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Rezeptfindung für originelles Bier

Künstliche Intelligenz hält auch beim Bierbrauen Einzug

V.l.n.r. Marc Bravin (Algorithmic Business Research Lab der Hochschule Luzern), Kevin Kuhn (Jaywalker Digital) und Adrian Minning (MN Brew) degustieren das frisch gebraute KI-Bier «Deeper». (Bild: zvg)

Die Schweiz ist, nebst Deutschland, das Biermekka schlechthin. Über 1100 Brauereien sind in der Schweiz registriert; gemessen an der Einwohnerzahl ein Weltrekord. Die hiesige Brauereiszene ist nicht nur sehr vielfältig, sondern auch besonders innovativ und experimentierfreudig, wie sich nun wieder einmal gezeigt hat. Kürzlich konnten Mitglieder eines interdisziplinären Forschungsteams in Luzern mit «Deeper» anstossen, dem schweizweit ersten von einer Künstlichen Intelligenz (KI) kreierten Bier.

Das hopfenlastige Indian Pale Ale mit Zitrusnote ist das Produkt eines gemeinsamen Forschungsprojekts der Hochschule Luzern, der Rothenburger Mikrobrauerei MNBrew und des Luzerner Softwareunternehmens Jaywalker Digital. «Bei Künstlicher Intelligenz denken die Leute oft an hyperintelligente Roboter, riesige Datenmengen und selbstfahrende Autos», sagt Initiant und Jaywalker-Mitinhaber Kevin Kuhn. «Wir aber wollten beweisen, dass sie uns bei kreativen Prozessen unterstützen und sogar etwas Neues schaffen kann – wie eben ein Bier.»

157’000 Rezepte auf Muster durchsucht

Als digitale Braumeisterin beim Projekt fungierte eine KI namens «Brauer AI» (ausgesprochen als Brauerei). Entwickelt hat sie das Algorithmic Business Research Lab, eine auf KI-Anwendungen spezialisierte Forschungsgruppe des Departements Informatik der Hochschule Luzern.

Die Vorschläge der «Brauer AI» basieren auf einer Datenbank mit 157’000 internationalen Bierrezepten. Mithilfe sogenannter neuronaler Netze sucht die KI in diesen Rezepturen nach Mustern und leitet daraus ihre eigenen Kreationen ab.

«Für Brauereien ist es angesichts Hunderttausender Rezepte enorm schwierig, den Überblick zu behalten», erklärt Marc Bravin, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Lab. «‹Brauer AI› kann sich diesen Überblick nicht nur viel schneller verschaffen als ein Mensch, sondern auch Vorschläge liefern für ein wirklich noch nie dagewesenes Bier.»  

Dazu muss zuerst der Bierstil festgelegt werden – Indian Pale Ale, Weizen, Amber etc. Diesen gibt entweder ein Mensch vor oder die KI wählt ihn zufällig. Aufgrund des Stils schlägt «Brauer AI» dann eine Liste von Malzsorten und deren Anteil am Sud vor. Als Nächstes folgen Vorschläge für passende Hopfensorten und deren Kochzeiten.

Architektur der Brauintelligenz

Der «Brauer AI» stehen 315 Malz- und 1648 Hopfensorten zur Verfügung. Die Bierrezepte in ihrem Datensatz enthalten durchschnittlich vier Malz- und drei Hopfensorten. Das Programm hat also lernen müssen, welche Arten von Malz und Hopfen kombinierbar sind. Nur so hat sie ein Rezept für ein Bier generieren können, das braubar ist und gut schmeckt.

Das neuronale Netzwerk, welches die Bierinnovatoren für ihre «Brauer AI» trainiert haben, hat seinen Ursprung in der Verarbeitung von Text. Es ist ein sogenanntes Transformernetzwerk. Solche Netzwerke können sich punktgenau an bereits generierte Sequenzen, in unserem Fall Rezeptzutaten, erinnern. Nach wenigen Stunden begann die KI, Muster, die sich in den Bierrezepten wiederholten, zu erkennen.

Indem das Programm alle Rezepte verinnerlichte, konnte es neue und fast tankfertige Rezepte generieren. Die Generierung eines Rezepts ist dabei streng hierarchisch aufgebaut (vgl. bitte Abb. 2).

Grafik, die zeigt, wie die «Bierbrauer AI» funktioniert. (Bild: zVg)

Es folgen auch Vorschläge für passende Hopfensorten und deren Kochzeiten. Um die Hopfenaromen besser zur Geltung zu bringen, kann nach dem eigentlichen Brauprozess nochmals Hopfen hinzugegeben werden. Dies wird als «Dry Hopping» bezeichnet. Daher wird vom Netzwerk nach den Empfehlungen für Malz und Hopfen zusätzlich eine Liste von «Dry Hops» vorgeschlagen.

Dann werden, falls nötig, weitere geschmackgebende oder den Brauprozess beeinflussende Zutaten vorgeschlagen. Nun hat man ein komplettes Rezept. Zu guter Letzt gibt die «Brauer AI» dem Bier noch einen Namen.

«Die besten Ergebnisse erzielen Mensch und Maschine gemeinsam»

Jedes KI-generierte Rezept wird vor dem Brauvorgang von einem menschlichen Braumeister mit seinem Fachwissen auf Tauglichkeit überprüft und wo nötig angepasst. Denn: «Das originellste Bier der Welt ist nichts wert, wenn es niemand trinken möchte», sagt Adrian Minnig, der Brauexperte von MNBrew. «Deeper» dürfte seiner Einschätzung nach aber auf breiten Anklang stossen. «Sehr spannend und sehr fruchtig», so Minnigs Fazit.

Der Brauer sieht die KI als Chance, neue und spannende Kombinationen zu testen, auf die er von alleine nicht gekommen wäre. «Der Schweizer Biermarkt ist sehr dynamisch», sagt Minnig. «Eine KI als Inspirationsquelle bietet uns einen willkommenen Innovationsvorsprung.» Auch Kevin Kuhn von Jaywalker Digital und KI-Forscher Marc Bravin betonen, dass es nicht darum gehe, mit «Brauer AI» den Menschen aus dem Brauprozess auszuschliessen. Im Gegenteil: «Die besten Ergebnisse erzielen Mensch und Maschine gemeinsam.»

Das KI-Endprodukt. (Bild: zvg)

Künstliche Intelligenz an der Hochschule Luzern

KI ist ein Schwerpunkt an der Hochschule Luzern: Im Bereich Ausbildung bietet das Departement Informatik den Bachelor-Studiengang Artificial Intelligence & Machine Learning an, im Bereich Weiterbildung den CAS Artificial Intelligence.

Zudem unterstützt eine spezialisierte Forschungsgruppe – das Algorithmic Business Research Lab – Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung KI-basierter Anwendungen wie zum Beispiel der «Brauer AI». Das Team arbeitet aber auch an KI für den medizinischen Bereich, die Hautkrankheiten erkennen, und er hat gemeinsam mit der Universität Fribourg eine Künstliche Intelligenz entwickelt, welche die Routen der Müllabfuhr optimiert.

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Im Fokus stehen Unternehmer und Entwickler. Autor Lars Rominger aus Menzingen, selbst ein Erfinder, Wissenschaftler und Fachbuchautor, zeigt die Menschen hinter einer Idee und stellt spannende Projekte vor.
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