Achtung bei der Studienwahl

Absolventen ohne Kaderlohn? Kantonsrat bittet zur Kasse

Müssen Absolventen von Studiengängen, die sich finanziell nicht auszahlen, bald Geld rückerstatten? Der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss (SVP) sieht keinen Handlungsbedarf. (Bild: Unsplash/@siora18/zvg)

Wer nach dem Studium keinen Job mit hohem Lohn hat, soll die Ausbildungskosten nachträglich selbst zahlen. So zumindest die Idee zweier Bildungsökonomen, die FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp in einer Interpellation aufgreift. Erste Reaktionen zeigen: Die Idee polarisiert.

Immer mehr junge Luzernerinnen entscheiden sich für ein Studium (zentralplus berichtete). Zugleich zeichnet sich in vielen Branchen ein Fachkräftemangel ab. Diese Entwicklung ist dem FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp ein Dorn im Auge. Erst kürzlich monierte er die hohe Gymnasiums-Quote in Luzern (zentralplus berichtete). Mittels Interpellation stellt er nun eine Reform der Hochschul- und Universitäts-Bildung in den Raum.

Konkret bezieht er sich dabei auf eine vorgeschlagene Reform zweier Bildungsökonomen in der «NZZ». Diese unterbreiten eine Idee zur Bekämpfung der sinkenden Bildungsrendite. Dabei sprechen sie das «Finanzierungsmodell» an Schweizer Universitäten und Hochschulen an.

Studienkosten im fünfstelligen Bereich

Bezogen auf die Kosten kommen Studenten hierzulande glimpflich davon: In Luzern zahlt eine Bachelor-Studentin pro Semester 810 Franken an Studiengebühren. Hinzu kommen allenfalls noch Anmeldegebühren.

Damit sind jedoch längst nicht alle Kosten des Studiums gedeckt. Ein Studium der Sozialwissenschaften in Luzern schlägt gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik mit rund 13'000 bis 22'000 Franken zu Buche. Zum Vergleich: Ein Studium in den USA kostet gut und gerne zwischen 38'000 und 52'000 Franken – pro Jahr.

In der Schweiz übernehmen Bund und Kantone einen grossen Teil der Ausbildungskosten, durchschnittlich zu je 41 Prozent. Dieser «Vorschuss» durch die Allgemeinheit rentiert sich deshalb, weil Personen mit Universitätsabschluss später in Jobs mit höherem Einkommen arbeiten. Und deshalb mehr Steuern zahlen. So zumindest der Gedanke.

«Es braucht meiner Meinung nach ganz klar ebenso eine Belastung älterer Generationen, die bis anhin keine alternativen Schritte gegen all diese Entwicklungen unternommen haben.»

Noel Baumann, Vorstandspräsident der Studierendenorganisation der Universität Luzern

Wie die beiden Bildungsökonomen nun vorrechnen, gerät dieser «Gesellschaftsvertrag» ins Wanken. So zum Beispiel durch längere Erwerbsunterbrüche oder die sich immer stärker ausbreitende Teilzeitarbeit. «Schon bei Teilzeitpensen von unter 70 Prozent bezahlen tertiär gebildete Personen trotz höherer Löhne im Vergleich zu Personen ohne tertiäre Ausbildung nicht mehr genug zusätzliche Steuern, um die von der Gesellschaft vorgeschossenen Ausbildungskosten zu decken», beanstanden die Ökonomen.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, schlagen sie die Einführung «nachgelagerter Studiengebühren» vor. Absolventen, die nach dem Studium ihre Ausbildung nicht per Steuern «zurückbezahlen», werden die Ausbildungskosten künftig in Rechnung gestellt. Und damit zukünftige Studentinnen einen informierten Entscheid treffen, sollte ein Pflichtfach «Berufswahl» auch an den Gymnasien eingeführt werden.

Gaudenz Zemp will Daten zu Studien-Rentabilität

Mit diesem Vorschlag liebäugelt nun FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp. Mittels Interpellation will er vom Luzerner Regierungsrat Fakten, auf denen eine allfällige Diskussion zur Einführung basieren könnten. So zum Beispiel zu den Durchschnitts-Pensen von Universitätsabgängern oder der Effektivität des Berufswahlprozesses im Gymnasium.

Und wie teuer ein Studium in Kommunikationswissenschaften ist – das sowohl er als auch die Autorin dieses Artikels absolviert hat. Basierend auf diesen Fakten könne man anschliessend darüber diskutieren, ob und welche Studenten künftig ihr Studium selbst zahlen sollen.

Sein Vorschlag kommt nicht nur gut an. Mitte-Kantonsrat Adrian Nussbaum nennt die Idee per Twitter «Bürokratiemonster». Grüne-Nationalrat Michael Töngi bezeichnet den Vorschlag als «die totale Vermarktwirtschaftlichung unserer Ausbildung.»

Die Kritik, dass damit die Wahlfreiheit junger Luzernerinnen beschnitten wird, lässt Zemp jedoch nicht gelten. Gegenüber «CH Media» hält er fest: «Es kann ja jede und jeder weiterhin selbst bestimmen, ob eine praktische oder akademische Laufbahn eingeschlagen wird.»

Weiter räumt er gegenüber der «NZZ» ein, dass die Idee zwar für Betroffene wie auch Politik «undankbar» sei. «Für die Betroffenen und die Politik ist es natürlich schöner, wenn man Geld für die Unterstützung von Studierenden ausgeben kann.» Jedoch ist gerade die Hinterfragung von Vorgängen im Bildungswesen quasi sein Steckenpferd, wie die Zeitung aufführt.

Studium selbst zahlen? Ältere Generationen aber auch

Auch andere verfolgen die Idee durchaus mit zustimmendem Interesse. So beispielsweise der Vorstandspräsident der Studierendenorganisation der Universität Luzern Noel Baumann. Er erachte die Forderung, dass Studenten mit der Zeit stärker für ihre verursachten Bildungskosten selbst aufkommen sollen, durchaus als legitim. Bevor sich diese Idee jedoch als Lösung für das Problem durchsetze, gelte es, vertiefte Nachforschungen zu alternativen Wegen zu prüfen.

Denn: Im vorliegenden Vorschlag seien noch zu viele Fragen offen. So zum Beispiel, was passiere, wenn eine Absolventin künftig in einem anderen Kanton oder Land arbeite. Oder wie man mit Erwerbslücken wegen Arbeitslosigkeit oder Babypausen umgehe.

Zudem fügt Baumann an, dass bei nachgelagerten Studiengebühren nicht nur gegenwärtige Studentinnen in die Pflicht genommen werden sollten. «Es braucht meiner Meinung nach ganz klar ebenso eine Belastung älterer Generationen, die bis anhin keine alternativen Schritte gegen all diese Entwicklungen unternommen haben.»

Die Einführung eines obligatorischen Schulfaches «Studien- und Berufswahlkunde» für Gymnasiasten unterstützt Baumann. Seiner Meinung nach seien viele Maturi tatsächlich unzureichend auf ihre Studien- oder Berufsentscheidung und deren Konsequenzen informiert.

Zuger Bildungsdirektor sieht keinen Handlungsbedarf

Etwas anders sieht es hingegen im Luzerner Nachbarkanton aus: Wie der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss (SVP) auf Anfrage schreibt, sei er sehr auf die Antworten der Luzerner Regierungskollegen gespannt. Die finanziellen Anreize sollen zu «grösstmöglicher Effizienz hinführen». Dabei sieht der Bildungsdirektor einige positive Auswirkungen wie weniger Studienabbrüche oder kürzere Studiendauer.

Den Kostenanstieg erklärt sich Schleiss mit der generellen Zunahme der Anzahl Studenten. Dabei sei jedoch zu beachten – wie die Ökonomen auch selbst schreiben – dass das Wachstum der Abschlüsse «weitestgehend einem Bedürfnis des Arbeitsmarkts» entsprechen. Dementsprechend sei der Konsens hoch, dass sich die Investitionen in die Bildung junger Menschen für die Allgemeinheit lohnen.

Persönlich schätze er jedoch die Bildungsrendite als nach wie vor robust ein. Finanzielle und berufliche Aussichten spielen bereits heute im Studienwahlprozess eine wichtige Rolle. Zudem erwerben Hochschul- und Universitätsabsolventinnen auch Kompetenzen, «die für die Wirtschaft nicht immer direkt erkennbar sind».

Deshalb sehe er in Zug auch keinen Bedarf für die Einführung eines spezifischen Fachs für die Studien- oder Berufswahl. Bereits jetzt gebe es in Zuger Gymnasien viele Möglichkeiten, eine Übersicht zur Berufs- oder Studienwahl zu erhalten. So beispielsweise einen obligatorischen BIZ-Besuch, ein obligatorisches dreiwöchiges Praktikum sowie zwei Studienwahlworkshops.

Verwendete Quellen
  • Studiengebühren an der Universität Luzern
  • Bundesamt für Statistik: Finanzen der universitären Hochschulen 2020
  • Reformidee von Stefan C. Wolter und Conny Wunsch in der «NZZ» (24. Dezember 2021)
  • Interpellation Gaudenz Zemp
  • Artikel der «Luzerner Zeitung» vom 3. Februar
  • Artikel der «NZZ» am 8. Februar
  • Mail-Verkehr mit Noel Baumann, Vorstandspräsident der Studierendenorganisation der Universität Luzern
  • Mail-Verkehr mit Stephan Schleiss, Bildungsdirektor des Kantons Zug
  • Artikel von «EF» (Unternehmen für Sprachaufenthalte) zu Studiengebühren im Ausland (2018)
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