In Zug feiern alle gemeinsam

Der DJ im Rollstuhl und die Barkeeperin mit Down-Syndrom

An der inklusiven Party in der Galvanik schenken auch Menschen mit Beeinträchtigung Bier aus. (Bild: wia)

In der Galvanik Zug steigen regelmässig Partys für alle – ebenfalls für Menschen mit Down-Syndrom, für Leute im Rollstuhl, aber auch für den Otto Normalverbraucher.

Die junge Frau, die gerade den Eintrittspreis beglichen hat, beginnt bereits im Eingangsbereich des Clubs zu tanzen. Jemand bestellt sich an der Bar einen «Jungelitoo», während aus den Boxen «Ich hab ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Döner!» dröhnt. Mindestens genauso laut singen die Gäste mit, die auf der Tanzfläche entzückt mitwippen.

Dass an dieser Party irgendwas anders ist, wird schnell klar. Nicht nur, weil die Stimmung ihren Zenit erreicht hat, obwohl es erst 20 Uhr ist. Niemand starrt verlegen ins Handy, niemand guckt schräg, weil einige der Gäste ihre Lieblingsstofftiere mitgebracht haben. Die plötzlichen Kitzelattacken einer Besucherin werden von anderen Gästen begeistert gekontert. Der nächste Schlagerhit beginnt. Euphorisch singen die Gäste mit: «Wir lassen uns das Feiern nicht verbieten!» Und genau darum geht es hier.

Ein dereinst einmaliger Anlass ist nun fix eingeplant

Dreimal im Jahr steigt in der Galvanik die «Party für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung». Dino Sabanovic, Leiter des Kulturprogramms, sagt dazu: «Im Rahmen unseres 25-Jahr-Jubiläums im Jahr 2022 gingen wir 25 Kooperationen ein. So auch mit der Stiftung Zuwebe, mit der wir eine erste inklusive Party organisierten.» Was als einmalige Sache gedacht war, wurde zum fixen Programmpunkt, welcher heute auch ohne Kooperationen mit den entsprechenden Organisationen weiterläuft.

«Die Menschen sind sehr im Moment. Das ist aussergewöhnlich.»

Dino Sabanovic, Leiter Kulturprogramm Galvanik Zug

Die Verantwortlichen der Galvanik hätten gespürt, dass das Bedürfnis nach solchen Anlässen vorhanden und die Resonanz gross seien. «Auch für uns sind diese Anlässe jeweils sehr schön», sagt Sabanovic. «Die Menschen sind sehr im Moment. Das ist aussergewöhnlich.» Inklusion soll bei diesen Partys nicht zum Feigenblatt verkommen. «Uns geht es nicht darum, Partys für Menschen mit Beeinträchtigungen zu machen, sondern mit ihnen.»

Der DJ ist von Basel angereist

Das scheint gelungen zu sein. DJ Sharif, der an diesem Abend auflegt, sitzt im Rollstuhl. Für den Anlass ist er von Basel angereist. Auch hinter der Bar stehen Beeinträchtigte. Auf der angepassten Karte, auf der neben Text auch Piktogramme der Drinks zu finden sind, stehen unter anderem abenteuerliche Mocktails mit Namen wie «Jungelitoo», «Galvana Banana» oder «Sommerknaller». Ihr gemeinsamer Nenner: klebrig.

DJ Sharif ist von Basel angereist. (Bild: wia)

An zwei Abenden vor der Party hat Gastroleiter Pascal Bühler das heutige Barteam ins Metier eingeführt. Dabei haben die Kursteilnehmerinnen auch die drei besagten Drinks extra für den Anlass kreiert. Bühlers Verdikt. «Süss. Sehr süss. ‹Da strählts di.›» Doch viele der Gäste mögen das.

Auch Bühler ist angetan von den inklusiven Anlässen. «Sie sind für mich zu Highlights geworden.» Dies obwohl, oder vielleicht erst recht, sie ihn hie und da aus dem Konzept bringen. «Ich bin ein strukturierter Mensch. Vor den Barkeeper-Kursen nehme ich mir eine halbe Stunde, um mich vorzubereiten. So auch letztes Mal. Damit, dass auch einige der Kursteilnehmer schon eine halbe Stunde früher da sind, hatte ich natürlich nicht gerechnet. Das ist man sich gar nicht gewöhnt.»

Auch Alkohol wird ausgeschenkt

Grundsätzlich verlangen die inklusiven Abende etwas mehr von den Galvanik-Teams ab als andere Anlässe. «Die Organisation ist aufwendiger, auch vonseiten des Barteams braucht es mehr Fingerspitzengefühl. Wir sind keine ausgebildeten Agogen und Pädagogen», sagt Sabanovic. Die Zusammenarbeit zwischen Beeinträchtigten und Nichtbeeinträchtigten scheint jedoch gut zu klappen.

Auf der überschaubaren Karte sind nicht nur Softdrinks und Mocktails zu finden, sondern auch Getränke wie Bier und Wein. «Anfangs war ich etwas unsicher, was den Ausschank von Alkohol angeht. Immer wieder verspürte ich eine Art Beschützerinstinkt. Doch es hat sich gezeigt, dass das gar nicht nötig ist.»

Just in diesem Moment tritt eine Frau mit Down-Syndrom an die Theke und bestellt ein Bier. Rasch stellt sich ihre Betreuerin hinter sie und sagt: «Moment. Wir hatten abgemacht, dass du heute ein Bier trinken darfst. Das hattest du bereits.» Die Besucherin nickt unbeeindruckt, bestellt eine Cola und begibt sich wieder auf die Tanzfläche. Auch das ist Teil von Inklusion: dass Beeinträchtigte nach Möglichkeit ihre eigenen Entscheidungen treffen.

Viel öfter als Bier wird hier Cola getrunken. (Bild: wia)

Justin Bieber ist Trumpf

Alkohol scheint an diesem Abend jedoch kaum eine Rolle zu spielen. Nur wenige Menschen halten ein Bier in der Hand, die meisten trinken Cola. Hemmungslos getanzt wird trotzdem. Vor allem, wenn DJ Sharif neben Schlagerhits Lieder von Abba oder Justin Bieber spielt.

Auf die Frage, was ihr an diesem Fest besonders gefalle, sagt eine Besucherin schulterzuckend: «Alles.» Sie setzt an, dieses «alles» genauer auszuführen, da dröhnt ein neuer Gassenhauer aus den Boxen. Das Interview ist vorbei, gemeinsam mit ihrer Begleitung verschwindet sie auf der Tanzfläche.

Deutlich gehemmter als die tanzenden Gäste ist die Autorin selbst; als Nichtbeeinträchtigte klar in der Unterzahl. Dies obwohl es wohl nirgends einfacher wäre, Anschluss zu finden, als hier. Die Gäste nicken einem freundlich zu, sprechen einen hie und da an, schmunzeln vor sich hin.

Veranstalter wünschen sich mehr Durchmischung

Die Veranstalterinnen sind sich des Themas bewusst. «Tatsächlich wäre es schön, wenn etwas mehr Durchmischung stattfinden würde und mehr Menschen ohne Beeinträchtigung an diesen Anlässen anzutreffen wären», sagt Pascal Bühler dazu. «Im Moment kommen Menschen her, die bereits gewisse Berührungspunkte mit dem Thema Inklusion haben. Das Publikum dürfte ruhig etwas breiter werden.»

Aus diesem Grund wollen die Veranstalter die Partys künftig niederschwelliger kommunizieren, die neuen Flyer wurden angepasst. Das Thema Inklusion ist erst auf den zweiten Blick erkennbar, die Party wird neu «Rampensau» genannt.

Das trifft die Sache ziemlich gut. Denn die Rampen, welche in der Galvanik Barrierefreiheit ermöglichen, werden von gewissen Gästen gerne auch als Tanzfläche verwendet. Dass die Party um 22 Uhr bereits ein Ende findet, finden die Gäste nicht schlimm. Viele von ihnen haben schliesslich ganze drei Stunden durchgetanzt.

Die Galvanik ist seit wenigen Jahren barrierefrei. Das gilt auch für die Bühne. (Bild: wia)
Verwendete Quellen
  • Besuch der inklusiven Party
  • Gespräche vor Ort
  • Telefonat mit Dino Sabanovic
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