Mission Dessert-Jagd

Mit 20 Stutz an den Luzerner Weihnachtsmarkt: Was gibts dafür?

Mit 20 Stutz zum Diabetesschock? Die Herausforderung nimmt zentralplus-Redaktor Chris Bucher an. (Bild: cbu)

Mit einem 20er-Nötli an den Luzerner Weihnachtsmarkt: zentralplus-Journalist Chris Bucher wagt den Selbstversuch. Ein Drahtseilakt zwischen finanziellem Ruin, Karies und prähistorischen Luftballons.

Hilfe, es weihnachtet sehr. Ob festlich geschmückte Schaufenster, Weihnachtsbeleuchtung auf der Seebrücke oder ein Krippenspiel in der Altstadt. Während sich Weihnachtsmuffel den bunten Jahresend-Kitsch an zahlreichen Weihnachtsmärkten mit einer schönen Tasse Glühwein aus dem Gedächtnis orgeln, geniesse ich das winterliche Treiben. Auch an Weihnachtsmärkten.

Vor einigen Jahren zog ein zentralplus-Team – in Gestalt von Valeria Wieser und Simon Bertschi – los, um mit 20 Franken die Lozärner Määs abzuklappern (zentralplus berichtete). Für ganz alle Gelüste hat der «Chilbibatzen» damals nicht gereicht, die Stadt Luzern sorgte allerdings für ein Happy End (zentralplus berichtete).

Nach vier Jahren schickt die Redaktion erneut einen Journalisten auf die Walz: den Gastronomie-Verantwortlichen mit einem Hang zur zuckerlastigen Selbstzerstörung. Statt an die Määs gehts heuer jedoch an den Weihnachtsmarkt auf dem Luzerner Inseli. Die Aufgabe hingegen bleibt gleich: Wie weit komme ich mit einem 20er-Nötli?

20 Stutz für Desserts

Jetzt könnte ich es mir natürlich einfach machen und sagen: nicht weit. Und das wäre nicht einmal überspitzt. Denn schon am ersten Stand könnte ich mir zwei grosse Tüten Magenbrot (Kostenpunkt: 10 Franken pro rosarote Packung) gönnen, und das Geld wäre verpulvert – und der Magen ruiniert.

Das hätte seinen Reiz. Am Versuchstag ist Petrus nämlich etwa so schlecht gelaunt wie ich nach einer Busfahrt zur Stosszeit. Ich wäre schneller an der Wärme und im Trockenen. Aber nach 800 Gramm Magenbrot wohl für die nächsten zwei Tage auf den Lokus verbannt. Darum die Herausforderung an mich selbst: So viele verschiedene Desserts wie möglich im Rahmen der äusserst begrenzten Finanzen ergattern.

Erstmal einen Überblick verschaffen

Bevor ich auch nur daran denke, die 20er-Note aus dem Portemonnaie zu ziehen, verschaffe ich mir einen Überblick über die Lage. Einmal durch den ganzen Markt schlendern, um das Angebot unter die Lupe zu nehmen. Die erste Bewährungsprobe kommt bereits wenige Meter hinter dem Eingangsbereich. Luftballons. In T-Rex-Form. Für einen offenbar nie erwachsen gewordenen Dinobub (auf dem Redaktionsschreibtisch schieben ein Spielzeug-Rex und ein Velociraptor Wachdienst) ist das eine grosse Verlockung. Eine, der ich glücklicherweise widerstehen kann – wenn auch nur knapp.

Wären sie essbar, hätte ich bei den T-Rex-Ballons zugeschlagen. Mehrmals. (Bild: cbu)

Beim taktischen Rundgang schliesse ich ein paar Dinge – gezwungenermassen – gleich zu Beginn aus. Getränke etwa. Klar, ein Glühwein wäre eine verlockende (und wärmende) Sache. Besonders, da er hier einen Hauch Gummibärchenaroma mitbringt, was ihn eigentlich schon als Dessert qualifizieren würde (zentralplus berichtete). Mit 6.50 Franken (plus 2.- Depot) schränkt er mein Budget aber zu stark ein. Selbiges gilt für die Schoggimilch, die am anderen Ende des Markts erhältlich ist und mit Marshmallows und Streuseln noch verfeinert – und verteuert – werden kann.

Der erste Kauf ist ein Weihnachtsklassiker

Ich bleibe also trocken – zumindest in gaumentechnischer Hinsicht. Mein Weg führt mich zurück an den Eingang. Jetzt kann es also richtig losgehen. Mein erster Halt: der Donut-Stand (gleich gegenüber von den T-Rex-Ballons). Offenbar mache ich einen hungrigen Eindruck. Denn der Verkäufer reicht dem ausgezehrten Autor mit Hautton Leichenblässe einen Mini-Donut zum Degustieren. Wird dankend angenommen.

Ein Blick auf die Preistafel zeigt: Eine ganze Portion Donuts liegt leider nicht drin, wenn ich viel Verschiedenes hamstern möchte. Aber: Nebst Donuts verkauft das Standduo auch Zuckerstangen und Lutscher. Mit 4 Franken scheint mir die Zuckerstange einigermassen preiswert – ausserdem ist sie hübsch anzusehen und der optische Inbegriff einer Weihnachtssüssigkeit. 4 Franken und eine Zuckerstange wechseln den Besitzer. Das Eis ist gebrochen, die Schleusen geöffnet. Lasset den süssen Kaufrausch beginnen.

Restbudget: 16 Franken

Ein Macaron zur Einstimmung

Bei der Fressmeile, wo Momos, Älplermagronen und Wurstbrote um meine Gunst buhlen, gehe ich strammen Schrittes weiter. Einen Zwischenstopp reisse ich jedoch vor einem Häuschen ganz in der Nähe. «Vegane & glutenfreie Macarons – handgemacht in Luzern», heisst es hier auf einem Schild. Das französische Gebäck ist seit meinem ersten Luxemburgerli im Kindesalter ziemlich weit oben auf meiner Genussliste. 2.50 Franken kostet hier ein Stück.

Meine Wahl fällt auf die Weihnachtsedition mit Lebkuchengeschmack. Eine schmucke Transportschachtel gibt es dafür zwar nicht, dafür eine Serviette und ein Lächeln der Verkäuferin. Nach drei Mini-Bissen – man will schliesslich geniessen – ist das Gebäck Geschichte. Dass es eigentlich noch auf das Ausbeute-Gruppenfoto hätte kommen sollen, wird mir erst bewusst, als das Macaron bereits seinen Weg gen Magen angetreten hat.

Restbudget: 13.50 Franken

Dieses Macaron bewegte sich ausserhalb seines natürlichen Habitats. Und überlebte in der Folge nicht lange. (Bild: cbu)

Und nun zum Sport

Nebst den Holzkabäuschen gibt es vereinzelte Marktstände. Einen davon bevölkert eine Truppe junger Frauen. In der Auslage liegen verschiedene Kuchenstücke. Der Stand gehört zur U19-Mannschaft des FC Luzern, reime ich mir anhand des Schildes zusammen, das am Zeltdach hängt. Zwar interessiert mich Fussball ungefähr gleich stark wie das Paarungsverhalten der bolivianischen Waldtermite, aber Nachwuchsförderung ist wichtig. Und wie Jean-Jacques Rousseau schon sagte: «Sollen sie doch Kuchen essen.»

Nach dem eher deftigen Macaron dürstet mich jetzt nach etwas Fruchtigem. Also bestelle ich ein Stück Zitronenkuchen mit Glasur. 3.50 Franken später zottle ich mit dem Kuchen und dem wohligen Gewissen, etwas für den Jugendsport getan zu haben, davon. (Auch der Kuchen überlebt nicht lange. Er wird auf dem Gruppenfoto ebenfalls fehlen.)

Restbudget: 10 Franken

Gilt dank Zitrone schon fast als Salat: der Zitronenkuchen. (Bild: cbu)

Die kandierte Kirsche wars!

Halbzeit! Mit kandierten Früchten ist es so eine Sache. Die einen (ich) lieben sie, die anderen (der ganze grosse Rest) hassen sie wie Mückenstiche in der Kniekehle. Darum zieht mich auch ein Stand an, der Mandelgebäck verkauft. Das «Güpfi» der Makronen zieren nämlich blutrote und chemiegrüne kandierte Kirschen.

Konnte ich mich bei den T-Rex-Ballons noch zusammenreissen, ist spätestens hier der letzte Widerstand gebrochen. Damit ich das Budget nicht überstrapaziere, kaufe ich genau eine Makrone. Der Preis wird pro 100 Gramm berechnet. Mein Einzelstück beläuft sich auf 2.60 Franken.

Restbudget: 7.40 Franken

Ich folge dem Keksmann

Ich steuere auf einen Stand zu, der nach Dessert aussieht. Kekse in verschiedenen Formen und Farben. Sieht vielversprechend aus. Und wäre es auch – wenn ich vier Beine und einen Pelz hätte. Hier werden nämlich Hundekekse verkauft. Schöne Idee, meine Hündin hätte Freude daran, passt leider nicht in mein Konzept.

Nur wenige Schritte später begegnet mir ein junger Mann mit einem ulkigen Kekskostüm. Cookies aus Luzerner Manufaktur verspricht er mir. Ich schaue genau hin. Nein, das sind nicht die gleichen Cookies wie jene vom Hundestand. Um sicherzugehen, klaube ich ein Probierhäppchen vom Tablett. Ja, doch, passt. Mit 5.90 Franken pro Keks ist das Gebäck nicht gerade ein Schnäppchen, aber für lokales Handwerk lasse ich gerne was springen. Und weil es die Weihnachtsedition mit Lebkuchengeschmack ist, erst recht.

Restbudget: 1.50 Franken

What the Fudge?

Jetzt wird es spannend. An dieser Stelle könnte ich die Übung als beendet erklären und die 1.50 Franken einsacken. Aber das wäre zu leicht. Darum drehe ich noch eine Extrarunde – und lande beim Fudge-Stand. Hier liegen Degustierhäppchen bereit. Lasse ich mir natürlich nicht entgehen und nutze die Kaupause für etwas Mathematik. 100 Gramm Fudge kosten 6.90 Franken. In der Auslage liegen zahlreiche Geschmacksrichtungen in verschieden gross geschnittenen Stücken. Wenn ich ein Stück finde, das nach Augenmass ungefähr 21 Gramm leicht ist, komme ich preisverdächtig genau auf 0.

Ich suche das kleinstmögliche Stück, Geschmacksrichtung: egal, Hauptsache bunt, und lasse es wägen. Die Spannung steigt.

Spiel.

Satz.

Verzockt.

25 Gramm schwer ist das Stück. 1.75 Franken. 25 Rappen zu viel. Weil das hier aber keine Wurst-Käse-Theke ist, wo man noch ein Stück wegsäbeln lassen kann, entscheide ich mich fürs klassische «Es isch guet so», krame das fehlende Kleingeld aus meiner Hosentasche – quasi dem Sparkonto – und ziehe mit meinem Stück Fudge von dannen.

Die finale Ausbeute

Das abschliessende Ergebnis des wohl klebrigsten Zvieri seit der Erfindung des Sekundenleims sieht wie folgt aus:

Für 20 Franken bekam ich 6 Produkte zusammen. Insgesamt 3 Bonuspunkte gibt es für die Degustationshäppchen am Fudge-, Donut- und Cookie-Stand. Wie hoch die Zahnarztrechnung ausfallen wird, ist derzeit noch unklar. Ebenfalls, ob bis zum Ende des Weihnachtsmarktes nicht doch noch ein mit Helium gefüllter Tyrannosaurus an meinem Handgelenk schwebt.

Die Ausbeute für 20 Franken. Nicht (mehr) im Bild: der FCL-Kuchen und das vegane Macaron. (Bild: cbu)
Verwendete Quellen
  • Besuch bei «Rudolfs Weihnacht»
1 Kommentar
Apple Store IconGoogle Play Store Icon