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Goldener Schlüssel statt Königsweg

Deshalb muss die Schweiz dem EU-Wirtschaftsraum beitreten

Ist der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) die Lösung aller Probleme? (Bild: Adobe Stock)

Seit der Bundesrat die Verhandlungen zu einem institutionellen Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen hat, ist die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge blockiert. Heute führt er die Schweiz immer weiter in eine Sackgasse. Für den Luzerner Nationalrat Roland Fischer ist es an der Zeit, Alternativen in Betracht zu ziehen.

Der europäische Binnenmarkt entwickelt sich rasant weiter, insbesondere auch aufgrund neuer Herausforderungen wie des Klimaschutzes oder der Digitalisierung. In der Vergangenheit wurde der bilaterale Weg auch schon als Königsweg bezeichnet. Die bilateralen Verträge vermögen es jedoch nicht, mit diesen Weiterentwicklungen Schritt zu halten.

Es wird deshalb Zeit, Alternativen zu prüfen, zum Beispiel den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Der EWR würde die Tür zum EU-Binnenmarkt für die Schweiz vollständig öffnen; er ist der goldene Schlüssel für die Schweiz in Europa.

Klimaneutrale Wirtschaft dank Zusammenarbeit mit EU

Betrachten wir den Klimaschutz. Vor einigen Monaten hat das EU-Parlament eine Ausweitung des CO₂-Emissionshandelssystems und die Einführung eines daran gekoppelten Grenzausgleichsmechanismus’ beschlossen. Im Emissionshandelssystem sind grosse Unternehmen in energieintensiven Branchen dazu verpflichtet, für ihre Treibhausgasemissionen Kohlenstoffzertifikate zu kaufen.

Für die gesamten Emissionen wird eine Obergrenze festgelegt, die sukzessive reduziert wird. Dadurch steigt der Preis der Zertifikate, wodurch die Unternehmen einen Anreiz haben, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Mit dem Grenzausgleichsmechanismus müssen auch Unternehmen, die in die EU importieren, Zertifikate erwerben. Damit wird verhindert, dass mit Importen Klimaschutzmassnahmen der EU unterlaufen werden.

Das Schweizer Emissionshandelssystem ist mit jenem der EU verknüpft. Es ist deshalb im Interesse der Schweizer Unternehmen, sowohl die Weiterentwicklung des Emissionshandels als auch des Grenzausgleichsmechanismus’ zu übernehmen. Ansonsten drohen Schweizer Unternehmen Wettbewerbsnachteile gegenüber Konkurrentinnen aus Drittländern.

Energiebinnenmarkt sorgt für Versorgungssicherheit und Netzstabilität

Als weiteres Beispiel kann die Stromversorgung genannt werden. Das Schweizer Stromnetz ist mit jenem der EU zusammengeschaltet. Die Schweiz ist jedoch nicht Teil des EU-Energiebinnenmarkts. Dieser wird immer weiter ausgebaut, so zum Beispiel im Bereich des grenzüberschreitenden Stromhandels. So müssen ab 2025 mindestens 70 % der grenzüberschreitenden Netzkapazitäten für den Stromhandel innerhalb der EU freigehalten werden.

Die Schweiz kann aufgrund eines fehlenden Stromabkommens mit der EU nicht am Energiebinnenmarkt teilnehmen. Auch ist sie von Marktplattformen ausgeschlossen. Der Ausbau des EU-Energiebinnenmarkts kann deshalb zu einer Zunahme von ungeplanten Stromflüssen durch die Schweiz führen, was die Netzstabilität beeinträchtigt und damit zu höheren Kosten und höheren Strompreisen führen kann. Die Schweiz hat deshalb ein sehr grosses Interesse daran, am Energiebinnenmarkt der EU teilzunehmen.

Weitere Beispiele sind der Digital Market Act und der Digital Service Act, zwei Regelwerke zur Regulierung von grossen Internetplattformen. Es ist aufgrund der geografischen Lage und der wirtschaftlichen und kulturellen Verknüpfung mit der EU absehbar, dass die Schweiz diese Regulierungen irgendwann übernehmen muss. Zu nennen ist auch die Lieferkettenrichtlinie im Bereich der Unternehmensverantwortung, welche in etwa den Inhalten der vom Volk zwar knapp angenommenen, von den Ständen jedoch abgelehnten Konzernverantwortungsinitiative entspricht. Grosse Schweizer Unternehmen, die in der EU ein Standbein haben, müssen die neuen Regeln einhalten. Es ist deshalb naheliegend, dass die Schweiz sie ebenfalls übernimmt.

Die Schweiz braucht einen europapolitischen Aufbruch

Die Beispiele zeigen die grosse Bedeutung des europäischen Binnenmarkts für die Schweiz. Der Bundesrat kommt jedoch mit seinen Sondierungsgesprächen mit der EU nicht vom Fleck. Die Schweiz braucht deshalb einen europapolitischen Aufbruch. Der EWR ist die naheliegende, langfristige Zusammenarbeitsform mit der EU.

Die EWR-Mitgliedschaft ist im Interesse der Schweiz, denn das EWR-Abkommen garantiert die volle Teilnahme am EU-Binnenmarkt, also am freien Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Im Gegenzug übernehmen die EFTA-Staaten im EWR, das sind heute Norwegen, Island und Liechtenstein, die Binnenmarktregeln der EU, wobei sie Mitwirkungsrechte haben. Der EWR umfasst auch weitere Politikbereiche, wie zum Beispiel die Teilnahme an den für unseren Forschungs- und Bildungsstandort ausserordentlich wichtigen Kooperationsabkommen «Horizon» und «Erasmus».

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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