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Auswirkungen bis in die heutige Zeit

Das hat die Schlacht am Morgarten mit Narren zu tun

Der Legor symbolisiert den Hofnarren Hans Kuony von Stocken, der im Dienste des Habsburger Herzogs Leopold stand. (Bild: Daniel Staub)

Narren sorgten einst für Unterhaltung an königlichen Höfen. Sie standen in der Gunst der jeweiligen Herrscher. Doch dem Rat eines bestimmten Narren wurde in Zug vor Jahrhunderten keine Beachtung geschenkt. Ein Fehler, der die Oberägerer Fasnachtskultur noch heute prägt.

Die Geschichte vom «Narren von Stockach» spielt in der Zeit, als der Kanton Zug und weite Teile der deutschsprachigen Schweiz, mit Ausnahme der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden, Habsburgergebiet waren. Es gibt verschiedene Sagen zur Schlacht am Morgarten. Doch die Erzählung vom Narren von Stockach hatte weitreichende Auswirkungen, bis in die heutige Zeit.

So kommt es, dass Oberägeri und Stockach am Bodensee eine fasnächtliche Verbindung mit historischen Wurzeln haben. Die Geschichte enthält viele historisch belegbare Fakten und mit fantastischen Ausschmückungen bekommt sie einen Wirklichkeitsanspruch. 

Ein Narr im Kriegsrat

Im Spätherbst des Jahres 1315 zog der österreichische Herzog Leopold I. nach Zug, um sein Heer zu bilden und über Morgarten nach Schwyz zu ziehen. Zu dieser Zeit wohnte der Herzog auf der Burg Zug. Am Vorabend der Schlacht kamen die vornehmen Habsburger Ritter in der Zuger Burg zusammen. Der Herzog wollte mit seinen Verbündeten die Schlachtpläne nochmals anschauen und die Strategie und Art des Angriffs auf die Schwyzer mit ihnen besprechen.

Wie schon auf dem Stein in Baden war auch hier in Zug sein Hofnarr Kuony von Stocken im Kriegsrat dabei. Nach der Besprechung waren alle ein bisschen übermütig und zeigten sich recht siegessicher. Jemand aus den versammelten Anwesenden fragte den Hofnarren, mehr im Spass, nach seiner Meinung zu dieser Schlacht und was er davon halte.  

Der Hofnarr, der das Treiben der Anwesenden die ganze Zeit genau beobachtet hatte, gab zur Antwort: «Ihr beratet und schaut euch eure Pläne an, wie ihr in das Land Schwyz kommt. Aber keiner von euch hier Anwesenden hat sich überlegt, wie ihr denn aus dem Land dieser Wilden wieder rauskommt. Darum ist euer Rat nicht gut!» Die versammelten Kriegsräte hielten sich die Bäuche vor Lachen. Sie hielten diese Aussage für einen gelungenen Scherz des Hofnarren.

Hier auf der Zuger Burg traf sich Herzog Leopold I. mit seinen Verbündeten vor der Schlacht am Morgarten.
Hier auf der Zuger Burg traf sich Herzog Leopold I. mit seinen Verbündeten vor der Schlacht am Morgarten. (Bild: Maria Greco)

Ein eigenes Narrengericht

Der Hofnarr sollte recht behalten. Der österreichische Herzog geriet mit seinem Heer in Morgarten beim Schornen in einen Hinterhalt und wurde von den Eidgenossen geschlagen. Viele Krieger konnten flüchten, andere fanden in den Sümpfen und im Ägerisee ihr nasses Grab. Der Herzog, der diese Schlacht überlebte, erinnerte sich an die weisen Worte seines Narren.

Ein paar Jahre später machte er ihm als Lohn für seinen Rat ein besonderes Geschenk. Er errichtete ihm in seiner Heimatstadt Stockach am Bodensee sein eigenes Narrengericht. Dieses Gericht hat sich bis zum heutigen Tag erhalten. Während der Fasnachtszeit richtet das «Hohe Grobgünstige Narrengericht zu Stockach» über die Bürger, sollten sie gegen Sitte und Anstand verstossen.

Unmut in der Bevölkerung

In Stockach, so ist es überliefert, besteht dieses «Grobgünstige Narrengericht» seit 1351. Die Missetaten des damals kleinen Bürgers wurden schonungslos öffentlich angeprangert. Das Narrengericht fand nicht immer Anklang, weder beim Volk noch bei der Obrigkeit und oftmals schon gar nicht bei den Angeprangerten selbst.

So wurde es im Laufe der Zeit immer wieder verboten oder ausgesetzt, wenn die viel gepriesene Narrenfreiheit ausuferte. Dennoch hat sich dieser Brauch erhalten und etabliert. Heute sind es vor allem hochrangige Politiker, die sich vor dem Narrengericht verantworten müssen. In diesem Jahr ist es der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

In Oberägeri die Legoren

Der Legor mit seiner Narrenkappe und den Legoren (leg-Ohren, hängende, liegende Ohren) tut dies als Pendant in Oberägeri. Als Grind aufgehängt über dem Dorfplatz grinst der Legor auf die Bewohnerinnen und Bewohner runter. Will man den Aufzeichnungen des Oberägerer Pfarrers Luthiger (1809–1906) Glauben schenken, so wurde hier bereits im 18. Jahrhundert Fasnacht gefeiert. Die Legorengesellschaft wurde 1924 von Alois Meier (Schmied), Edy Iten (Coiffeurmeister) und Karl Iten (Senn) gegründet. Dieses Jahr feiert die Legorengesellschaft ihr 100-Jahr-Jubiläum.

Heute verkörpert derjenige Legorenrat, der mit der Aufgabe des Spielleiters vertraut ist, die Figur Hans Kuonys von Stocken. Seit 2023 wird dieses Amt von Legorenrat Andy Iten ausgeführt. Der Spielleiter trägt ein gelb-rotes Kostüm und hebt sich damit von seinen Kollegen aus dem Legorenrat ab. Im Bühnenspiel werden jeweils in Versform die über das Jahr gesammelten Missetaten der Bürgerinnen und Bürger vorgetragen.

Der Narr in der Geschichte

Die Symbole und Attribute des klassischen Narren sind seine Kappe, an deren Seite zwei lange Ohren mit Schellen hängen und einem längs geteilten, zweifarbigen Kostüm, einem sogenannten Mi-parti. Der Hofnarr sorgte im Mittelalter in erster Linie für Unterhaltung. Manchmal trägt er einen Spiegel in der Hand, als Zeichen für seine Selbstverliebtheit. Zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert kam mit dieser Bildhaftigkeit auch die Vanitas zum Ausdruck: die Vergänglichkeit.

Dadurch war die Rolle des Narren negativ behaftet. Die Sündhaftigkeit, das Laster und wegen seiner Gottesferne wurde ihm die Nähe zum Teufel und der Vergänglichkeit, dem Tod, nahegelegt. Der Narr ist eine Figur, die keinen festen Platz in der ständischen Ordnung hat, ist keinerlei Normen verpflichtet und fällt in seiner menschlichen Gegebenheit aus dem System.

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