Eltern
Blog
Wie ein Baby einen auf Trab hält

Durchschlafen? Das kenne ich nur noch aus meiner Erinnerung

Oh, wie ich ihn vermissen, den Schlaf. (Symbolbild). (Bild: Adobe Stock)

Dass Schlaf wichtig ist, wissen wir alle. Wie wertvoll er aber wirklich ist, habe ich erst herausgefunden, nachdem ich Mama geworden bin.

So viele Gedanken schiessen mir durch den Kopf. Keiner davon ist vollständig. Sie flitzen durch mein Hirn und sind so schnell wieder weg, fliessen einfach aus mir raus, sodass ich keinen davon greifen kann. Auch diese Zeilen zu schreiben, dauert gefühlt ewig, muss ich doch bei jedem Wort überlegen, wie es buchstabiert wird.

Ob der Text überhaupt Sinn ergibt? Ich bin mir nicht sicher.

Habe ich mein Fahrrad abgeschlossen? Das weiss ich auch nicht mehr.

Wie bin ich überhaupt zum Bahnhof gekommen?

Hab ich die Türe abgeschlossen zu Hause?

Keine Ahnung.

Nein, ich bin nicht dement

All diese Fragen sind nicht Teil einer sich anbahnenden Demenz, auch mein schleichendes Schwangerschaftshirn hat sich schon längst wieder einigermassen erholt. Es ist die Müdigkeit. Diese bleischwere Müdigkeit, die mein Hirn bei jeder kleinsten Denkpause sofort einschlafen und mich all meine Bewegungen im Zeitlupentempo ausführen lässt. Slowmotion. Unsere Nächte sind gerade nicht einfach. Man könnte sie auch als Horror bezeichnen. Slow dieing sozusagen. Oder einfach no sleeping. Mein Schlaf fehlt mir. So sehr.

Meine Tochter war nie eine gute Schläferin. Es zeichnete sich in der allerersten Nacht schon ab. Gerade mal ein paar Stunden alt, war dieses kleine Wesen von dieser Welt total überfordert, das kann ich ihr auch wirklich nicht verübeln, und schlief kaum. Sie weinte stattdessen. Bitterlich. Ach, es brach mir das Herz. Dieses kleine, heulende Ding, das keinen Schlaf finden konnte. In den nächsten Monaten wurde es kaum besser. Es war streng für alle: Baby, Papa, Mama.

Die Kunst, ein Baby zum Einschlafen zu bringen

Einschlafen dauerte ewig, wenn es dann überhaupt funktionierte. Und der Schlaf war immer federleicht, wurde durch das leiseste Geräusch und die kleinste Bewegung gestört und so fing das Einschlafprozedere wieder von vorne an. Dieses beinhaltete Lieder, schaukeln in der Trage, Geschichten erzählen, stundenlanges Am-Fenster-Stehen, singen und Geduld.

Wenn dann die kleinen Äuglein endlich zugefallen waren, dann kam der Point of no return: das Ablegen. Erst der Räuspertest. Einmal leise räuspern und bei der allfälligen Bewegung der Augenlider sofort wieder in den Schaukelmodus wechseln. War dieser Punkt geschafft, das Kindchen langsam vom Körper lösen und möglichst ohne Bewegung ablegen. Die Hand nicht gleich wegnehmen, auch wenn die Achsel, beim Bettrand eingeklemmt, höllisch schmerzt. Und dann, die Königinnendisziplin: das Zimmer verlassen, die Türe schliessen, ohne ein Geräusch zu machen.

Alle zwei Stunden gehts von vorne los

Ja, ihr lacht jetzt vielleicht. Kann ich verstehen, in all diesen Nächten war es aber eher zum Heulen, sage ich euch. Versteht mich nicht falsch, natürlich hab ich jede Sekunde mit meinem Schätzchen genossen. Jede. Aber immer wieder dieser ganze Aufwand und trotzdem wachte sie alle zwei Stunden auf. Wir waren uns so nah, aber dass unsere Nähe immer gebraucht wurde, war auch streng und machte uns müder und müder.

Vor allem die Nähe von Papa war in den ersten Monaten gefragt, meine Anwesenheit war, sobald es dunkel wurde, meistens nicht mehr wirklich erwünscht. Das schmerzte zusätzlich. Und schlafen konnte ich auch nicht, hörte ich doch jeden Schrei.

Irgendwann haben wir alle Rituale und Einschlafhilfen aufgegeben und liessen sie einfach die ganze Nacht auf unseren Bäuchen schlafen. Dann wachte sie immerhin nur alle drei Stunden auf und schlief schneller wieder ein.

Sieben Nächte im Himmel

Ja, es war streng. Ich weiss echt nicht, wie ich es in diesen Monaten geschafft habe, nebenbei noch zu arbeiten und überhaupt zu überleben. Diese ständige Müdigkeit!

Und wie es so ist mit allen schwierigen Phasen der Kindheit, wurde es dann doch besser. Als sie etwa zwei war (ja, dieser müde Zustand dauerte fast zwei Jahre. Mitleidsbekundungen gerne per Mail) wurde es besser. Das Einschlafen dauerte immer noch, aber wenn sie schlief, dann wachte sie in ihrem eigenen Bett nur noch einmal auf, schlich zu uns ins grosse Bett und schlief weiter.

Einmal hat sie sogar durchgeschlafen. Sieben Nächte nacheinander. Wir waren im Himmel! Es war, als würde sie uns zeigen, wie es sein könnte, denn dann, nach sieben Nächten war es wieder vorbei. Wir wissen wirklich bis heute nicht, was da anders gewesen ist.

Nach einer traumhaften Schlafwoche waren die nächtlichen Wanderungen ins Elternbett also wieder zurück. Aber damit hatten wir uns ja längst abgefunden und ich fand es auch sehr schön, wenn sie sich in der Nacht an mich kuschelte und dann selig weiterschlief. Mein Schlafmanko verkleinerte sich und mein Hirn erholte sich endlich wieder. Geschafft, dachte ich.

Auch das teuerste Bett hilft nichts

Vor einigen Wochen änderte sich aber alles wieder schlagartig. Diese verdammten Backenzähne! Die Zahnschmerzen wurden Nacht für Nacht stärker, die nächtliche Entspannung kleiner und kleiner, die Tiefschlafphase zur kleinen Insel im stürmischen Meer. Auch das neue, grössere und horrend teure Bett rettete uns nicht.

Letzte Nacht dann der Tiefpunkt: Das arme Kind, geplagt von Zahnschmerzen und Aphten im Mund, schrie länger, als es schlief. Und mein mühsam aufgebautes Guthaben auf dem Schlafkonto? Aufgebraucht.

Und so sitze ich nun wirklich einfach todmüde im Zug auf dem Weg zur Arbeit und schreibe diesen wohl eher unnützen Text und bemitleide mich selbst. Wie ich den heutigen Tag schaffen soll, ist mir schleierhaft. Das Einzige, was mich gerade noch über Wasser hält, bevor ich im Tal der Tränen ersaufe, ist das Wissen, dass ich solche Tage schon mehrfach überlebt habe. Auf einen mehr kommts ja wohl nicht an.

Und es hilft, dass der perfekte Superpapa Luca Hänni auch Augenringe hat und sein Baby ist dann noch erst ein paar Tage alt. Ja, das sehen auch alle, wenn man alles immer auf Instagram posten muss. Und nein, ich folge Luca Hänni nicht, aber dieser blöde Algorithmus macht, was er will, und mir sind seine Augenringe aufgefallen.

Okay, ich schweife ab, mein Hirn schläft wieder. Es ist wohl besser, diesen Text jetzt zu beenden. Nur noch dies: Wenn mir heute jemand erzählt «mein Kind schläft schon seit der ersten Nacht durch», kann ich wirklich für nichts garantieren.

Eltern
Blog
Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon