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Wenn es anders kommt als erhofft

Die Erwartungen, die ich an mich selbst als Mama habe

Als Mama nimmt man sich viel vor und setzt sich so auch gerne selbst unter Druck. (Bild: Adobe Stock)

Unerfüllte Erwartungen sorgen für Enttäuschungen. Das muss man auch erst mal lernen. So auch ich. Und die Erwartungen an mich selbst als Mama überraschen mich immer wieder. Eine kleine Entdeckungsreise.

Meine Freundin ist mit ihrer Familie auf Reisen, am anderen Ende der Welt. Strand, Abenteuer und Kulturschock. Ich vermisse sie. Obwohl wir uns sonst auch nicht ständig sehen, der Zeit wegen, fehlt sie mir jetzt. Zum Glück leben wir im Zeitalter der Sprachnachrichten und durch gesprochene Geschichten kann man doch eine gewisse Nähe herbeizaubern, finde ich. In ihrer letzten Nachricht hat sie von verschiedenen Erwartungen an ihre Reise erzählt und wie solche, ungleiche, aufeinandertreffen können. Sehr spannend.

Ich bin hier in Luzern und alles andere als auf einer Reise. Die Schule hat wieder begonnen und mein Alltag bewegt sich schon wieder wie im Hamsterrad. Es läuft rund, aber immer etwa gleich. Trotzdem hat mich die Sprachnachricht über die Erwartungen nachdenklich gemacht und ich bin ein bisschen eingetaucht in meine eigenen und bin da auf so einiges gestossen. Am Ende sogar auf einen kleinen Lernerfolg meinerseits.

Hohe Erwartungen an mich selbst

Bei mir ist es so: Ich habe recht hohe Erwartungen an mich selbst. Beruflich zum Beispiel. Ich unterrichte nun in meinem 13. Jahr auf der Unterstufe. Ich weiss, was ich den Kindern beibringen soll. Ich kann ad hoc unterrichten und den Plan aus dem Stegreif ändern, null Problemo. Meine Unterrichtsplanung ist trotzdem so haargenau, die könnte ich wahrscheinlich verkaufen.

Obwohl ich meistens trotzdem etwas wieder über den Haufen schmeisse, ist alles bis zu den Herbstferien minutiös geplant. Verrückt, oder? Ich kann nicht mal genau erklären, warum ich das immer mache, aber es entspricht einfach meiner Erwartung. Diese selbstverschuldete Erwartung verursacht mitunter schon Stress, bevor ich überhaupt mit Planen begonnen habe.

Ich hab auch Erwartungen an mich als Mama. Ziemlich grosse. Ich möchte zum Beispiel nicht schimpfen, nicht laut werden und immer auf Augenhöhe verhandeln. Mein Kind soll verstehen, was ein bestimmtes Verhalten für Gefühle auslösen kann und nicht einfach nur Regeln und Konsequenzen erfahren.

Aber hey, bei allem Verständnis und bei aller Geduld: Ich schaff's einfach nicht. Und werde auch mal laut. Und kämpfe nachher tagelang mit dem schlechten Gewissen. Und dem Gefühl der Enttäuschung. Wie dumm. Dass der Heilpädagoge in der Schule mir dazu sagt, ich sei einfach auch nur ein Mensch, hilft zwar, aber leider nur kurzfristig. Die Erwartung an mich hatte ich eben anderweitig gesteckt.

Und dann gebe ich doch etwas nach

Weiteres Beispiel. Mein Kind kriegt null Komma null Bildschirmzeit. Bis vier. Kein Handy, kein gar nichts. Das war mein fixer Plan. Und jetzt? Wir sind da wirklich sehr konsequent. Kein bewegtes Bild, keine Gutenachtgeschichte im TV, auch kein Schweizmatch während der EM. Aber sie darf ab und zu ein Foto anschauen und selten sogar eine Sprachnachricht schicken. Mit drei. Also null Komma eins vielleicht. Und mein Resümee? Erwartungen nicht erfüllt. Lockergelassen und zu schnell nachgegeben. Schlecht.

Nächster Zukunftsglaube: Nachhaltige Kleider und Spielsachen. Ausnahmslos. Bio, öko und und und. Aus der Schweiz. Schön, edel und umweltfreundlich. Ja, so hat's begonnen, aber irgendwann war unser Konto eher leer als voll und H&M macht ja auch noch easy schöne Kleider. Herrje, so war das doch nicht gedacht!

Bio-Rüebli und frische Äpfel vom Bauernhof und SICHER keine Quetschies. Denkste.

Erwartungen nicht erfüllt. Nein, gar nicht. Nein, nein, nein.

Was ich daraus gelernt habe

Bevor diese Liste der Enttäuschung noch länger wird und mich all diese Unzulänglichkeiten in eine Depression stürzen lassen, ist es definitiv Zeit, mein Lieblingsheilmittel anzuwenden. Reframing.

So vieles, was ich nicht erwartet hatte, läuft doch auch einfach wunderbar. Mein Kind kann sich so gut in Bücher vertiefen, interessiert sich schon für Buchstaben und spricht wirklich supergut. Trotz den drei Minuten «Bildschirmzeit» pro Woche. Lesesozialisation check. Sie wächst und spielt und ist gesund, auch ohne Bioäpfel. Dafür gibts ordentlich Soulfoodpasta und ein glückliches Kind. Und die Kleider sucht sie sich am liebsten sowieso selbst aus. Hoch lebe die Eigenständigkeit.

Was ich am Ende meines unerwarteten Exkurses erkannt habe, ist folgendes: Sind die Erwartungen nicht allzu hoch, vor allem an sich selbst, kann man auch nicht allzu tief fallen. Sind sie es dennoch, auch halb so wild, solange man die unerfüllte Erwartung mit etwas anderem füllt. Es ist doch schlussendlich alles eine Reise im Leben, da weiss man eben nie so genau, was kommt. Als Mama oder Lehrerin oder auf einer Insel im Meer. Und wow, mein Abschluss wurde jetzt poetischer als erwartet.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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