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Geburt ist erst der Anfang

Die lebenslangen Sorgen einer Mutter

Die Sorgen kommen und gehen, aber ganz weg sind sie nie. (Bild: Kristina Paukshtite)

Ich dachte immer, wenn mein Kind zur Welt kommt, hören die Sorgen auf. Ich war ja so naiv.

Ich bin bei der Arbeit. Das grosse Frölein hat mit der Schule ein Unihockey-Turnier. Ich freue mich für sie, weiss, dass sie bestens gerüstet ist. Sie hatte etliche Trainings, das Unihockey-Haarband des kleinen Fröleins ist eingepackt und Herr Limacher hat ihr ein Lunchböxli nach ihren Wünschen hergerichtet. Ich denke einige Stunden nicht mehr daran, fokussiere mich auf die Arbeit. Da klingelt mein Smartphone. Auf dem Display steht in gefühlt riesigen Buchstaben Kantonsspital Wolhusen.

Und schon geht das Kopfkino los: Ich sehe herausstehende Knochen, blutig-klaffende Wunden, ein weinendes Kind und ein Turnlehrer in Trainerhose daneben kniend. Die Person am Telefon jedoch fragt nach der Fallnummer meines Unfalls, bei dem ich mir vor sechs Wochen den Zeh gebrochen hatte. Mir dämmert langsam, dass sie den Namen meiner Tochter in keinster Weise erwähnt hat. Sie weiss wohl nicht einmal, dass es sie gibt. Jesses, das ist ein so gutes Zeichen. Trotzdem brauche ich einen Moment, um meinen Puls wieder in den Normbereich zu bringen.

Sorgen und Ängste als ständige Begleiter

Ich dachte immer, dass ich mir einfach bis zur Geburt Sorgen machen werde. Wenn diese überstanden ist und das Kind und ich wohlauf sind, ist alles gut. Wie naiv ich damals war. Ich wurde an diesem Tag auch als Mutter geboren, damals vor zwölf Jahren. Die richtigen Sorgen fingen da erst an. Zu Beginn etwa «Atmet das Kind im Schlaf?», später dann «Wie schmerzhaft ist Zähnekriegen?». Und es ging immer so weiter:

  • der erste Sturz und mit ihm die erste Beule am Kopf
  • das Suchen des Kindes auf dem Spielplatz – wo es doch gerade noch friedvoll im Sandkasten sass
  • der Schulweg direkt an der Hauptstrasse entlang

Die Sorgen kommen und gehen, aber ganz weg sind sie nie.

Das gilt auch für unser gemeinsames Gottikind, das uns grad vom Ausgang erzählt. Sie fährt alleine mit dem Nachtstern nach Hause. Herr Limacher fragt besorgt: «Hast du jeweils einen Pfefferspray dabei?» Ich übe mich währenddessen im Atmen – tief in den Bauch atmen – und vertraue darauf, dass sie Gefahren gut einschätzen kann. Auch das Wissen, dass unsere Fröleins noch etwas Zeit haben, bis sie alleine vom Ausgang nach Hause fahren, beruhigt mich. Und wenn es dann doch so weit ist, können sie von den Erfahrungen ihrer Cousine profitieren.

Wie können wir Eltern unsere Ängste abbauen?

Mir als Mutter bleibt oftmals nur die Frage, was in dieser Situation in meiner Verantwortung ist und was nicht. Ich versuche Kontrolle abzugeben und zu vertrauen. Darauf, dass es gut kommt. Mich nicht verrückt zu machen. Wichtig ist mir, dass ich da bin, wenn sie mich brauchen. Ich möchte ihnen das Gefühl geben, dass sie jederzeit zu mir kommen können, egal, was ist.

Und wenn doch etwas Schlimmeres passiert? Mit dieser Angst müssen wir Eltern wohl leben. Ich meine sogar, wir haben die Pflicht, an dieser Angst zu arbeiten. Und sie nicht übermächtig werden zu lassen. Denn nein, das Böse lauert nicht überall. Und der Worst Case ist auch nicht der Normalfall. Wir brauchen keine Handys mit Ortungsfunktion, sondern vor allem mehr Vertrauen und Zuversicht, dass die Dinge auch gut ausgehen. Oftmals frage ich meine Freundin oder Schwester um Rat – beide haben immerhin je vier Kinder und trotzdem weniger Sorgenfalten als ich.

Die Angst ist manchmal derart tief in unserer Rolle als Mutter verankert, dass sie zu einem ständigen Begleiter werden kann. Dabei kann ich sie oft nicht richtig greifen: Es sind weniger einzelne Situationen, sondern das Gesamtpaket an Sorgen, die allgegenwärtig sind.

Wurzeln und Flügel

Es ist oft auch die Sorge davor, meine beiden Töchter nicht ausreichend begleiten zu können, damit sie mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gut umgehen können. Dass sie nicht gerüstet sind für alles, was kommt. Hier fühle ich mich als Mutter verwundbar. Diese Mischung aus Schuldgefühlen und Unzulänglichkeit. Sorge und Angst muss jedoch nicht zwingend negativ sein. Sie können ein sinnvolles Warnsystem für uns sein. Aus der Sorge können Reflexionen, Veränderungen, Schutz und Selbstermächtigung entstehen. Doch kann ich auch die Sorgen etwas loslassen, die ich mir um sie mache? Oder bleibt das ein Leben lang?

Es ist ein Balanceakt, den wir Mütter ein Leben lang bewältigen. Wir hoffen, dass unsere Kinder starke Wurzeln haben, um den Sturm des Lebens zu überstehen. Wir wünschen Ihnen aber auch starke Flügel, die sie befähigen, abzuheben und loszufliegen.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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