Steht die Luzerner Kulturinstitution vor dem Aus?

Kleintheater-Gründer Emil: «Heute muss alles rentieren»

Emil fiel aus allen Wolken, als er vom Entschluss hörte. (Bild: mst/zvg)

Der bekannte Luzerner Kabarettist Emil Steinberger hält gar nichts vom Entscheid, dass das Kleintheater vom heutigen Standort weg muss. Jetzt gelte es zu kämpfen, sagt er im Gespräch mit zentralplus.

Die Nachricht schlug am Mittwochvormittag ein wie eine Bombe: Das Gebäude, indem das Luzerner Kleintheater untergebracht ist, wird abgerissen (zentralplus berichtete). Die Eigentümerin, die öffentlich-rechtliche Luzerner Pensionskasse (LUPK), begründet die Massnahme mit Schadstoffen im Haus. 2028 soll das Gebäude, das direkt am Bundesplatz steht, abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Ist es das Ende der Luzerner Kulturinstitution? Denn das Kleintheater wird im Ersatzgebäude keinen Platz mehr finden.

«Die Aufgabe der LUPK ist es, Renten zu sichern, die Altersvermögen treuhänderisch zu verwalten und eine marktgerechte, risikooptimale Rendite zu erzielen», erklärte Geschäftsführer Reto Tarreghetta auf Anfrage von zentralplus. Deswegen sprechen mehrere zentralplus-Leser in der Kommentarspalte von Profitgier.

Mittlerweile ist auch die Politik aktiv geworden. Die Luzerner SP reichte am Mittwochnachmittag im Kantonsrat eine Interpellation ein. Das Kleintheater sei seit Jahrzehnten ein unersetzbarer Teil der Stadtluzerner Kulturlandschaft und müsse am besten am jetzigen oder aber an einem neuen, geeigneten Standort erhalten bleiben. Sie fordert die LUPK auf, den Entscheid zu überdenken: «Sie hat eine kulturpolitische Verantwortung für Luzern und darf sich nicht von finanziellen Überlegungen leiten lassen.»

IG Kultur fordert zukunftsfähige Lösung

Die IG Kultur Luzern schreibt, die Ankündigung sorge für Empörung und löse einen lauten Aufschrei in der Region aus. Sie fordert den Luzerner Regierungsrat und Stadtrat auf, sich im Dialog mit dem Kleintheater und allen weiteren Beteiligten für eine zukunftsfähige Lösung einzusetzen.

Ebenfalls sehr betroffen zeigt sich Emil Steinberger. Der 91-jährige Luzerner Kabarettist gründete das Kleintheater 1967, wo er auch seine ersten eigenen Stücke aufführte. zentralplus hat mit ihm über sein «Kind» gesprochen.

zentralplus: Emil Steinberger, Sie haben wegen der Hiobsbotschaft gar Ihre Ferien abgebrochen.

Emil Steinberger: Ja, denn es geht gerade sehr hektisch zu und her. Aber das ist logisch. Viele Leute wollen wissen, was ich zur Schliessung des Kleintheaters denke und was für Perspektiven vorhanden sind. Ich wurde diese Woche informiert. Als man es mir verkündete, bin ich aus allen Wolken gefallen, obwohl es blauer Himmel war.

«Ich vermute, dass sie beim Neubau noch ein paar Stockwerke draufsetzen, damit die Rendite noch besser stimmt.»

Emil Steinberger, Luzerner Kabarettist

zentralplus: Was sagen Sie zum Entscheid, dass das Gebäude, in dem das Kleintheater ist, abgebrochen werden soll und die Luzerner Kulturstätte möglicherweise in Zukunft nicht mehr existiert?

Emil: Das ist ein Entscheid, von dem wir alle hoffen, dass er noch nicht definitiv ist. Wir hoffen, dass man noch diskutieren kann.

zentralplus: Sie haben sich aus dem Kleintheater zurückgezogen. Werden Sie sich nun wieder einbringen?

Emil: Das Kleintheater hat eine sehr gute Leitung. Aber nun werden bestimmt viele Leute denken, dass von Emil noch eine Idee kommen wird und er das nicht einfach so geschehen lässt.

zentralplus: Und? Werden Sie gegen die Schliessung ankämpfen?

Emil: Ja, das muss man bekämpfen. Und wenn ich etwas beitragen kann, werde ich ganz klar mitmachen. Das Kleintheater ist mein Kind, das weiterleben soll. Man verlässt das Kind ja auch nicht einfach und sagt ihm, «schau selber zu, wie du zurechtkommst». Sondern man hilft.

zentralplus: Was bedeutet das Kleintheater für Sie?

Emil: So ein Kleintheater wie bei uns am Bundesplatz gibt es sonst nirgendwo. Für mich bedeutet es heute noch genau das gleiche wie vor knapp 60 Jahren, als wir es gegründet haben. Mich störte damals, dass man in Zürich, Basel und Bern Produktionen besuchen konnte, die man in Luzern nicht zu sehen kriegte. Ich fand darum, wir müssen ein Lokal machen, um ebenfalls in den Genuss von solchen Produktionen zu kommen.

zentralplus: Der Luzerner Pensionskasse, der das Gebäude gehört und die für die Pläne verantwortlich ist, wird nun Profitgier vorgeworfen. Wird Kultur in unserer Gesellschaft nebensächlich?

Emil: Man empfindet zurzeit überall auf der Welt, dass die Wirtschaft an erster Stelle kommt und die Kultur an zweiter, wenn nicht sogar erst an fünfter. Und das ist einfach falsch, denn die Gesellschaft sollte merken, dass die Leute kulturell gebildet werden müssen. Nicht nur durch Theater. Eine solche Bildung beginnt bereits in der Schule. Denn ein Theater ist nicht nur ein Raum mit einer Bühne, sondern es gehört zur Allgemeinbildung. Und ich finde das für die Zukunft der Gesellschaft einfach wichtig.

zentralplus: Machen Sie der Pensionskasse Vorwürfe?

Emil: Als uns die Verantwortlichen vor 50 Jahren mitteilten, was für eine Miete wir zahlen müssen, habe ich gestockt und gesagt, dass wir das niemals tragen können. Dann kamen sie uns entgegen – und zwar manches Jahr. Da kann man ihnen also keinen Vorwurf machen. Aber jetzt ist eine andere Generation da. Eine Generation, die nur auf die Zahlen schaut. Heute muss alles rentieren. Und was nicht rentiert, muss man abschaffen, denn es hat ihrer Meinung nach ja keinen Wert. Ich vermute, dass sie beim Neubau noch ein paar Stockwerke draufsetzen, damit die Rendite noch besser stimmt

zentralplus: Was bedeutet der mögliche Verlust für die Luzerner Kulturszene?

Emil: Es ist das gleiche wie vor 60 Jahren, als ich fand, das kulturelle Leben geht an Luzern vorbei. Es wäre schrecklich, wenn wir Luzerner sagen würden, dass wir künftig auf diese Sparte verzichten. Denn wenn wir das nicht mehr haben, haben wir wirklich nur noch das Handy in der Hand und schauen nur noch kleine Filmchen.

zentralplus: Für viele ist die Nachricht des möglichen Endes des Kleintheaters ein Schock, auch für Sie. Aber ist die Situation auch eine Chance?

Emil: Ich bin ein Optimist. Und ich bin auch hier optimistisch. Dass aber jetzt schon bombige Ideen für Lösungen kommen, ist zu viel verlangt. Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen jetzt in aller Ruhe überlegen, welche Alternativen und welche Standorte in Frage kommen. Eines ist für mich aber klar: Das Kleintheater muss in der Stadt einen Standort finden. Auf dem Land oder in der Agglomeration sehe ich es nicht.

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Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Kabarettist Emil Steinberger
  • Medienmitteilung der SP und der IG Kultur Luzern
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