Ungleiche Spiesse?

Darum braucht ein Wirt in Luzern ein Diplom und in Zug nicht

Wirtinnen in Zug haben es in einigen Punkten leichter als solche in Luzern. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

In vielen Kantonen brauchen angehende Wirte eine spezielle Ausbildung und einen Abschluss. Während Luzern auf diese Pflicht setzt, haben es Zuger um einiges einfacher. Das hat es mit der Kantönligeist-Taktik auf sich.

«Wer nichts wird, wird Wirt.» Dieser gut abgehangene Spruch suggeriert, dass auch der unfähigste Einfaltspinsel nicht um seine berufliche Zukunft bangen muss. Ein Restaurant könne jeder aufgleisen. Natürlich ein Trugschluss. Nebst den Fähigkeiten und den nötigen finanziellen Mitteln gibt es auch allerhand Papierarbeit zu erledigen. Allerdings variiert gerade der letzte Punkt je nach Kanton. Denn ohne ein sogenanntes Wirtepatent dürfen angehende Gastronominnen vielerorts kein Restaurant eröffnen.

Wobei man gleich zu Beginn etwas klarstellen muss: Der Begriff Wirtepatent ist bestenfalls noch umgangssprachlich zu verwenden. «Der Begriff Wirtepatent besteht so nicht mehr, da es kein eigentliches Patent mehr gibt», klärt Yanik Probst auf. Probst ist Sprecher bei der Luzerner Polizei, zu der auch der Bereich Gastgewerbe und Gewerbepolizei angehört. Statt von einem Wirtepatent spricht man in Luzern deswegen von einer Fachprüfung.

Der Kantönligeist spukt herum

Gemeint ist in beiden Fällen eine staatliche Bescheinigung, die belegt, dass Gastronomen eine Ausbildung in verschiedenen relevanten Themenbereichen absolviert haben. Geregelt wird diese Fachprüfung über die einzelnen Kantone. Und wie anderswo schlägt auch hier der Kantönligeist zu. Denn nicht überall wird die Fachprüfung verlangt. In den Kantonen Zürich, Zug, Graubünden, Uri, Schwyz, Glarus, Appenzell Ausserrhoden und Neuenburg können angehende Beizer ein Lokal auch ohne diesen Abschluss eröffnen.

In Luzern hingegen ist die Prüfung Pflicht. Und zwar für alle, die ein Hotel, Restaurant, Bistro oder eine Bar führen möchten. Nötig ist es auch für Essstände mit Konsumationsmöglichkeiten und Alkoholausschank an Ort und Stelle. Einzig Betreiberinnen von Essständen, die keinen Alkohol ausschenken und eine Betriebsfläche von unter 25 Quadratmetern haben, können ohne Fachprüfung wirten. Eine Betriebsbewilligung sei trotzdem erforderlich, heisst es seitens der Luzerner Polizei.

Kein Zeugnis brauchts in Zug

In dieser Hinsicht weniger Aufwand haben Gastronomen im Kanton Zug. «Das Zuger Gastgewerbegesetz sieht keine Leistungsausweise oder Ausbildungen als Voraussetzung für die Führung eines Gastgewerbebetriebs vor», erklärt Michael Siegrist von der Sicherheitsdirektion des Kantons Zug gegenüber zentralplus.

Stattdessen sind die Einwohnergemeinden zuständig für den Vollzug des Gastgewerbegesetzes. Halten sich Wirte nicht an die Bestimmungen, können die Gemeinden nötige Massnahmen ergreifen. Diese reichen von Verwarnungen bei leichten Verstössen bis zum Entzug der Betriebsbewilligung.

Das war nicht immer so. Das alte Gesetz über das Gastgewerbe und den Handel mit alkoholhaltigen Getränken vom 5. Juli 1984 sah durchaus eine Patentpflicht für Restaurants und dergleichen vor. Diese Pflicht verschwand mit der Anpassung des Gesetzes im Juli 1996. Die Idee dahinter war, die «überregulierte Gesetzgebung» zu liberalisieren. Verschiedene Gemeinden, Verbände und Organisationen sprachen sich für eine Abschaffung eines staatlichen Fähigkeitszeugnisses aus.

Vor der Anpassung kam die Kritik

Der Vorschlag für die Gesetzesänderung stiess damals nicht auf universelle Liebe. Seitens der SVP wurde in einem Antrag vom Januar 1996 beispielsweise gefordert, dass eine gastgewerbliche Grundausbildung von mindestens acht Wochen Pflicht sein müsse. Nur schon, um die Gesundheit der Gäste durch Fehlverhalten und Unwissen der Wirte nicht zu gefährden.

Ausserdem würde nicht nur das Ansehen der Branche aufs Spiel gesetzt. Denn «Skandalgeschichten auf der Titelseite der Boulevardpresse» seien weder für das Gastgewerbe noch für die Schweiz als Tourismusdestination gut. Der Antrag warnte vor einer zu starken Deregulierung des Marktes. «Es reicht aus, wenn über unsere Grenzen hinweg bekannt wird, dass alle, die es wünschen – auch Personen, die von ‹Tuten und Blasen› keine Ahnung haben –, leichtsinnig auf die Öffentlichkeit losgelassen werden.»

Letztlich kam die Gesetzesanpassung aber durch und ist bis heute unverändert in Kraft.

Bis zum Diplom ist es ein teurer Spass

Zurück nach Luzern. Wer hier ein Lokal eröffnen will, braucht ein Diplom. Um dieses zu ergattern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Schweizweit gibt es mehrere Anbieter, die Kurse und Prüfungsvorbereitungen verkaufen, die angehende Wirtinnen sattelfest in der Thematik machen sollen.

Die Ausbildungsdauer kann dabei zwischen zwei und sechs Monaten variieren. Je nach Anbieter findet der Unterricht online oder im Klassenzimmer statt. Genauso variabel sind die Preise – auch wenn sie insgesamt relativ nahe beieinanderliegen. Bei der Schweizer Gastronomiefernschule etwa schlägt die Ausbildung für das Luzerner Diplom mit rund 2430 Franken zu Buche. In St. Gallen kommt man allerdings schon mit 990 Franken durch, während es in anderen Kantonen wie Solothurn oder Basel fast 3000 Franken kostet.

Anderer Kanton, andere Anforderungen

Die unterschiedlichen Preise der Kurse begründen sich durch die unterschiedlichen Anforderungen an die Prüfungen. «So wie jeder Kanton selbst darüber entscheidet, ob ein Wirtepatent erforderlich ist oder nicht, entscheidet auch jeder Kanton selbst, welche Bereiche Teil des Wirtepatents sind», schreibt Katja Köppel von der Schweizer Gastronomiefernschule auf Anfrage.

Das bedeutet, die Inhalte, die Form sowie auch die Beurteilung der Wirteprüfung unterscheiden sich von Kanton zu Kanton. Im Kanton St. Gallen beispielsweise muss lediglich eine Prüfung geschrieben werden, im Kanton Luzern hingegen sechs Teilprüfungen. Entsprechend müssen im Luzerner Kurs mehr Themenbereiche abgedeckt werden als im Kanton St. Gallen.

Während im Kanton Luzern beispielsweise das Alkoholgesetz, Arbeitsrecht, Lebensmittelrecht und die Arbeitssicherheit auf dem Stundenplan stehen, müssen Wirte in St. Gallen «nur» Kurse zur Lebensmittelsicherheit, Selbstkontrolle und Arbeitssicherheit pauken.

In Luzern machen weniger Leute die Fachprüfung

Wollen angehende Gastronomen auf Nummer sicher gehen, können sie auch ein Patent erlangen, das für die ganze Schweiz gültig ist – ideal für Leute, die künftig vielleicht den Kanton wechseln und den ganzen Rabatz nicht noch einmal wiederholen möchten. Mit Preisen zwischen 3500 und 4000 Franken Gebühren schlägt das national gültige Fähigkeitszeugnis dann aber auch fester zu. Hinzu kommen noch die Prüfungsgebühren, die in Luzern 350 Franken betragen.

Prüfungen finden in Luzern viermal im Jahr statt. Gemäss der Luzerner Polizei haben sich 2023 pro Session zwischen 60 und 80 Personen angemeldet. Im laufenden Jahr sei die Zahl eher rückläufig, schreibt Yanik Probst. In der ersten Session haben sich rund 50 Personen angemeldet, in der zweiten Session knapp 40 Personen.

Fachprüfung hin oder her, mit dem Diplom im Sack ist der Drops noch nicht gelutscht. Ob sich die Wirtinnen nämlich an die Regeln halten, prüft die kantonale Lebensmittelkontrolle in regelmässigen Abständen. In Luzern waren die Kontrolleure im vergangenen Jahr fleissig. Rund 1500 Betrieben haben sie einen prüfenden Besuch abgestattet – und waren mit 95 Prozent der Lokale zufrieden. Bei den restlichen fünf Prozent, etwa 70 Betrieben, stellte die Lebensmittelkontrolle allerdings «grössere Mängel» fest. Eine Bar musste gar vorübergehend schliessen (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Website Gastrosuisse
  • Schriftlicher Austausch mit Yanik Probst, Luzerner Polizei/Bereich Gastgewerbe und Gewerbepolizei
  • Website Wirtepatent
  • Schriftlicher Austausch mit Katja Köppel, Schweizer Gastronomiefernschule
  • Gastgewerbegesetz Kanton Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Michael Siegrist, Sicherheitsdirektion Kanton Zug
  • Gastgewerbegesetz Kanton Zug
  • Website wirtepatent.ch
  • Merkblatt Wirtepatent Kanton Luzern
  • Website Gastgewerbe und Gewerbepolizei Kanton Luzern
  • Bericht und Antrag des Zuger Regierungsrats vom 5. Mai 1995
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