Einradhockey mit Tennisball

Ein Emmer Verein beherrscht diese kuriose Sportart wie kaum ein anderer

Training der Black Hawks in der Rossmooshalle in Emmen. (Bild: mik)

Als wäre Einradfahren nicht schon kompliziert genug, spielen die Black Hawks gleichzeitig auch noch Hockey. Wie der Sport Einradhockey aussieht, zeigt sich bei einem Trainingsbesuch in Emmen.

Quietschende Turnschuhe, von Wänden abprallende Bälle, zusammenschlagende Stöcke: Typische Hallensportgeräusche eben. Untypisch ist der Anblick an diesem Freitagabend in der Rossmooshalle in Emmen trotzdem. Denn: Die Spielerinnen, die dem Ball nachjagen, tun es auf einem Einrad. Was kurios klingt, nennt sich Einradhockey.

Eine Sportart, die schweizweit von rund 150 Personen gespielt wird, wie Martina Bill vom Swiss Indoor- & Unicycling-Verband auf Anfrage schreibt. Diese kämpfen in derzeit 17 Teams verteilt auf drei Ligen um den Titel als Schweizermeister. Gewisse Clubs stellen auch mehrere Teams. Die meisten stammen aus der Region Bern/Aargau.

In Emmen existiert mit dem «Einrad Club Emmenbrücke» einer der grössten Einradvereine der Zentralschweiz. Gleiches gilt auch fürs Einradhockey: Fünf der 17 Teams stellen die Black Hawks. Zwei in der höchsten Klasse (Liga A), eines in der mittleren Klasse (Liga B) und zwei Anfängerteams (Liga C).

Zirkus, Hockey und Tennis vereint

Am Freitagabend trainieren die beiden stärksten Teams. Zu Beginn sieht noch vieles nach Zirkus aus: Die Spieler drehen auf dem Einrad ihre Runden um das ovale Spielfeld, das in diesem Moment wie eine Manege wirkt. Passend dazu drehen einige Spieler Pirouetten oder fahren stückweise rückwärts.

Doch sobald ihre Beine warm sind, greifen sie nach ihren Stöcken. Mit diesen passen sie einen Tennisball hin und her oder ziehen ihn auf, um den Ball ins Tor zu befördern. Für den Sport selbst brauchen die Spieler nicht viel.

Tennisball, Hockeyschläger und Einrad: Das braucht es in diesem Sport, um Tore zu schiessen. (Bild: mik)

Zwar spielen sie Unihockey, nutzen jedoch Eishockeyschläger. «Ganz einfach, weil ein Unihockeyschläger zu kurz wäre, da wir ja auf dem Einrad höher sind», erklärt Pascal Schorno. In den unteren Ligen gilt für die Spieler zusätzlich Helm- und Schonerpflicht, da dort die Sturzgefahr höher ist.

Mehr Freiheiten als beim Unihockey

Ansonsten gelten im Einradhockey ähnliche Regeln wie im Unihockey. Doch: «Beim Einradhockey hat man etwas mehr Freiheiten.» Beispielsweise dürfen die Spieler beim Unihockey ihren Stock nur bis auf Kniehöhe heben, beim Einradhockey bis zur Hüfte. Goalies dürfen zur Abwehr den Stock gar bis aus Lattenhöhe heben. Weiter zählen auch Tore mit dem Fuss – jedoch nicht mit der Hand. Aber um den Ball zu kontrollieren, darf auch die Hand zum Einsatz kommen.

Trotz den Freiheiten: Natürlich gibt es auch Spielregeln. So ist es zum Beispiel verboten, den Stock vor das Rad der Gegenspieler zu halten, um sie auszubremsen oder um sie vom Sattel zu holen. Den Ball jedoch dahin zu spielen, sei erlaubt, so Schorno. Prinzipiell ist der Sport kontaktlos. Wie viel Kontakt trotzdem bei Zweikämpfen erlaubt ist, hängt vom Ermessenspielraum der Schiedsrichter und von den Spielern selbst ab.

Einstieg meist durch Zufall

In einem 45-Grad-Winkel die Balance halten, währenddessen den Ball vor sich her dribbeln und reingrätschende Stöcke abwehren – klingt alles andere als freundlich für Einsteiger. «Absolut», gibt Pascal Schorno unverblümt zu.

So sei die Sportart wenig bekannt. Gerade Einrad werde noch viel mit Zirkus und Kunststücken verbunden. Auf diesen Sport komme man sehr häufig aus Zufall, so Pascal Schorno. Beispielsweise über Bekannte. Er selbst kam über seinen Vater zum Sport. Dieser ist Berufsschullehrer, Schornos künftiger Trainer und Lehrlingsbetreuer. Ähnliche Geschichten erzählen auch die anderen Spieler.

Allerdings sei nur ein kleiner Teil sehr ambitioniert. «Wir haben zwar viel Nachwuchs, aber nur wenige, die es lange durchziehen», gibt Pascal Schorno zu bedenken. Er selbst spiele seit rund 11 Jahren – und schätze am Sport, mit seinem Teamkameraden auf einem hohen Niveau spielen zu können. In einer anderen Sportart könne das nur schwer erreicht werden.

Aus Stummfilm-Gag wurde ernst

Schwer hatten es auch die Black Hawks zu Anfang. 2006, nach den Einrad-Weltmeisterschaften in Langenthal, gründeten Swen Schuhmacher, Pascal Métry, Phillip Schenker und er gemeinsam das Team, wie Yves Métry erzählt. 

Auch beim Einradhockey ist nach dem Training vor dem Training. (Bild: mik)

Dabei erhielten sie Unterstützung von Spielern, die sie an verschiedenen Einradrennen-Weltmeisterschaften kennengelernt hatten. Mithilfe von deren Erfahrung und durch das Schauen von Eis- und Unihockeymatches haben sie sich den Sport schliesslich beigebracht. «Und dann Liga gespielt. Dort lernten wir es schnell», so Métry. Inzwischen verteidigt ihr Team Jahr für Jahr den Titel als Vize-Schweizermeister.

In die Schweiz kam der Sport über Deutschland. Von dort stammt auch dessen erste bekannte Aufzeichnung. Der deutsche Stummfilm «Varieté» zeigt einen kurzen Ausschnitt einer Darbietung zweier Künstler, die in Berlin eine Art Einradhockey vorgeführt haben. Wie die Sportart von dort in die Schweiz gekommen ist, liest du im interaktiven Zeitstrahl.

Parallele Sportwelt

Doch nicht nur Einradhockey fand seinen Weg in die Schweiz. Daneben gibt es noch viele weitere Einraddisziplinen: «Freestyle», die typische Kunstraddisziplin, «Muni», das verschiedene Offroad-Rennen in sich vereint, «Urban», eine Art Freerunning fürs Einrad oder auch die Teamsportart «Radball» – also Einradbasketball.

Wer Einradfahren kann, dem öffnet sich damit eine Art parallele Sportwelt. Pascal Schorno hält darum auch fest: «Einradhockey ist grundsätzlich für jeden geeignet. Für jeden, der Einradfahren kann oder zumindest gewillt ist, es zu lernen.»

Verwendete Quellen
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