Eltern
Blog
Spielplatz der Freiheit

Unordnung ist das halbe Leben – zumindest für Emil

Bloss Duplos reichen Emil nicht – er mag ein Durcheinander an Spielsachen. (Bild: Symbolbild: Pixabay)

Ordnung ist das halbe Leben, sagen manche Menschen. Konsequenterweise wäre dann wohl die andere Hälfte Unordnung, Chaos und Durcheinander. So zumindest versteht das unser Emil im Alter von 17 Monaten.

Ich muss das offen und ehrlich zugeben: Mit der Ordnung hab ich es nicht immer so genau genommen. Nicht alles hat seinen Platz. Und das ist ganz gut so.

Dennoch fühle ich mich wohl, wenn ich ab und zu die Dinge im Flur, auf dem Bett, in den Regalen und auf den Tischen neu arrangiere. «Aufräumen» nannte das meine Mutter. Zwar finde ich den Ausdruck noch immer etwas spiessig. Der Prozess wurde aber im Laufe meines Lebens immer wichtiger – auch auf psychischer Ebene, um gleichzeitig die Dinge in meinem Kopf neu zu ordnen.

Ordnung schaffen heisst auch, erwachsen zu werden

Ich muss sagen, dass ich die Ordnung seit meiner Kindheit immer besser in den Griff bekommen habe. Spätestens seit Anfang dreissig sogar auf dem Niveau, dass ich mich einigermassen erwachsen fühle.

Dann kam Emil. Seit er Dinge greifen kann, ist er strikt der Meinung, dass diese Dinge nicht da bleiben sollen, wo sie gerade sind. Das fing alles ganz harmlos mit kleinen Sachen an – dem Nuschi auf dem Bett oder der Rassel auf dem Boden.

Inzwischen ist er aber wesentlich stärker und mobiler geworden. Er läuft, kann Schränke öffnen und vermag es, auf den Tisch zu greifen. Das hat für uns als Eltern zweierlei Konsequenzen. Einerseits bewegen sich zerbrechliche und gefährliche Gegenstände innerhalb der Wohnung immer weiter nach oben. Andererseits findet sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist, an Orten wieder, wo es definitiv nicht unserem Sinn von Ordnung entspricht.

Besonders hartnäckig ist er bei seinen Spielsachen. Bloss Duplos sind für ihn gar nicht so spannend. Er braucht mindestens noch Autos, Holzbauklötze und die Brio-Bahn, damit es richtig Spass macht.

Unordnung als Spiel

Mein Plan, immer nur mit einem Spielzeug zu spielen, dieses dann wegzuräumen, um erst dann das Nächste zu holen, findet er gar nicht gut. Und wenn ich während des Spiels beginne, einen Teil des Bodens von irgendwelchen schmerzhaften Fussbettquetschern zu befreien, so läuft er hinterher. Nur um genau die Teile wieder aus der Kiste zu nehmen, die ich da gerade verstaut habe.

Das fühlt sich dann irgendwie wie ein Spiel an. Eines, das aber keinem von uns beiden wirklich Spass macht. Wenn ich energischer werde, wird er das auch. Wenn ich schneller werde als er, kippt er halt die ganze Kiste auf einmal wieder um.

Die Freude am Chaos

Die einzige Lösung, die mir in solchen Situationen hilft, ist es, Ruhe zu bewahren und das Chaos mit ihm zusammen zu geniessen. Sprich: Wir räumen alles, was er will, auf den Fussboden und spielen damit. Wir bauen Tunnel aus alten Kartons, fahren mit den Autos über die Schienen, setzen Züge aus Traktoren und Lastwagen zusammen und erfreuen uns daran, dass Unordnung so viel Freiheit mit sich bringt.

Das geht manchmal mehrere Stunden so, meist ist er dann müde und will schlafen. Konsequenz davon: Papa räumt alleine auf. Immer häufiger landen wir aber zusammen an dem Punkt, an dem wir uns vor lauter Chaos kaum noch auf dem Boden bewegen können. Emil rutscht auf seinen Büchern aus und stolpert über alle Spielsachen. Er kann dem Ball nicht mehr hinterherrennen und die Autos rollen auch nicht mehr so weit, wie er es will.

Wir lernen voneinander

Dann passiert etwas Magisches: Wie verändert kommt er zu mir – entweder mit den Schienen der Bahn oder einer Kiste in der Hand – und signalisiert mir, dass für ihn zu viel Zeug auf dem Boden liegt. Dann können wir zusammen Ordnung schaffen. Nicht ganz so viel, wie ich möchte. Aber genug, um wieder Platz für etwas Neues zu haben.

So zeigt mir Emil, dass ich nach dreissig vielleicht etwas zu spiessig geworden bin und dass Unordnung Freiheit und Spass bedeutet. Genauso lernt er aber auch, dass das nur bis zu einem gewissen Grad stimmt. Und dass Unordnung eben auch nur das halbe Leben ist.

Eltern
Blog
Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon