Bundesrat Rösti will Tier zur Jagd freigeben

Der Abschuss droht: Muss der Zuger Biber jetzt bibbern?

Hier ein Bibermami mit seinem Kleinen. (Bild: Pro Natura)

Eine neue Regel in der Jagdverordnung sieht vor, dass einzelne geschützte Tiere wie der Biber abgeschossen werden können. Ist der gefrässige Nager eher lästig oder erwünscht? zentralplus hat sich im Kanton Zug umgehört.

«Jedem Tierchen sein Pläsierchen», so sagts der Volksmund. Doch gilt das auch für den heimischen Biber? Lange Zeit war der Biber von der Schweizer Bildfläche verschwunden. Nun hat er wieder rückgesiedelt. Im Kanton Zug nagt er sich entlang der Reuss sowie der Unteren Lorze durch das Geäst, und bald wird er auch am Zugersee anzutreffen sein (zentralplus berichtete).

Kaum zu glauben, dass jemand das putzige Fellknäuel mit den scharfen Hauern nicht mögen könnte. Und doch: Die Ankunft des Bibers im Kanton Zug scheint nicht jedem zu schmecken.

Ein Vielfrass sorgt für Einstürze

Bei Besitzern respektive Pächterinnen betroffener Gebiete rege sich Widerstand, sagt Martin Ziegler vom Amt für Wald und Wild des Kantons Zug: «Vor allem Landwirte, Waldeigentümerinnen und Besitzer von Gärten und Infrastrukturen spüren die Auswirkungen der Biberaktivität.» Dabei kommt dem kleinen Dammbauer vor allem seine Gefrässigkeit in die Quere.

Marianne Rutishauser von Pro Natura Aargau und Zug präzisiert: «Biber fällen im Winterhalbjahr Bäume, um sich von der Rinde zu ernähren. Dabei können auch Obstbäume zu Schaden kommen, was man aber mit Einzelbaumschutz oder Umzäunen verhindern kann. Wenn im Herbst nahe an Gewässern Mais oder Zuckerrüben angepflanzt sind, frisst der Biber gerne davon. Die geschädigten Flächen sind aber jeweils bescheiden. Direkt parallel zu vielen Bächen verlaufen Flurwege. Baut nun der Biber in diese Böschungen, kann es zu Einstürzen kommen.»

Marianne Rutishauser führte in Zug auch schon durch Biberexkursionen. (Bild: Liane Wittwer)

Erst ab 300 Franken straffällig

Im Kanton Zug existiert ein Biberkonzept, welches das Amt für Wald und Wild erarbeitet hat. Martin Ziegler erklärt, was darin als Biberschaden definiert ist: «Wenn ein Verlust oder (teilweise) Zerstörung eines Gutes vorliegt, dadurch eine Einbusse von minimal 300 Franken entsteht und dessen Ursache eindeutig dem Biber zugeordnet werden kann.»

zentralplus hätte gerne auch mit dem Zuger Bauernverband (oder betroffenen Bauern aus der Region) gesprochen, doch eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet.

Revidiertes Jagdgesetz: Das ändert sich

Das Parlament hat im Dezember 2022 das revidierte Jagd- und Wildschutzgesetz verabschiedet. Darin aufgenommen hat es auch eine neue Regelung, dass einzelne geschützte Tiere wie der Biber abgeschossen werden können, «wenn diese erhebliche Schäden anrichten oder eine Gefährdung von Menschen darstellen». Im Entwurf des revidierten Jagdgesetzes steht weiter, wann ein «erheblicher Schaden» vorliegt. Beispielsweise bei «Untergrabung von Bauten und Anlagen, die im öffentlichen Interesse liegen», oder «bei Aufstau von Gewässern mit möglicher Überflutung von Siedlungen oder von Bauten und Anlagen, die im öffentlichen
Interesse liegen».

Die Jagdverordnung, die der Bundesrat am 27. März in die Vernehmlassung geschickt hat und die noch bis am 5. Juli dauert, konkretisiert diese Regelung.

«Auch mit der neuen Jagdverordnung wird es nicht möglich sein, beliebig Biber abzuschiessen.»

Marianne Rutishauser, Pro Natura Aargau und Zug

Der Biber ist seit 1962 eidgenössisch geschützt. Darf er trotzdem geschossen werden? Dorine Kouyoumdjian vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) schreibt: «Schon bisher hatten die Kantone die Möglichkeit, Massnahmen gegen einzelne Biber zu ergreifen, wenn diese einen erheblichen Schaden verursachen. In der revidierten Jagdverordnung ist nun vorgesehen, dass die Kantone auch Massnahmen gegen einzelne Biber verfügen können, wenn die Tiere eine Gefährdung von Menschen verursachen. Vorausgesetzt wird in einem solchen Fall jedoch, dass sich der Schaden oder die Gefährdung nicht durch zumutbare Massnahmen verhüten oder abwehren lassen.»

Marianne Rutishauser von Pro Natura Aargau und Zug ergänzt: «Der Biber darf bereits heute in Einzelfällen geschossen werden, was aber bisher nicht umgesetzt wurde. Auch mit der neuen Jagdverordnung wird es nicht möglich sein, beliebig Biber abzuschiessen.»

Der Biber renaturiert gratis

Rund 80 Prozent aller Schweizer Tierarten leben am und im Gewässer. Gleichzeitig sind Gewässerlebensräume die am stärksten bedrohten Lebensraumtypen der Schweiz: Über Dreiviertel dieser Arten stehen auf der Roten Liste. Dabei werden intakte Gewässer im Zuge der Klimaerwärmung auch für uns Menschen immer wichtiger.

Besonders wichtig seien die Biberdämme, unterstreicht Marianne Rutishauser: «Diese baut der Biber, damit er Flächen zum Schwimmen hat und der Eingang seines Baus stets unter Wasser ist. Dank dieser Dämme staut sich das Wasser auf, wodurch kleine Seen, vernässte Flächen und wertvolles Totholz entstehen können.»

Studien zeigen, dass diese Gratisrenaturierungen durch den Biber wertvoll sind. So ist die Artenvielfalt in Biberrevieren mit Dämmen bis zu sechsmal höher als in biberfreien, eintönigen Fliessgewässern.

Friedliches Miteinander von Biber und Mensch

Im Kanton Zug gebe es noch nicht so viele Biber. Es bestehe noch viel Raum zur Wiederbesiedlung, sagt Marianne Rutishauser. Sie fügt an: «In den bestehenden Konfliktgebieten konnten dank der guten Arbeit des Amts für Wald und Wild Lösungen gefunden werden, die ein Miteinander von Mensch und Biber ermöglichen.» Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnisse aus der Basis auch bei der Politik Gehör finden werden.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Martin Ziegler vom Amt für Wald und Wild des Kantons Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Dorine Kouyoumdjian vom Bundesamt für Umwelt (BAFU)
  • Schriftlicher Austausch mit Marianne Rutishauser von Pro Natura Aargau und Zug
  • Entwurf revidierte Jagdgesetzverordnung
  • Medienmitteilung vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)
  • Umsetzungskonzept Biber ZG vom Amt für Wald und Wild des Kantons Zug
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