WC nur über «gefährlichen Weg» erreichbar

Folterkommission kritisiert Luzerner Asylzentren

Die nationale Folterkommission hat an den Zentralschweizer Bundesasylzentren einiges auszusetzen. (Bild: Symbolbild: zvg)

Die nationale Kommission zur Verhütung von Folter hat mehrere Bundesasylzentren unter die Lupe genommen. Sie kritisiert die Luzerner Standorte unter anderem wegen mangelnder Privatsphäre.

Die anhaltend hohe Anzahl an Asylbewerbern macht dem Bund zu schaffen. Nicht nur suchen die Behörden, beispielsweise der Kanton Luzern, immer wieder händeringend nach Unterkunftsmöglichkeiten. Auch in den Asylzentren selber ist die Situation oft angespannt. Das zeigt auch der neueste Bericht der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), der soeben publiziert wurde. Die NKVF ist eine vom Bundesrat eingesetzte, unabhängige Milizkommission, bestehend aus zwölf Mitgliedern.

Diese besuchen immer wieder unangemeldet Asylzentren, um diese zu beurteilen und mit den Personen, die dort vorläufig untergebracht sind, vertraulich über deren Anliegen betreffend der Unterkunft zu sprechen. Zwischen dem vergangenen September und Januar nahm sich die Kommission die Bundesasylzentren (BAZ) im Tessin und in der Zentralschweiz vor. Auch im Kanton Luzern stehen zwei – das Bundesasylzentrum Eigenthal und dasjenige in Emmen bei der Kaserne.

Lärm in der Nacht lässt Asylbewerber schlecht schlafen

So schlecht wie die Unterkünfte im Tessin schneiden die Luzerner Standorte zwar nicht ab, trotzdem hat die NKVF einiges zu bemängeln. Im provisorischen Zentrum Emmen beispielsweise, das bis Ende Mai offen war (zentralplus berichtete) und das bis zu 200 Personen Platz bot, habe es an Rückzugsmöglichkeiten gefehlt. Eine Mutter habe ihr Baby im offenen Bettenbereich gestillt. Viele Asylbewerber hätten berichtet, dass sie nachts wegen des Lärms in der Halle trotz grosser gegenseitiger Rücksichtnahme schlecht geschlafen hätten.

Die Kommission stellte gleichzeitig aber auch fest, dass die Verantwortlichen die Situation zu verbessern versucht hätten. So hätten sie Raumteiler in der Halle aufgestellt. Sie hält fest, dass ihrer Meinung nach Familien und besonders verletzliche Personen nicht in Mehrzweckhallen untergebracht werden sollen.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) teilt diese Einschätzung, wie es in seiner Stellungnahme schreibt. Allerdings stelle das Bereitstellen einer relativ hohen Zahl an Unterbringungsplätzen eine grosse logistische und personelle Herausforderung dar. In Ausnahmesituationen gehe der Grundsatz «ein Dach über dem Kopf, ein Bett, warme Mahlzeiten» vor.

Weg zu den Toiletten gefährlich

Beim Bundesasylzentrum Eigenthal kritisiert die Kommission, dass die Toiletten und Duschen für die meisten Asylbewerber, also auch für Familien mit Kleinkindern, nur in einer separaten, bis zu hundert Meter entfernten Baracke zur Verfügung stehen würden. Bei Regen oder Schnee sei der Weg wegen Rutschgefahr gefährlich. In Emmen hätten alle Asylsuchenden die Containertoiletten im Freien benutzen müssen, während die wenigen Toiletten in der Halle den Mitarbeitern zur Verfügung gestanden seien. «Die Kommission kann diese Zuweisung nicht nachvollziehen», wie sie schreibt.

Das SEM erwidert, in den ordentlichen Bundesasylzentren (was die BAZ Eigenthal und Emmen nicht sind) hätten Asylbewerber einen sicheren und wettergeschützten Zugang zu Toiletten und Duschen. In Notfallunterkünften würden «alle Anstrengungen unternommen». Solche Investitionen müssten jedoch nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit getätigt werden.

Personen fühlen sich generell sicher

Auch die Barrierefreiheit thematisiert die Kommission in ihrem Bericht. Im BAZ Eigenthal sei ein gehbehindertes Mädchen untergebracht gewesen, obwohl die Unterkunft nicht barrierefrei sei. Das SEM entgegnet, bei den Übergangslösungen gebe es viele bautechnische Hürden. Es werde versucht, jeder Kategorie von Personen mit besonderen Bedürfnissen stets die geeignetste Unterkunft zuzuweisen.

Die Kommission hat auch Gewalt in den Bundesasylzentren untersucht. Asylbewerber, die im Glaubenberg (OW) untergebracht waren, lieferten sich im November 2023 mehrere Schlägereien (zentralplus berichtete). Zu solchen Vorfällen kam es in den BAZ Eigenthal und Emmen nicht. Die asylsuchenden Personen in Emmen hätten sich in aller Regel sicher gefühlt, schreibt die NKVF. Zwar habe ein Betreuer wiederholt Wutausbrüche gehabt, doch hätten Vorgesetzte mit ihm gesprochen und ihn verwarnt. In der Unterkunft Eigenthal sei es zu einem Fall von sexualisierter Gewalt gekommen, in Emmen sei kein solcher Vorfall bekannt.

Kommission kritisiert gemischte Unterbringung

Die fehlende räumliche Trennung von verschiedenen Personengruppen stelle ein Problem dar, schreibt die Kommission weiter, ohne genau auf die Gruppen einzugehen. Ohne eine solche bestehe ein erhöhtes Risiko von Ruhestörungen, Schlafproblemen, Konflikten und Gewalt, einschliesslich sexueller Gewalt. Mehrere Personen hätten angegeben, im Schlafraum keinen geschützten Ort zu haben, um sich umziehen zu können. Die Kommission empfiehlt deshalb, die Praxis der gemischten Unterbringung rasch anzupassen.

Grundsätzlich werde in jedem BAZ mit Verfahrensfunktion die Trennung der Geschlechter berücksichtigt und es werden Rückzugsorte für die jeweiligen Gruppen, speziell Frauen, Familien und unbegleitete Minderjährige, zur Verfügung gestellt, schreibt das SEM. Die Plätze, an denen die Gesuchsteller während des Verfahrens untergebracht werden, seien jedoch stark beschränkt. Bei der von der Kommission beobachteten Situation handle es sich um einen Moment der Überbelegung.

50 Personen beklagten sich über das Essen

Die Kommission hat auch das Essen in den Unterkünften unter die Lupe genommen. Für Babys habe es ausreichend und passende Nahrung gegeben. Doch habe es an einem adäquaten Angebot für Kleinkinder gemangelt. «Dies führte dazu, dass viele Kinder das Essen verweigerten und teilweise zu Fällen von Mangelernährung», schreibt die NKVF. In Emmen sei nach dem Besuch der Kommission ein Kindermenü angeboten worden. Generell hätten die Asylbewerber in Emmen das Essen positiv bewertet. Im BAZ Eigenthal hingegen sei es zu einer Versammlung von über 50 Personen gekommen, die sich kritisch über das Essen geäussert hätten. Das SEM hält fest, das Betriebskonzept sehe eine ausgewogene und vollwertige Verpflegung vor und es würden Vorgaben einer Ernährungsberaterin bestehen.

Das Staatssekretariat für Migration geht auch generell auf die Lage von Asylsuchenden in den Zentren im Tessin und in der Zentralschweiz ein. Die soeben erfolgte Eröffnung des neuen, fixen BAZ in Balerna ermögliche es der Region, die Empfehlungen der Kommission umzusetzen. Das SEM sei sehr daran interessiert, «die Qualität der Unterbringung von Asylsuchenden zu erhalten und kontinuierlich weiterzuentwickeln».

Bund räumt Probleme ein

2023 seien schweizweit 30'000 Asylgesuche gestellt worden, 25'000 Ukrainer hätten zudem den Schutzstatus S beantragt. Es habe in Kauf genommen werden müssen, «dass kurzfristig und zeitlich begrenzt verschiedene Anlagen mit sehr hoher Auslastung und Verdichtungen der Unterbringungskapazität geführt wurden». Dies habe zu Qualitätseinbussen in der Unterbringung geführt. Mit Blick auf die Sicherstellung der Unterbringung habe dies für eine befristete Zeit nicht umgangen werden können, schreibt das SEM. Es sei jedoch «stets bemüht, im Rahmen des Machbaren Verbesserungen zu erzielen».

Verwendete Quellen
  • Bericht der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter
  • Stellungnahme des Staatssekretariats für Migration
  • Website der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon