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Eine der grössten Herausforderungen von Teenagern

Was willst du werden, wenn du gross bist?

(Bild: Adobe Stock)

Kaum eine Frage wird einem Kind so oft gestellt wie diese. Und das exakt ab dem Zeitpunkt, an dem es in die Oberstufe kommt. Dabei sollte die Frage eigentlich anders lauten.

Seit letztem Sommer besucht das grosse Frölein die Oberstufe. Einige Hürden hat sie dazu gemeistert. Zum Beispiel den Wechsel von einem kleinen Aussenschulhaus zu einem grossen Schulhaus mit verschiedenen Trakten. Auch von einem kleinen Lehrerteam zu 14 verschiedenen Fachlehrerinnen. Die anfängliche Sorge, im letzten Moment mit dem letzten Material im letzten Schulzimmer zu stehen, wich recht schnell. Dass bereits ab Tag eins neue Freundschaften entstanden sind und dass diese bis heute halten, lässt uns demütig und dankbar zurück.

Auf dem Weg der Berufsfindung

Mit dem Eintritt in die Oberstufe beginnt das schrittweise Herantasten an die Berufsfindung. Klassenlehrer nehmen uns Eltern mit auf den Weg und im Schulunterricht wird mit den Schülern darauf hingearbeitet. Kaum eine Frage wird meinem Kind so oft gestellt wie diese: «Was willst du werden, wenn du gross bist?» Am Anfang hat diese Frage unsere Tochter komplett überfordert. Sie, die erstmals mit dem Eingewöhnen in der Oberstufe beschäftigt ist.

Ebenso mit ihrem Körper. Wie wäre es, wenn wir anstatt «Was willst du werden?» «Wie willst du werden?» fragen? Denn sie ist ja schon. Wäre es nicht spannend zu erfahren, was für Mensch sie werden will, statt sie zu lehren, sich über den Beruf zu definieren? Wie sie sein will im Erwachsenenleben? Welche Werte ihr wichtig ist? Was ihr im Leben wichtig ist?

Wie werde ich in 20 Jahren sein?

Im Fach WAH (Wirtschaft, Arbeit, Haushalt) erhielten die Schüler die Aufgabe, einen Text darüber zu schreiben, wie sie in 20 Jahren leben werden. Darüber, mit wem sie wo wohnen werden und wie ihr ungefährer Tagesablauf sein wird. Ich fand diese Aufgabe enorm spannend und bereichernd. Dementsprechend fragte ich nach, ob ich den Text vom grossen Frölein lesen dürfe. Ihre Vorstellung von ihrem Leben berührte mich sehr. Auch las ich zwischen den Zeilen etwas Kritik an uns Eltern. So schrieb sie, dass sie die Erwerbs- und Care-Arbeit 50:50 mit dem Partner teilen wolle. Zum Verständnis: Mein Partner arbeitet 80 Prozent auswärts und ich 40 Prozent.

Auch die Zeilen darüber, wie und wo sie wohnen oder dass sie sich nebenbei noch freiwillig engagieren wird, berührten mich sehr. Ebenfalls war ihr klar, dass nebst dem Erwerbsleben noch genügend Zeit für ihr jetziges Hobby bleiben sollte. Sie schrieb auch, wie sie Beziehungen zu ihren Freundinnen und ihrer Schwester pflegen will. Wir als Eltern kamen darin nicht vor. Ich denke, dies ist der ganz natürliche Prozess des Abnabelns.

Wenn ich an meine Berufsfindung zurückdenke, so macht sich vor allem ein Gefühl breit: Das Gefühl, überfordert zu sein. Ich hatte keine Ahnung, was ich wohl lernen würde. So entschied ich mich für ein Jahr Aufenthalt in der Romandie, kam zurück und wusste noch immer nicht viel mehr. Dass ich mich dann für eine Lehre als Pharmaassistentin entschied, war eher dem Zufall geschuldet. Mir half der Gedanke, dass ich einen Beruf nicht bis zur Pension ausüben müsse. Exakt so kam es dann auch. Über Umwegen studierte ich noch Sozialpädagogik und hatte schon diverse Arbeitsstellen.

Berufsfindung in der jetzigen Zeit

Mir ist es wichtig, Wünsche und Träume ernst zu nehmen. Diese nicht schon zu werten und abzutun. Denn: Was weiss ich denn schon? Es gibt über 250 verschiedene Berufe. Also nicht nur die von Herrn Limacher und mir und sämtlichen Menschen aus Familie und Freundeskreis. Es gibt so viel mehr und die Welt steht den Jugendlichen offen. Berufsbilder ändern sich stetig. Mit 13 Jahren schon eine klare Vorstellung zu haben, in welche Richtung es gehen soll, ist schon enorm früh.

Sich nicht über einen Beruf zu definieren. Einen, der möglichst schnell viel Geld abwirft und erfolgreich macht. Das könnte ein Wert sein. Denn es ist völlig egal, ob das Frölein Modedesignerin, Serviceangestellte oder Theaterdekorateurin wird. Entscheidend ist nur, wie sie es macht. Im besten Fall lustvoll, sinnstiftend und zufrieden.

Mir fällt auf, wie gut sich Jugendliche selbst einschätzen können. Sie sind es sich gewohnt, immer wieder ihre Ressourcen und auch Schwachstellen realistisch einzuschätzen. Die Frage nach «Muss man dazu die Matura haben?» kommt oft. Dank des dualen Bildungssystems bleiben auch später alle Türe offen. Ganz egal, welche Wahl die Jugendlichen mit ihren noch so jungen 15 Jahren dann treffen, sie können später immer noch die Richtung ändern.

Die Rolle von uns Eltern dabei

Was wir tun können? Präsent sein, für sie da sein, nachfragen, unterstützen und auch Telefongespräche üben. Früher mussten wir ständig irgendwo anrufen, ohne zu wissen, wer am Apparat sein wird. Ihr wisst schon, diese Zeit der Festnetzanschlüsse in Form von schwarzen Wandtelefonen im Wohnzimmer, während im Hintergrund gerade «Wetten, dass …?» über den Röhrenbildschirm flimmerte. Heute geschieht Kommunikation hauptsächlich digital. Meist schreibend, «snapend» oder per Sprachnachricht. Dennoch braucht es noch einen richtigen Telefonanruf, um für eine Schnupperlehre anzufragen. Das erfordert Mut.

Zudem probieren wir mit der nötigen Gelassenheit und Geduld die Zeit der Berufsfindung zu begleiten. Drei Dinge fallen mir dazu ein:

  1. Es ist grösstenteils nicht mehr die Zeit, in dem man einen Beruf wählt und diesen dann bis zur Pension ausübt.
  2. Ein Zwischenjahr ist nie verlorene Zeit. Vielmehr bietet es die Möglichkeit, etwas auszuprobieren, zu reifen und mehr Zeit für die Entscheidung zu haben.
  3. Die Generation, die nun heranwächst, ist stark gefragt. Es gibt genügend Lehrstellen für alle. Klar, nicht in jedem Bereich. Aber die Chancen stehen besser, als bei uns damals.

In diesem Sinne: «Ohmmmmm», es kommt gut!

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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