Metalli, Seeufer und Co.

So gut nutzt Zug freistehende Zwischenräume

Der Basketballplatz bei der Schützenmatt in Zug ist laut Experten ein gelungenes Beispiel für einen städtischen Zwischenraum. (Bild: wia/ zvg)

Bewohnbare Freiräume sind gemäss Fachpersonen wichtig. Denn der Mensch fühle sich deutlich wohler, wenn auch die Umgebung ausserhalb der eigenen Wohnung stimmig sei. Auch in Zug lassen sich gelungene – und weniger gelungene – Beispiele finden.

In welchen Aussenräumen in deinem Quartier, deiner Stadt, fühlst du dich wohl? Ist deine Stube wirklich nur in deiner Wohnung zu finden, oder gibt es einen Platz ausserhalb, den du fast genau so lauschig findest und wo du Zeit verbringst?

Die Luzerner Architektin und Professorin Angelika Juppien forscht im Bereich der Wohn- und Stadtentwicklung. Im letzten Jahr publizierte sie zusammen mit Richard Zemp das Buch «Atlas des Dazwischenwohnens – Wohnbedürfnissse jenseits der Türschwelle». Bei der Generalversammlung des Bauforums Zug spricht sie am Donnerstag über ebendiese Zwischenräume. Die Autorin sagt dazu gegenüber zentralplus, das Thema sei schon älter: «Bereits in den 70er-Jahren hat man dem Raum zwischen den Gebäuden viel Beachtung geschenkt.»

Wohnqualität hängt nicht nur von eigenen vier Wänden ab

Dennoch hätten Zwischenräume mittlerweile zusätzlich an Relevanz gewonnen. «Heute sprechen wir immer mehr über Verdichtung. Wir müssen lernen, haushälterisch mit der begrenzten Ressource Boden umzugehen. Da ist man schnell auch beim Thema Zwischenraum angelangt.»

Juppien sagt: «Eine unserer wichtigsten Erkenntnisse in der Auseinandersetzung mit diesem Thema war es, dass die Wohnqualität klar nicht allein von den eigenen vier Wänden abhängt, sondern eben auch von solchen wohnungsergänzenden Zwischenräumen.»

Zum Beispiel? Ein Vorplatz, auf dem ein Mieter sein Velo flicken kann. Eine Wiese, die sowohl zum Tschutten als auch fürs Familienpicknick geeignet ist. Eine Wäscheleine, die sich in einem Innenhof zwischen Gebäuden erstreckt und an warmen Sommertagen dicht behängt Feriengefühle wecken kann. Bänke, auf denen Senioren tagsüber lesen und Jugendliche abends kiffen (oder umgekehrt). Gut besuchte Sommer-Buvetten.

Die Buvette in Zug ist sicher ein Beispiel für einen gut genutzten Zwischenraum. (Bild: wia)

Auf Entdeckungsreise zum Parkbänkli

«In den eigenen vier Wänden fühlen wir uns zwar zuhause. Doch ist man dort in dauernden Routinen verstrickt. Manchmal ist es darum schön, aus diesen auszubrechen und sich auf eine kleine Entdeckungsreise zu begeben», formuliert es die Autorin.

Ein fixfertiges Rezept, was einen guten Zwischenraum ausmacht, liefern die Autorinnen bewusst nicht. Vielmehr schicken sie die Bevölkerung auf die Suche. Nur soviel: «Um Räume, die vermeintlich niemandem gehören, zu bewohnen, bedarf es einer gewissen Grosszügigkeit und Spielregeln.» Dies, um Konflikte und Konkurrenzsituationen offen anzugehen und das Dazwischen für möglichst viele attraktiv und zugänglich zu machen.

«In Zwischenräumen muss man sich sozial einigen und Interessen aushandeln. Das ist der grosse Unterschied zum privaten Raum. Dort kann man meist schalten und walten, wie man will.»

Gewisse Freiräume bedürfen offenbar klarer Regeln. (Bild: wia)

Damit eine harmonische Nutzung klappe, brauche es teils (Spiel-)Regeln. «Es gibt Räume, die sehr gut funktionieren, wenn Verwaltungen klare Richtlinien vorgeben. Andere entfalten sich gut, wenn sich Bewohnende selber engagieren und absprechen. Wieder andere brauchen gar einen Siedlungscoach.»

«Das Denken in Parzellengrenzen dürfte ruhig etwas in den Hintergrund gelangen.»

Angelika Juppien, Architektur-Professorin, Hochschule Luzern

Sie sagt abschliessend: «Gerade weil wir heute mehr Druck auf den Raum ausüben, lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie man Räume mit Eigenschaften und vielfältigen Atmosphären schaffen kann.» Dazu gehöre auch eine neue Sichtweise. «Das Denken in Parzellengrenzen, in Privates und Öffentliches, dürfte dabei ruhig etwas in den Hintergrund gelangen.» Wichtig ist Juppien, dass die Wohnräume zwischen Gebäuden keine blinden Flecken bleiben. «Vielmehr bedürfen sie unserer Aufmerksamkeit.»

Öffentlicher Vortrag zum Thema

Am Donnerstag, 2. Mai, hält das Bauforum Zug seine Generalversammlung im Zwischenshed des «Freiruum» ab. Nach der ordentlichen GV, die um 18 Uhr beginnt, gibt es um 19 Uhr die Möglichkeit, dem öffentlichen Vortrag Angelika Juppiens über «Wohnbedürfnisse jenseits der Türschwelle» zu lauschen.

Was passiert eigentlich auf Zuger Dächern?

Das Thema, wie mit Zwischenräumen umgegangen wird, umtreibt auch den Kanton und die Stadt Zug. Diese ist räumlich durch ihre geografische Lage beschränkt, dennoch wohnen immer mehr Personen hier. Trotzdem: Es gibt auch in Zug Zwischenflächen, die deutlich besser genutzt werden könnten. Kürzlich hat das Kollektiv Juma Architekten das Projekt Dachwärts ins Leben gerufen, das sich für gut genutzte Freiflächen, insbesondere auf Dächern, einsetzt (zentralplus berichtete).

Als Beispiel, wo Zwischenräume in der Stadt Zug bereits sehr gut funktionieren, nennt Oliver Guntli, der Präsident des Bauforum Zug, das Metalli: «Zunächst wirkt das Einkaufszentrum wie ein ziemlich abstraktes Gebilde. Doch hier halten sich die Menschen nicht nur samstags beim Einkaufen und in den Aussenrestaurants auf. Am letzten Wochenende wurde es beispielsweise Austragungsort des Zug-Sports-Festivals und diente damit als eine Art Bühne für Sportvereine.» Auch solche Zwischenräume brauche es.

Ähnlich sehe es am Zuger Seeufer aus, welches häufig durch Veranstaltungen bespielt werde. «Doch Zwischenräume müssen nicht an Konsum gekoppelt sein. Als Beispiel dafür dient etwa der Basketballplatz neben der Schützenmatt-Turnhalle.» Dort würden oft Junge zeigen, was sie könnten. Dies nicht ungern vor den Augen der Passanten.

Den Zwischenraum «mitzudenken», lohnt sich langfristig

Weniger gelungen wirkt laut Guntli die Maschinengasse auf dem Papieri-Areal in Cham. «Sie wirkt etwas trostlos. Heute würde man diese vermutlich etwas anders planen. Der starke Wandel in Sachen Wohnungsdichte ist man sich im Kanton Zug noch nicht gewohnt.» Solche Plätze bräuchten auch Zeit, damit sie von den Bewohnern eingenommen würden und könnten auch gezielt nachjustiert werden. Auch die heutigen Anforderungen bezüglich Begrünungen, welche dem Stadtklima dienen, seien wieder stärker ins Bewusstsein gerückt.

«Wichtig ist es, dass die Verantwortlichen bei baulichen Veränderungen in der Stadt jeweils auch die Freiräume und deren mögliche Nutzungen mitdenken», sagt Guntli. «Klar sind solche Zwischenräume keine harten Fakten wie etwa der Quadratmeterpreis. Doch immerhin entscheidet eine gute Planung darüber, ob sich die Leute später gerne auf diesen Plätzen aufhalten oder nicht.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch Angelika Juppien
  • Telefonat Oliver Guntli
  • Augenschein in Zug
  • Präsentationsunterlagen Vortrag Bauforum
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