Ungewisse und bewirbt sich als Servicefrau für die Wintersaison auf der Klewenalp. Hier oben kommt Hilty «auf die Welt», wie sie sagt.

«Ich hätte nicht gedacht, dass es mir gleich derart den Ärmel reinzieht.»

Karin Hilty, Wirtin

Der Andrang im Bergrestaurant ist enorm, die frischgebackene Servicefrau lernt das Geschäft auf die harte Tour. «Aber so lernt man es wenigstens gleich», meint sie fröhlich. Obwohl es Knochenarbeit ist, verliebt sich die Luzernerin in ihre Tätigkeit und findet im Service ihre Berufung. «Ich hätte nicht gedacht, dass es mir gleich derart den Ärmel reinzieht.»

Vom Service zum eigenen Lokal

Nach der Klewenalp serviert sie für kürzere und längere Zeiten in verschiedenen Restaurants, bevor sie 2003 im «Café La Suisse» – das Luzerner als «Doorzögli» kennen – sesshaft wird. Ganze 19 Jahre prägt sie im Service das gutbürgerliche Lokal in der Altstadt mit, bevor ein Angebot eintrudelt, das sie nicht ablehnen kann.

In der «Brooklyn Bar» an der Baselstrasse soll 2022 etwas Neues entstehen, das vorherige Konzept kam nicht zum Fliegen. Karin Hilty und Ehemann Daniel, die direkt gegenüber des Lokals wohnen, schlagen zu. Nicht nur wegen des angenehm kurzen Arbeitsweges. Mit dem «Absacker-Stübli» erfüllt sich Karin Hilty den insgeheim schon lange gehegten Traum eines eigenen Lokals. Ihr Konzept: eine Beiz, in der geraucht, gejasst und getanzt wird und auch die Tradition des Frühschoppens wieder ein Zuhause findet. Ein klassisch schweizerischer Spunten inmitten des bunten Trubels der Baselstrasse.

Die Jungen bleiben aus

Hilty setzt auf einen familiären und unkomplizierten Umgang. Die «Sie»-Anrede ist hier etwa so selten wie hochpreisiges Designermobiliar. Dass Karin Hilty die Seele des Lokals ist, spürt man, wenn man ihren Umgang mit den Gästen beobachtet. Während des Gesprächs treten einzelne Gäste ins Lokal. Eine Bestellung müssen sie nicht aufgeben. Hilty weiss, was ihre Stammkundschaft möchte, stellt den Kaffee oder das Bier hin, wechselt ein paar Worte mit allen.

Im «Absacker-Stübli» setzen sich Stammgäste gerne auch bei Interviews dazu. (Bild: cbu)

Das Konzept geht auf, und zwei Jahre später hat sich das «Absacker-Stübli» einen festen Platz in der Gegend erarbeitet. Wohl auch, weil Hilty der Baselstrasse etwas zurückgeben will. Vergangene Weihnachten hat sie etwa jene Leute zu einem kostenlosen Essen eingeladen, die sonst niemanden zum Feiern haben. Das hat viel positives Feedback und sogar ein paar Spenden eingebracht.

Alle fühlen sich vom Lokal jedoch nicht angezogen. «Der Ruf der Baselstrasse ist leider immer noch in den Köpfen der Leute verankert», sagt sie. Gerade die jüngeren Leute sieht Hilty eher selten an den Tischen. Die verbringen die Zeit wohl lieber im nahen «Kaffee Kind», Club «Kiosk» oder einer anderen hippen Location in der Umgebung. «Ich fände es schön, wenn auch jüngere Leute mal reinschauen würden, aber zwingen kann man sie nicht», sagt die Wirtin.

Auch die Idee, mittels günstigem Kaffee und Sandwiches morgens die Arbeiterfraktion und die Nachbarschaft abzuholen, kommt nicht so recht in Schwung. «Die Leute holen sich ihre Sachen lieber in der nächsten Bäckerei», sagt Hilty und mutmasst, dass auch die Pandemie nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung sei, denn es betreffe nicht nur ihr Lokal. «Seit Corona gehen die Leute hier weniger raus. Sie essen und trinken lieber zu Hause.»

Ansonsten sei sie mit der Auslastung aber sehr zufrieden. Polterabende, kleine Konzerte, Geburtstage oder Jassturniere, an Gästen mangle es nicht. Und die wollen auch verpflegt werden. Je nach Anlass wechselt Hilty dafür in die Küche, kocht und serviert Währschaftes wie Fondue, Schweinsbraten oder Voressen.

Das «Absacker-Stübli» bleibt

Auch wenn das Führen eines ganzen Lokals mehr Aufwand bedeutet, als «nur» den Service zu machen, kann sich Hilty nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Dafür liebt sie die Action zu sehr. Wenn hier ein Ländler-Konzert stattfindet, geht es gemäss Hilty zu «wie im hölzige Himmel». Dann sind selbst die zusätzlichen Sitzplätze schnell besetzt und Karin Hilty, Daniel Kaufmann und die beiden Angestellten gefordert. Das zieht sogar Gäste von weither an. «Ich hatte schon Leute, die aus Zürich oder dem Bündnerland gekommen sind», erzählt sie nicht ohne Stolz in der Stimme.

Selbst wenn nebst dem Betrieb nicht mehr viel Freizeit übrig bleibt, anders möchte es die 58-Jährige nicht. «Ich habe Spass hier», sagt sie. Darum sei auch das Thema Pensionierung noch in weiter Ferne. «Ich mache weiter, solange, wie es nur geht.» Zumal sie und ihr Ehemann das Lokal bald gänzlich von Inhaber Martin Krasniqi übernehmen, der ihnen in den vergangenen zwei Jahren den Rücken gestärkt hatte.

Bis im «Absacker-Stübli» also das letzte Bier gezapft und der letzte Jodler gejuchzt wird, dürften noch einige Jahre ins Land – oder durch die Baselstrasse – ziehen.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Karin Hilty, Wirtin «Absacker-Stübli»
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