Rechtsextreme nutzen dasselbe Symbol wie Polizei

Rechtsextremismus im Korps? Ein Polizist packt aus

Auch Luzerner Polizisten sollen das rechtsextrem konnotierte Symbol «Thin Blue Line» verwenden. (Bild: zentralplus Archiv)

Ein Zentralschweizer Polizist packt aus: Anders, als die Pressesprecher der Luzerner und Zuger Polizei beteuert haben, sei das Symbol der «Thin Blue Line» in beiden Polizeikorps weitverbreitet – und nicht rechtsextrem konnotiert. Eine HSLU-Dozentin ist anderer Meinung und fordert Regulierungen innerhalb der Polizei.

In den Polizeikorps Luzern und Zug sei das Symbol der «Thin Blue Line» kein Thema, sagten Yanik Probst und Frank Kleiner, die Pressesprecher der beiden Kantonspolizeien gegenüber zentralplus. Extremismus, egal in welcher Form, werde nicht toleriert. 

Bei der Zürcher Stadtpolizei hingegen, so die Recherchen des Onlinemagazins tsüri.ch, ist das Symbol weitverbreitet. Problematisch: Auch Rechtsextreme identifizieren sich mit der «Thin Blue Line» (zentralplus berichtete).

Was die Luzerner und Zuger Polizei besser macht als die Zürcher Stadtpolizei, wollten Probst und Kleiner gegenüber zentralplus nicht beantworten. Die sensibilisierenden und präventiven Massnahmen zeigen offenbar auch wenig Wirkung. Denn ein Zentralschweizer Polizist* sagt gegenüber zentralplus: «Patches und Sticker der ‹Thin Blue Line› habe ich in jedem Polizeikorps, jedem Büro und jeder Garderobe gesehen.»

Sie sind im Internet problemlos erwerbbar. Etwa im Onlineshop «Thin Blue Line Switzerland».

Polizist entpolitisiert die «Thin Blue Line»

Der Zentralschweizer Polizist betont, dass das Symbol in der Schweizer Polizeilandschaft als unpolitisch verstanden werde. Es sei vielmehr ein Zeichen der Verbundenheit untereinander – oder diene als Erkennungszeichen unter Polizisten. Die Patches bringe man etwa am Reiserucksack an und komme so mit Kolleginnen auf der ganzen Welt ins Gespräch.

Die «Thin Blue Line» wird ausserdem auch dann gepostet, wenn ein Polizist im Dienst sein Leben verliert. Jüngst so geschehen im Zusammenhang mit dem Mord am Polizisten Rouven L. Dieser verstarb nach einer Messerattacke in Mannheim (D). Auch Politikerinnen und Zivilisten hätten daraufhin mit dem Symbol ihre Trauer und ihren Respekt gegenüber dem Verstorbenen ausgedrückt, erklärt der Zentralschweizer Polizist.

Trump-Anhänger solidarisierten sich mit George Floyds Mördern

Erstmals politisiert sei die «Thin Blue Line», so der Polizist weiter, im Zusammenhang mit dem Mord am Afroamerikaner George Floyd worden. Die daraufhin ausgebrochenen «Black Lives Matter»-Proteste richteten sich auch gegen die Polizei. Infolgedessen hielten Trump-Anhänger sowie rechte und rechtsextreme Gruppierungen Gegendemonstrationen ab – und verbreiteten dabei auch das Symbol der «Thin Blue Line».

«Sie wollten mit der ‹Thin Blue Line› ihre Unterstützung für die Polizei zum Ausdruck zu bringen – und kaperten das Symbol», sagt der Zentralschweizer Polizist. Doch dies mache es nicht plötzlich zu einem rechten oder gar rechtsextremen Symbol.

Unter Rechtsextremen weitverbreitet

Das sieht Gülcan Akkaya anders. Sie ist Dozentin und Projektleiterin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern (HSLU). Immer öfter verwendeten auch Rechtsextreme die «Thin Blue Line». In diesem Kontext würden auch die Unterwanderung des Rechtsstaats und Selbstjustiz gefeiert.

Gülcan Akkaya war mehr als zehn Jahre Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR). (Bild: HSLU/Ingo Höhn)

«Dabei ist bekannt, dass die ‹Thin Blue Line› nicht mehr nur in den USA, sondern längst auch in Deutschland, Frankreich und der Schweiz von Rechtsextremen genutzt wird», sagt Akkaya.

Polizistinnen haben Vorbildfunktion

«Ich finde es höchst bedenklich, dass offenbar vielen Polizeibeamtinnen und ‑beamten die Sensibilität für die Problematik fehlt», fährt Akkaya fort. Denn sie hätten innerhalb der Gesellschaft eine Vorbildfunktion. «Dass sie sich von Rechtsextremen distanzieren müssen, versteht sich von selbst. Hinzu kommt, dass die Polizei, insbesondere wenn es um Rechtsstaatlichkeit geht, eine Sonderstellung innehat.» Die Polizei verkörpere den Rechtsstaat geradezu.

Umso mehr seien nun die Kadermitarbeitenden gefordert. Die HSLU-Dozentin fordert von ihnen ein konsequentes Vorgehen. «Das Verwenden der ‹Thin Blue Line› dürfte innerhalb der Polizei nicht geduldet werden», sagt sie. Es müssten entsprechende Regulierungen getroffen und durchgesetzt werden. «Sonst riskiert die Polizei, das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren.»

«Pressesprecher waren nie selbst Polizisten»

Gegenüber zentralplus betonten die Pressesprecher der Luzerner und Zuger Polizei, dass die Verwendung von Symbolen wie der «Thin Blue Line» innerhalb ihrer Polizeikorps kein Thema sei.

Der Zentralschweizer Polizist sagt dazu. «Dass die Pressesprecher keine klare Stellung beziehen, überrascht mich wenig», sagt er. Er vermutet, dass sie Angst hätten, die Presse lege ihnen Worte in den Mund oder verdrehe Aussagen. «Weiter waren sie in der Regel nie selbst Polizisten und haben das Symbol deshalb wohl auch nie selbst gebraucht oder die Bedeutung dahinter verstanden.»

Zu den Vorwürfen des Zentralschweizer Polizisten nehmen die Polizeisprecher Frank Kleiner und Yanik Probst keine Stellung. Die Fragen zum Thema hätten sie bereits vor zwei Wochen beantwortet (zentralplus berichtete).

Luzerner und Zuger Polizei zu wenig selbstkritisch?

Gülcan Akkaya ist erstaunt über die Haltung innerhalb der Luzerner und Zuger Polizei. «Dass die Pressesprecher das Problem einfach verneinen, zeigt, dass innerhalb der Polizei zu wenig selbstkritisch hingeschaut wird.»

Jüngst verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz, weil die Polizei im Fall von Mohamed Wa Baile gegen das Diskriminierungsverbot verstossen hat. «Es handelte sich bei seiner willkürlichen Durchsuchung am Zürcher Hauptbahnhof um Racial Profiling», so Akkaya. Auch Racial Profiling sei ein Problem, das die Polizei ständig für «nicht existent» erkläre.

Doch wie überall in der Gesellschaft sei es auch innerhalb der Polizei möglich, dass es Rassistinnen oder gar Rechtsextreme gebe. «Diverse Studien, Recherchen und Ermittlungen haben europaweit Verbindungen zwischen der Polizei und der rechtsextremen Szene nachgewiesen», gibt Akkaya zu bedenken.

Auch zu den Vorwürfen Gülcan Akkayas nehmen die Polizeisprecher Frank Kleiner und Yanik Probst keine Stellung.

*Name der Redaktion bekannt

Richtigstellung: Die Luzerner Polizei und die Zuger Polizei legen wert darauf, dass sie keine Aussagen dazu gemacht haben, ob Symbole wie die «Thin Blue Line» bei den Polizeikorps verwendet werden oder nicht. In einer ersten Version des Artikels war dies missverständlich formuliert. Wir entschuldigen uns dafür.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Gülcan Akkaya
  • Artikel auf tsüri.ch
  • Schriftlicher Austausch mit Zentralschweizer Polizist
  • Schriftlicher Austausch mit Frank Kleiner, Pressesprecher der Zuger Polizei
  • Schriftlicher Austausch mit Yanik Probst, Pressesprecher der Luzerner Polizei
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