Gesichter der Gastronomie

Sie ist die «Gastrosöldnerin» im kleinsten Restaurant Zugs

Ziehen ihr eigenes Ding durch: Dejan und Noémie Migliore. (Bild: cbu)

Noémie Migliore gehört zu den jüngeren Kochtalenten in Zug. Im «Unico» am Rande der Altstadt serviert sie ihre ausgefallenen Gerichte. Ein Gespräch über Fingerlimetten, viele Jobwechsel und die Polizei.

Sie mag mit ihren 31 Jahren noch jung sein, Noémie Migliores Resümee in der Gastronomie kann sich jedoch sehen lassen. Lehre bei der Glencore Gastroservice AG, Serviceangestellte in verschiedenen Restaurants und Clubs, Saison-Einsätze in St. Moritz, ein eigenes Restaurant mit 20 Jahren, Dienste in einer Metzgerei, Störköchin für Starköche und sonstige Sternchen und ein eigener Catering-Service. In rund 85 verschiedenen Küchen hat die Gastronomin bislang gearbeitet, wie sie selbst auf ihrer Website schreibt. Dabei sollte es ursprünglich anders kommen.

Ein Job-Recruiter würde Noémie Migliore vielleicht Wankelmütigkeit unterstellen, sie begründet die zahlreichen Adressen aber mit Neugier und dem Instinkt, auf das Bauchgefühl zu hören. zentralplus trifft die junge Köchin und ihren Mann Dejan an einem sonnigen Donnerstagnachmittag im Restaurant Unico am Rande der Zuger Altstadt.

Bis die Gäste fürs Abendessen eintreffen, dauert es noch rund zwei Stunden. Die Tische sind bereits weiss gedeckt. In der Küche herrscht Hochbetrieb. Migliore bereitet das Menü vor und hat buchstäblich alle Hände voll. Statt eines Händedrucks zur Begrüssung gibt es eine kurze Umarmung. Unkompliziert verläuft auch das Gespräch. Die Migliores erzählen offen Anekdoten und Erlebnisse und ergänzen die Sätze des anderen.

Noémie Migliore kam über Umwege in die Gastronomie

Noémie Migliore führt das kleine Lokal an der Ägeristrasse 17 seit gut einem Jahr (zentralplus berichtete). Mit knapp 20 Sitzplätzen dürfte das über 100 Jahre alte Gebäude – einst eine Käserei – das wohl kleinste Restaurant der Stadt Zug sein.

«Gastronomie war nie mein Traumberuf.»

Noémie Migliore

«Gastronomie war nie mein Traumberuf», sagt Migliore offen heraus. Dass sie trotzdem in der Branche gelandet ist, die sie heute so liebt, hat sie bis zu einem gewissen Grad ihrem Vater zu verdanken. «Er bestand darauf, dass ich eine Lehre machen soll», erinnert sie sich zurück. «Da ich nie stillsitzen konnte, war eine Küchenlehre nicht die schlechteste Idee.» Nach Abschluss der Lehre weiss Noémie Migliore mit Bestimmtheit: «Nie wieder!»

Sie wechselt für zwei Jahre in die Immobilienbranche, nur um festzustellen, dass ihr weder Anzüge noch Bürojobs wirklich zusagen. Migliore geht für zwei Jahre zurück zur Glencore Gastroservice AG, bevor sie sich an etwas gänzlich anderes wagt: die Ausbildung zur Polizistin.

Nebenher jobbt sie weiter als «Gastrosöldnerin» und verbringt als Prüfungsvorbereitung viel Zeit im Fitnesscenter – wo sie ihren Mann Dejan kennenlernt. Zur Gesetzeshüterin reicht es aber nicht ganz. Also zurück in die Gastro, das Netzwerk hatte sie sich dank der unzähligen Jobs bereits aufgebaut.

Wo einst gekäst wurde, essen heute Gäste «Soulfood». (Bild: cbu)

2019 macht sich Noémie Migliore mit einem Catering- und Privatkochservice selbstständig, den sie heute noch betreibt. Wenn auch weniger intensiv, seit sie im März 2023 das «Unico» von Andrea und Michael Weingartner übernommen hat.

Noémie zur Seite steht Ehemann Dejan, der in der Sicherheitsbranche tätig ist. Seit letztem November hat er sein Pensum reduziert, um jeden Abend an der Seite seiner Frau im «Unico» mitzuwirken. Neben dem Paar helfen acht weitere Mitarbeiter Teilzeit im Restaurant mit.

Beliebt bei Firmen

Es mag ein kleines Restaurant sein, erklärt die Wirtin, das heisse aber nicht, dass weniger Arbeit anfalle. Besonders da Migliore alles selbst macht. «Früher war ich ‹nur› Köchin. Jetzt kümmere ich mich zusätzlich um die Administration, Mitarbeiterplanung, Kalkulation, die Einkäufe und das Saubermachen.» Zu Beginn ihrer «Unico»-Reise habe es durchaus Momente gegeben, in denen sie sich ausgelastet fühlte. Mittlerweile hat sich das gelegt.

Heute hat sich das «Unico» einen Ruf als Geheimtipp erarbeitet. Seit der Eröffnung hat das «Unico» rund 2000 Gäste verköstigt, wie das Paar sagt. Während der Weihnachtszeit habe an sechs Tagen die Woche «praktisch Dauerbetrieb» geherrscht. Bereits jetzt sei der kommende Dezember fast wieder ausgebucht. Und weil die Gäste in einem kleinen Restaurant oft unter sich bleiben können, sei es der ideale Ort für Firmenessen, erzählt Noémie Migliore. Darum gehen hier nebst «normalen» Gästen auch regelmässig Geschäftsleute ein und aus.

Der Sonntag ist heilig

Und das, obschon das Lokal offiziell lediglich an drei Abenden geöffnet ist. Mit den Öffnungszeiten sei man aber flexibel. Für kleinere und grössere Gruppen öffnet das Paar auf Anfrage auch an anderen Tagen oder über den Mittag. Generell gilt beim «Unico» eine Reservationspflicht – auch, um Foodwaste zu verhindern. Nur ein Tag ist und bleibt tabu. «Am Sonntag haben wir geschlossen. Daran gibt es nichts zu rütteln.»

Den Tag nutzen die Migliores, um die Köpfe durchlüften zu können und einen Hauch Privatleben zu geniessen. Denn davon bleibt kaum was übrig, wie das Paar sagt. Am liebsten verbringen die beiden ihre freie Zeit mit ihren vier Hunden in der Natur, wo Migliore Inspiration für neue Gerichte findet.

Kulinarisch bewegt sich die Baarerin mit sizilianischen Wurzeln im gehobenen Segment. Gourmet-Soulfood nennt es Migliore. Das «Unico» setzt auf ein fixes 4-Gang-Menü – wahlweise auch in vegetarischer Version – auf Wunsch mit Weinbegleitung. Die Karte wechselt monatlich und setzt auf Eigenkreationen, die oft ausgefallen sind. «Immer wenn mir jemand sagt, dass diese Kombination nicht funktionieren kann, wirds für mich interessant.»

Eine von Noémie Migliores Sommervorspeisen: eine salzige Tomaten-Créme-brûlée. (Bild: Unico)

Darum landen in Migliores Küche auch ungewohnte oder unbekannte Zutaten auf dem Schneidbrett. Etwa Fingerlimette, das AOP-geschützte Gemüse Kardy, kandierte Eigelbcrème oder Kaviar in Form einer Zigarre. «Pro Menü will ich eine Zutat einbauen, die kaum einer kennt. Ich will den Gästen ein Erlebnis bieten», erzählt die Köchin.

Ob Noémie Migliore bis zur Pensionierung im «Unico» bleibt? Kaum. Aber: «Die Arbeit hier macht Spass.» Und solange das der Fall ist, bleibe sie dem Lokal treu. «Wenn aber die Zeit kommt, etwas anderes zu machen, habe ich keine Mühe, loszulassen.»

Nur eines ist bislang sicher: Noémie Migliore will dem Kochen treu bleiben.

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