«Damals»
Blog
«D Pfulledorferi», eine verhasste Burgherrin

Wie eine Zuger Adlige grausam zu Tode kam

Das älteste Gebäude der Stadt Zug: die Burg Zug. (Bild: Maria Greco)

Einst lebte in der Zuger Burg eine Adlige, die sich so versündigte, dass sie am Ende mit einem grausamen Tod bestraft wurde – so die Sage. Doch steckt womöglich ein Körnchen Wahrheit in dieser Geschichte?

Die Burg Zug wurde ungefähr im 9. Jahrhundert erbaut und ist das älteste Gebäude in der Stadt Zug. Wer für den Bau verantwortlich war, ist nicht überliefert. Die Zuger Burg hatte über die vielen Jahrhunderte sicher manche speziellen Bewohnerinnen und Bewohner. Sie wurde von den Grafen von Kyburg und Lenzburg bewohnt. Vor der Schlacht am Morgarten verbrachte Herzog Leopold I. seine letzte Nacht auf der Burg. Später war die Burg ein repräsentativer Wohnsitz zahlreicher namhafter Zuger Familien und hat verschiedene bauliche Veränderungen erfahren.

Bei so vielen unterschiedlichen Bewohnern sticht eine Geschichte aus der Zuger Sagensammlung heraus. Die Sage handelt von der Frau auf der Zuger Burg, die durch ihr ausschweifendes Leben auffiel:

«D Pfulledorferi»

Eine Zeit lang hat eine adlige Frau, die aus einer alten Grafenfamilie, den Pfullendorfern, stammt, auf der Burg gewohnt. Die Frau hatte unwahrscheinlich viel Vermögen, weil ihr sehr viel Land gehörte. Die Leute nannten diese Jungfer nur «D Pfulledorferi». Im Kanton Zürich gehörten ihr viele Ländereien, und ihr Wein stammte von den Reben am Zürichsee. Hafer, Gerste und Gemüse kamen aus Maschwanden im Freiamt und aus dem Säuliamt, wo ihr ebenfalls viel Land gehörte.

«D Pfulledorferi» (Bild: Brigitt Andermatt)

Man erzählte sich, dass die Bauern mit Ross und Wagen, die ihr der Zehnt oder den Zins bringen mussten, bis zur St.-Nikolaus-Kapelle bei Cham angestanden seien. Dieses Weibsbild war nicht nur habgierig, sondern auch garstig, und sie war bei den Zugern wohl mehr verhasst als geliebt. Sie war hochmütig und stets unzufrieden. Trieb es mit Männern, ass und trank, dass es einem grauste. Kurz: Sie hat ständig gesündigt.

Gutes Essen und guter Wein waren ihr wichtig. Aus dem See bevorzugte sie nur die Leber der Trüsche. Sie liebte edles Wild und Geflügel, und nur erlesene Kostbarkeiten kamen auf den Tisch. Sie war über alle Massen überheblich, und nichts war ihr gut genug. Was sie bekommen hat, gab sie doppelt wieder aus. Sie lebte dermassen verschwenderisch, dass alsbald ihr ganzes Vermögen aufgebraucht war. Sie bat die Herren in Zürich um die Aufnahme in einem Spital. Auf ihre Bitte ist man nicht eingegangen, weil sie so tyrannisch und unersättlich war.

Historischer Hintergrund ist nicht gegeben

So wurde sie von der ganzen Welt zum Gespött und verstarb verhungert, von Ungeziefer zerfressen, zerlumpt und dreckig. In Sagen finden sich manchmal Angaben, die tatsächlich mit historischen Begebenheiten in Verbindung gebracht werden können. In Pfullendorf jedoch, einem Städtchen am Bodensee, gibt es keine Hinweise über eine adlige Frau, die in Zug gelebt haben soll.

Das ist in einem Artikel, der vom Journalisten Andreas Faessler verfasst wurde, zu entnehmen. Er ging der Geschichte auf den Grund und hat in Pfullendorf nachgeforscht. So erweist sich die Geschichte als gänzlich erfunden. Wie die Sage nach Zug gefunden hat und mit der Stadt verknüpft wurde, bleibt ein Rätsel.

Ein interessanter Aspekt der Geschichte ist jedoch, dass sie genau die Laster der Menschen beschreibt, die in der christlich-katholischen Lehre als schlechte Eigenschaften, als Laster oder Sünden bezeichnet werden. Wer ein lasterhaftes Leben führt und dermassen viele Verfehlungen begeht, wird seiner gerechten Strafe nicht entgehen können. Nur durch das Busssakrament, der Beichte und der vollkommenen Reue kann man der Höllenstrafe entgehen.

Diese negativen Charaktereigenschaften, die umgangssprachlich auch als «Todsünden» bezeichnet werden, sind:

  • Hochmut (Superbia)
  • Geiz (Avaritia)
  • Wollust (Luxuria)
  • Zorn (Ira)
  • Völlerei (Gula)
  • Neid (Invidia)
  • Faulheit (Acedia)

Die Pfullendorferin vereint also zahlreiche dieser Laster in ihrer Person. Die Geschichte hat daher einen durchaus belehrenden Aspekt: Wer ein dermassen lasterhaftes Leben führt, wird für seine schlechten Eigenschaften seine gerechte Strafe erhalten.

Verwendete Quellen

«Damals»
Blog
Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon