Sozialhilfe wird für viele zur Armutsfalle

Nicht nur Biber, auch alte Menschen verdienen mehr Würde!

Wer nach einem erfolgreichen Arbeitsleben auf dem Sozialamt landet, für den stürzt häufig die Welt ein. (Bild: Adobe Stock)

«Sorgen ums Überleben von Wölfen und Bibern»: Das sind Schlagzeilen die einem täglich um die Ohren fliegen. Aber dass es älteren Menschen, die unverschuldet in der Sozialhilfe darben, auch ans Läbige geht, interessiert weder Medien noch Politik. Aber ist dieses Lamento von Betroffenen berechtigt?

Wer gesund im Leben steht, will davon nichts wissen. «Und so schlimm wird es wohl nicht sein». Ein Gedanke, der stets zur Stelle ist, wenn es darum geht, Unliebsames wegzudrängen. Doch wer unverschuldet durch Krankheit oder Jobverlust im Alter 50plus nach einem erfolgreichen Arbeitsleben auf dem Sozialamt landet, für den stürzt die Welt ein, wird er oder sie mit den Bedingungen der Sozialhilfe konfrontiert.

Stehend am Intake (Anmelde-)-Schalter, hinter sich eine Schlange von Anwärtern, prüft das Sozialamt die Erstanmeldung. Niederschwelliger Zugang nennt sich, was Arbeitsgeprüften im Alter an respektloser fehlender Anonymität zugemutet wird. Wenn sie alleinstehend sind, darf ihr Vermögen nicht über 4’000 Franken liegen.

Verlust von Wohnung und Zusatzversicherung

«Aus dem Mietvertrag geht hervor, dass ihre Miete 1’500 Franken für einen Zweipersonenhaushalt beträgt. Das ist viel zu hoch», sagt die Stimme hinter der Glasscheibe. «Brutto darf diese 1035 Franken nicht übersteigen (je nach Gemeinde unterschiedlich, bei den Agglo-Gemeinden seit 2024 höher), ansonsten muss diese auf den nächsten Kündigungstermin aufgekündet werden». Auch die Zusatzversicherung für Alternativmedizin muss aufgelöst werden, obwohl diese aufgrund der altersdiskriminierenden Praxis von Krankenversicherern nicht mehr zurückerobert werden kann.

Wer das alles im fortgeschrittenen Alter entgegennehmen muss, vielleicht noch von einer Person mit wenig Berufs- und Lebenserfahrung, dem rutscht schnell einmal der Boden unter den Füssen weg. Die latente Depression, die so ein Canossagang bei älteren Einheimischen hervorbringen kann, während die Intake-Beraterin fehlende Unterlagen beklagt. Kein Stuhl weit und breit, um das Unabänderliche zu verdauen. Und wehe dem, dessen Kontostand mehr als 4'000 Franken anzeigt! Dann heisst es «tschüss» und «kommen Sie dann zur Anmeldung, wenn dieser unter der Vermögensobergrenze liegt». Aber dannzumal haben unbezahlte Rechnungen vielleicht bereits die Überhand gewonnen und das Vermögen ist ganz aufgebraucht.

Leistungen machen einsam und krank

Das unwürdige Anmeldeprozedere für Ältere ist das eine. Schlimmer jedoch sind die Bedingungen und die zu erwartenden Leistungen: Der Grundbedarf für Nahrung, Telefon, Fernseher, Gebühren, Elektrizität, ÖV, Kleidung und Sonstiges liegt bei 750 Franken für eine Person in einem Zweipersonenhaushalt, zuzüglich Bruttomiete in der obigen Gemeinde von 520 Franken und Krankenkasse.

Für kurze Zeit lässt sich damit überleben, über Monate und Jahre aber macht dies im fortgeschrittenen Alter einsam und krank. Und dann auch noch die Drohung, die vertraute und eigentlich günstige Wohnung aufkünden zu müssen. Ein Horror, zumal das, was günstig ist, von den Asylbehörden längst angemietet oder aufgekauft worden ist. Wen wundert es, wenn Ausländerfeindlichkeit ihre Blüten treibt!

Sozialhilfe wurde in der wirtschaftlichen Schönwetterzeit bewusst tief als vorübergehende Leistung angesetzt beziehungsweise gekürzt, damit Faulheit ihren Anreiz verliert. Im Gegenzug schuf man Integrationszulagen von 100 bis 300 Franken für diejenigen, die zur Arbeit gehen. Abgesehen davon, dass viele Gemeinden diese nicht bezahlen, ist solch ein Zustand für Ältere, die gerne arbeiten möchten, vom Arbeitsmarkt aber verschmäht werden, ein Affront.

Für sie wird die Sozialhilfe zur Armutsfalle, aus der heraus sie sich bis zur Zwangsfrühpensionierung zwei Jahre vor dem ordentlichen Pensionsalter und manchmal lebenslang nicht mehr befreien können. Ist noch ein aufgrund von Arbeitslosigkeit geschmälertes PK-Kapital vorhanden, so muss es in Kapitalform bezogen werden.

Reform tut not!

Unser Sozialhilfekonzept bedarf dringend einer Revision, besonders mit Fokus für Einheimische im fortgeschrittenen Alter. Zumindest soll die Vermögensobergrenze, die zu Leistungen in der Sozialhilfe berechtigt (heute gemäss SKOS 4'000 Franken für Alleinstehende, 8000 Franken für Ehepaare) dem Freibetrag der Ergänzungsleitungen angeglichen werden. Dieser liegt für Alleinstehende gegenwärtig bei 30'000 Franken.

Wer dies vorbildlich korrigiert hat, ist der bürgerliche Kanton Baselland. Hier hat man im neuen Sozialhilfegesetz die Vermögensobergrenze für Personen 55plus bei 25'000 Franken festgelegt. Auch Basel-Stadt hat nachgezogen, jedoch moderater und ohne Altersbonus, für Alleinstehende 8'000 bzw. Ehepaare 16'000 Franken.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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