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Ferien ohne ständige Erreichbarkeit

Digitale Balance: Ein Erfahrungsbericht aus Italien 

Auch ohne Smartphone können Ferien schön sein. (Bild: Adobe Stock)

Unser Sommerurlaub wurde zu einem persönlichen Experiment: weniger und bewusstere Smartphonenutzung. Das haben ich und meine Familie dabei gelernt.

Am Anfang meiner Karriere arbeitete ich in einer innovativen Distillerie im Hinterland. Als ich den Jahresabschluss erstellt hatte, durfte ich diesen mit dem Inhaber, einem Herrn mittleren Alters, besprechen. Er hatte immer unglaublich viele Informationen im Kopf; für mich war er eine bewundernswerte Führungsperson.  

Als wir so dasassen, fragte er viele Details zu den Finanzkennzahlen, und ich war immer am Blättern: «Wie hoch ist unsere Marge? Wie hoch der Gewinn?» Als er mich da so sah, im Gewühl meiner A4-Blätter, fragte er mich, wieso ich die Zahlen denn nicht alle auswendig wisse, ich hätte ja soeben erst diesen Jahresabschluss erstellt. 

Verdutzt schaute ich ihn an und erinnere mich noch sehr gut an meine Antwort: «Digitale Demenz nennt sich das. Ich kann mir gar nicht mehr alle Informationen merken, die ich täglich verarbeite, und so löscht mein Hirn die unnötigen Informationen, weil es weiss, dass ich das jederzeit nachsehen kann.» 

Ich war schon früh in der digitalen Welt unterwegs

Dieser Job war für mich ein Startschuss in die Arbeit mit digitalen Tools, die mich in der täglichen Arbeit und später auch in der Organisation mit der Familie unterstützt haben. Während meiner Berufskarriere habe ich mich viel mit digitalen Tools auseinandergesetzt, und so ist meine Digitalzeit kontinuierlich angestiegen.  

Ich hatte schon früh ein Profil auf Facebook, LinkedIn oder Instagram, und auch von Whatsapp war ich von Anfang an begeistert. Als unsere Kinder mit dem TV beziehungsweise den digitalen Medien in Kontakt kamen, musste ich mich bewusst mit meiner eigenen Bildschirmzeit auseinandersetzen. 

Ich habe einige Bücher zu dieser Thematik gelesen und mich schliesslich dazu entschieden, ein Widget für meine Bildschirmzeit auf der Startseite meines Smartphones zu installieren, damit ich sehen kann, wie viel Zeit ich täglich am Smartphone verbringe. Auch ein Timer für meine Social-Media-Apps hat sich als sehr hilfreich herausgestellt, da ich sonst stundenlang auf Instagram scrollen würde. Benachrichtigungen von Apps oder Websites sind bei mir auf aus. 

Auch als Familie nutzen wir die Vorteile von digitalen Tools, sei es beim Heranführen der Kinder an den digitalen Medienkonsum mit Berechtigungs-Apps oder beim Teilen unseres Familienkalenders, damit alle selbständig checken können, welche Termine anstehen. 

Und plötzlich mussten wir wieder altmodisch planen

Szenenwechsel: Der Sommer 2024 war in Reichweite, unsere Italien-Ferien standen bevor und so auch die Ungewissheit, wie das mit dem WLAN in unserem Hotel klappen würde. Unsere Mobileabos beinhalten kein Roaming im Ausland, und so war es für uns klar, dass es irgendwie ohne mobile Daten klappen musste. 

Im ersten Moment, als mein Mann und ich diese Thematik mit den Kindern diskutierten, wurde mir wieder einmal bewusst, wie häufig mein Smartphone nicht nur Zeitvertreib, sondern auch ein Tool für die Informationsbeschaffung war: Wo hat es Stau in Italien? Wo ist die nächste Raststätte? Schnell eine Nachricht an eine Freundin senden. Wo genau ist der Weg zum Hotel?

Und so mussten wir die Vorbereitung der Autofahrt eher so gestalten, wie das früher, vor der Zeit des Smartphones, üblich war. Sich vorgängig mit dem Anfahrtsweg befassen und spontan nach einer Raststätte Ausschau halten und damit leben können, dass man mal ein paar Stunden keine Nachrichten senden kann.

Nebenbei fasste ich den Entschluss, dass dies eine gute Gelegenheit wäre, das Smartphone in meiner Freizeit wieder vermehrt zur Seite zu legen, nicht direkt jede Frage zu googeln und mich am Strand meinen analogen Büchern zu widmen. 

Eine wertvolle Erfahrung

Die Hinfahrt klappte wunderbar. Das WLAN im Hotel war völlig ausreichend, und auch die Kids waren genauso selten am Smartphone. Da wir seit vielen Jahren nicht mehr am Meer waren, wunderte ich mich, dass viele Leute den ganzen Tag auf dem Liegestuhl liegend kaum vom Smartphone aufschauten, gar nicht sahen, welch wunderschöne Muscheln am Strand lagen oder wie hoch die Wellen waren. 

Rückblickend war dies eine wertvolle Erfahrung. Ich nehme diese Learnings mit in den Alltag, um wieder bewusster und achtsamer im Umgang mit meinem Smartphone zu sein. 

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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