Riesige Einbussen frustrieren Landwirte

Zuger Bauer: «Unsere Kartoffelernte war eine Katastrophe»

Was hier nach viel aussieht, ist eigentlich wenig: Die Kartoffeln litten heuer am Wetter. (Bild: zvg)

Das Kartoffeljahr war in der Schweiz dieses Jahr ein mieses. Das spürten auch die Landwirte im Kanton Zug stark. Ein Glück, dass sie nicht alle Karten auf «Härdöpfel» setzten.

Es klingt dramatisch: Die Schweiz verzeichnete heuer eine Einbusse von 30 Prozent bei der Kartoffelernte. Anstatt rund 350'000 Tonnen konnten dieses Jahr nur 250'000 Tonnen der Knolle geerntet werden, wie die «Schweiz am Sonntag» kürzlich schrieb. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 ernteten Schweizer Landwirte fast 500'000 Tonnen Kartoffeln.

Auch die Zuger Kartoffelproduzenten litten dieses Jahr zünftig. Roland Huber, Dozent und Berater beim landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Schluechthof in Cham, sagt gegenüber zentralplus: «Die Ernte bei uns war eine Katastrophe. Gleich erging es den Landwirtschaftsbetreibern in der Umgebung.»

Das Dilemma der Bauern

Das Problem: «Im Frühling war es sehr lange nass. Um jedoch Kartoffeln zu setzen, braucht man einen trockenen Boden.» Die Bauern seien vor einem Dilemma gestanden: «Entweder man wartete, bis der Regen aufhörte respektive man hoffte, dass er bald aufhören würde. Oder man setzte die Kartoffeln in die nasse Erde. Und das ist nie gut», sagt Huber. Tue man es trotzdem, würden die Knollen nicht die luftige Erde erhalten, die sie gemäss dem Experten eigentlich bräuchten, um zu gedeihen.

«Die Aussage, man erntet, wie man sät, trifft hier durchwegs zu», sagt Huber. Irgendwann hörte der Regen tatsächlich auf respektive, es kippte von einem Extrem ins andere. «Ab Anfang Juni wurde es aufgrund der Bise sehr schnell trocken. Kartoffelbauern mussten ihre Saat künstlich bewässern, um nicht noch mehr Einbussen zu riskieren.» Im Betrieb in der Chamau verfüge man über keine Bewässerungsanlage, weshalb der Ertrag vergleichsweise mickrig ausgefallen sei.

Bauern überlegen sich, mit dem Kartoffelanbau aufzuhören

Huber spricht von einer Tendenz, die sich in den letzten Jahren immer stärker gezeigt habe: «Die vergangenen paar Jahre waren nicht gut. Einige Betriebe in der Schweiz überlegen sich deshalb, mit dem Kartoffelanbau aufzuhören.» Das Problem jedoch sei, dass es auch die umgekehrte Situation gebe. «Dass nämlich der Frühling viel zu trocken ist. Überhaupt geht man davon aus, dass vermehrt mit langen Trockenphasen oder langen Regenphasen zu rechnen ist.»

«Die Kartoffel zu finden, die am besten zum aktuellen Klima passt, ist eine Herausforderung.»

Edgar Boog, Landwirt des «Buuregarte» in Hünenberg

Auch Edgar Boog aus Hünenberg baut neben vielen Gemüse- und Beerensorten Kartoffeln an. Er differenziert: «Es gibt die Frühkartoffeln, die wir bereits im Februar gesetzt und ab Mai geerntet haben. Die sind heuer gut gekommen.» Das Problem bei diesen zarten Produkten: «Ihre Schale ist nicht fest, daher sind sie nicht lagerfähig. Da wir direkt zum Markt fahren und mit Restaurants zusammenarbeiten, geht das gut. Im Handel sind die Frühkartoffeln schwieriger zu vermarkten», sagt Boog.

Die Kartoffel ist keine Freundin der Hitze

Beim normalen «Gummel» sehe es anders aus. Da zieht Boog eine ähnliche Bilanz wie Huber, und er erläutert zusätzlich: «Hohe Temperaturen über 30 Grad mag die Kartoffel gar nicht. Dann stellt sie quasi ihr Wachstum ein. Da nützt auch das Bewässerungssystem nichts, über das wir verfügen.» Mache das Wetter Kapriolen, tue es ihm die Kartoffel gleich: «Sie beginnt, Missförmigkeiten, wir nennen es Baabeli, zu bilden.» Diese würden es sehr schwierig machen, die Knollen zu rüsten.

Doch gebe es bei den Sorten diesbezüglich ziemliche Unterschiede. «Es gibt solche, die können die Hitze besser ertragen, beispielsweise die Laura. Je nach Sorte hatten wir heuer also teils Einbussen von 20 Prozent, dann wiederum auch von 50 Prozent. Die zu finden, die am besten zum aktuellen Klima passt, ist eine Herausforderung.»

Pilzkrankheiten hatten leichtes Spiel diesen Frühling

Der nasse Frühling machte auch anderen Produkten in Boogs «Buuregarte» zu schaffen. «Wenn man nichtgedeckte Kulturen hat und es lange nass ist, dann wird alles anfälliger für Pilzkrankheiten. Das beobachteten wir insbesondere bei den Beeren, aber auch beim Salat.» Das schöne Wetter im Sommer habe für Boog – trotz der schädlichen Hitze – auch seine Sonnenseiten gehabt. «Bei den Beeren haben wir Qualitäten erreicht, die ausserordentlich waren.»

Das sei besonders positiv, da gerade etwa Erdbeeren eine längerfristige Investition seien. «Man setzt sie im Sommer, um sie im nächsten Jahr zu ernten», sagt Edgar Boog. Der «Buuregarte» habe einen entscheidenden Vorteil. Hier werde sehr divers angebaut. Die Kartoffeln bildeten quasi kein Knollenrisiko.

«Diese Vielfalt benötigt einen grossen organisatorischen und arbeitstechnischen Aufwand und birgt einige Herausforderungen. Das funktioniert nur, weil die ganze Familie, auch die Jungen mit ihren Partnerinnen, mitzieht.»

«Dann produzieren wir halt nur so viele Pommes Chips wie möglich. Wenn es keine mehr gibt, dann ist das halt so.»

Daniel Rüttiman, Enikerhof

Ähnlich wie beim Buuregarte ist die Situation auch bei Daniel Rüttimann vom Enikerhof in Cham. Er produziert unter anderem Beeren und Gemüse sowie Obst. Die Kartoffelernte an sich empfindet er heuer zwar nicht als sonderlich schlecht. «Die Anzahl der Knollen am Stock war gut. Nur waren die einzelnen Kartoffeln zu klein.»

Den Umstand, dass die Schweiz nun mehr Kartoffeln importieren will, beäugt Rüttimann kritisch. «Dann importiert die Schweiz aus Deutschland. Weil es dort aber auch zu wenig Kartoffeln gibt, importiert man dort aus Polen. Das macht keinen Sinn.» Er fände es sinnvoller, wenn der Schweizer Markt schlicht weniger anbieten würde. «Dann produzieren wir halt nur so viele Pommes Chips wie möglich. Wenn es keine mehr gibt, dann ist das halt so.»

Nasser Frühling führte auch zu einer kleineren Apfelernte

Dass der Frühling besonders nass war, spürte er nicht nur bei den Kartoffeln, sondern auch bei der Apfelernte. «Lange Zeit konnten die Bienen im Frühjahr nicht fliegen. Entsprechend konnten die Blüten nicht bestäubt werden, weshalb letztlich der Ertrag nicht sonderlich gut war. Es ist eine Kettenreaktion.»

Dass die Obstlese bei wunderbarem Wetter stattfinden konnte, freue ihn zwar. Aber: «Wir werden sehen, ob das im nächsten Jahr ein Nachspiel haben wird.»

«Jedes Chriesi hat seinen eigenen Charakter. Das ist nicht anders wie bei den Menschen.»

Daniel Rüttimann, Landwirt auf dem Enikerhof in Cham

Rüttimann ist spezialisiert auf Pro Specie Rara, also seltene, beinahe vergessene Sorten. Diese produziert er primär für den Wochenmarkt und die Gastronomie. Sein Steckenpferd: Unterschiedliche, darunter auch alte Kirschsorten. «Jedes Chriesi hat seinen eigenen Charakter. Das ist nicht anders wie bei den Menschen. Das macht die Sache für mich interessant.»

Übrigens: Das gefährliche Pflanzenbakterium, das im Sommer auch auf einer Handvoll Zuger Höfen entdeckt wurde und insbesondere Nachtschattengewächse befiel, hatte keinen Einfluss auf die Ernte. Das Bakterium habe man dank sofortiger Massnahmen eindämmen können (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Telefongespräche mit Zuger Landwirten
  • Telefongespräch mit Roland Huber vom Schluechthof
  • Artikel von 2020 aus dem «Schweizer Bauer»
  • Artikel der «Zuger Zeitung» zur aktuellen Ernte
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