Die hohen Mieten alleine sind es nicht

Leere Läden: Woran der Luzerner Detailhandel krankt

Leere Läden wie hier an der Hertensteinstrasse sind für die Präsidentin des Detaillistenverbands, Martina Stutz, keine Überraschung. (Bild: mik/zvg)

Derzeit stehen über ein Dutzend Läden in der Luzerner Altstadt leer. Gemäss dem Detaillistenverband sind daran die hohen Mieten schuld. Für einen Immobilienexperten ist die Erklärung jedoch nur die halbe Miete.

Schönstes Sommerwetter, in Luzerns Shoppingmeilen wie der Hertensteinstrasse und der Weggisgasse schlendern Personen dicht an dicht. In Schaufenster locken T-Shirts, Uhren und Schoggi ins kühle Innere. Doch nicht überall: In der Stadt stehen derzeit auch über ein Dutzend Läden leer (zentralplus berichtete). Davon allein über zehn in der Altstadt, wie Spaziergänge offenbaren:

Zudem häuften sich in den letzten Wochen Schlagzeilen wie «Traditionsbäckerei schliesst» oder «Mietknatsch». Was ist da los? Bereits vor rund zwei Jahren bezeichnete die Präsidentin des Luzerner Detaillistenverbands Martina Stutz die Lage für Läden als «angespannt» (zentralplus berichtete). Damals kämpften Ladeninhaberinnen auch noch mit den direkten Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Doch: «Heute ist die Lage nicht wirklich entspannter», schreibt Stutz nun auf Anfrage.

Touristen sind zurück – aber davon profitieren nicht alle

Abrupt steigende Energiepreise, Inflation und Erhöhung der Leitzinsen rissen bei Kunden ein Loch ins Portemonnaie. Weiter wollen Kunden nach der Pandemie mehr Erlebnisse nachholen, wie etwa ein Restaurantbesuch oder eine Reise, statt ihr Geld für eine schicke Tasche oder Uhr auszugeben. Solche Käufe hätten viele in der Pandemie vorgeholt, so Stutz.

Auch von der Rückkehr der Touristen profitierten längst nicht alle Läden. Tourismus finde an touristisch attraktiven Orten statt – in Luzern also vor allem rund um den Wasserturm und das Löwendenkmal, wobei Touristinnen sich vor allem für Schmuck, Uhren und Restaurants interessierten. «Dies ist nicht unbedingt die Umgebung, an welcher die kleinen Läden angesiedelt sind, allein schon wegen der hohen Mietpreise für Geschäfte an solcher Lage. Insofern dürfte der Nutzen durch Touristen für die kleinen Läden von geringerer Bedeutung sein», resümiert Stutz.

Zwar sehr nahe beim Löwendenkmal, derzeit aber trotzdem leer: die Ladenfläche unter dem Bourbaki. (Bild: mik)

Gute Lagen könnten sich die wenigsten leisten

Die vielen leeren Ladenflächen führt Martina Stutz vor allem auf die «hohen Mietkosten» zurück. «Die Ladenlokale an bester Lage können sich praktisch nur noch Filialen grosser Unternehmen leisten.» Und selbst diese stehen noch unter Druck: Sie müssen vorgegebene Umsatzziele des Mutterkonzerns erreichen. Dafür werden kurze Mietverträge vereinbart, damit das Unternehmen bei Nichterreichen des Ziels die Reissleine ziehen könne, so Stutz.

Allgemein sei der Markt dynamischer und unberechenbarer geworden, so die Rothenburgerin. Liegenschaftseigentümer nähmen eher mal einen Leerstand in Kauf, um auf eine zahlungskräftige Mieterin zu warten.

In der Vergangenheit haben Immobilienexperten angetönt, dass die Mietflächen für Läden mittelfristig stagnieren oder sinken (zentralplus berichtete). Stutz ist da skeptisch: «Die Mietpreise für Läden werden nur sinken, wenn die Liegenschaftsbesitzer bereit sind, ihre Mietzinsforderungen drastisch nach unten zu korrigieren. Solange sie die Strategie fahren, auf einen möglichst zahlungskräftigen Mieter zu hoffen, werden die Preise weiter ansteigen.»

Günstigere Ladenflächen wurden teurer

Tatsächlich zeigt eine Auswertung des Zürcher Immobilienanalyse- und -beratungsunternehmens Wüest Partner für zentralplus, dass die Preise relativ stabil sind. Zwischen Anfang 2020 und Ende 2023 zahlten Ladeninhaber in der Stadt Luzern im Durchschnitt zwischen 267 und 311 Franken pro Quadratmeter und Monat. Bei den günstigsten Läden zahlten sie zwischen 158 und 176 Franken, für die teuersten blätterten Inhaberinnen 533 bis 709 Franken hin.

Was sich jedoch spezifisch in der Altstadt zeigt: Gerade in den letzten Jahren, zwischen 2022 und 2023, sind die günstigsten inserierten Ladenflächen teurer geworden. Zahlten Ladeninhaber in der Altstadt 2022 noch durchschnittlich 80 bis 281 Franken pro Quadratmeter, waren es im Jahr darauf bereits 115 bis 427 Franken. Wobei die Preise bei durchschnittlichen bis teuren Läden gleich geblieben, wenn nicht günstiger geworden sind. Dazu sagt Robert Weinert von Wüest Partner: «Mieten für durchschnittliche Verkaufsflächen geraten insbesondere durch den Onlinehandel unter Druck. Für Toplagen ist die Zahlungsbereitschaft nach wie vor hoch.» Grundsätzlich sei die Höhe der mittleren Miete bei den inserierten Flächen aber auch davon abhängig, welche Objekte überhaupt ausgeschrieben seien.

So kamen die Zahlen zustande

Für ihre Auswertung haben Wüest Partner verschiedenste Onlineplattformen nach Angeboten für Ladenflächen in Luzern gescannt. Von den Angeboten extrahierten sie die Informationen und rechneten die Preise zum besseren Vergleich in Franken pro Quadratmeter um. Danach berechneten sie die Durchschnittspreise für verschiedene Preisklassen, indem sie diese in Quantile einteilten. Ein 10-Prozent-Quantil bedeutet beispielsweise, dass nur 10 Prozent aller Preise darunter liegen.

Die Zahlen liefern einen guten Anhaltspunkt, können die Mietpreise aber nicht vollständig abbilden. Denn nicht alle leeren Verkaufsflächen werden auf gängigen Onlineplattformen angeboten, und nicht alle Angebote sind transparent beim Preis. Zudem gab es nicht in jedem Jahr gleich viele Inserate. Und: Die derzeit vermieteten Ladenflächen sind ebenfalls nicht abgebildet.

Weniger Leute verirren sich in Seitengässli

Dass trotzdem Läden in einer Einkaufsmeile wie der Hertensteinstrasse in Luzern leer bleiben, ist für Weinert trotzdem keine Überraschung. «Das kann vorkommen, wenn Eigentümer gewisse Mietpreisvorstellungen haben. Kommt nicht gerade ein passender Interessent, nehmen sie den Leerstand in Kauf und warten auf jemanden, der den gewünschten Mietpreis zahlt.» Gleiches beobachte er teilweise auch in Zürich und anderen Schweizer Städten.

Doch gemäss dem Immobilienexperten können sie es sich leisten: Läden an Toplagen wie ein Schwanenplatz oder eine Hertensteinstrasse locken immer noch viel Kundschaft. Gleichzeitig geraten Läden in Gässli und abseits der Einkaufszentren immer stärker unter Druck. Das könnte sich in Zukunft noch akzentuieren, so Weinert.

Hoffnung City-Manager?

Wobei die Einkaufszentren gegenüber den Innenstädten noch den Vorteil hätten, dass sie zentral gemanagt werden. Sprich: Dort können die Manager den Angebotsmix der Läden genau bestimmen. Hingegen in der Altstadt gehören die Gebäude oft vielen unterschiedlichen Eigentümern, die oft nur für sich selbst entscheiden. Was dazu führen könne, dass sich in gewissen Strassen Uhrenladen an Uhrenladen oder Café an Café schmiegen. Was wiederum potenzielle Kundinnen weniger zum lädelen anregt.

Abhilfe schaffen könnte beispielsweise ein City-Manager, wie er in Luzern im August starten soll (zentralplus berichtete). Darauf hofft auch Martina Stutz: dass City-Manager Erich Felber die leeren Läden gezielt erfasst und vermittelt. Und dabei zusammen mit den Liegenschaftseigentümern auch kleineren Ladeninhabern eine Ladenmiete ermöglicht, mit der sie im Markt bestehen können. Gleichzeitig erhofft sie sich, dass sich mit den Eigentümerinnen ein Konsens findet, um einen guten Branchen- und Angebotsmix der Läden zu schaffen.

Doch Weinert warnt: Ein City-Manager ist nur so erfolgreich, wie die Eigentümer und Detailhändler willig sind, mitzumachen und Kompromisse einzugehen. Zudem könne es eine Zeit dauern, bis erste positive Entwicklungen sichtbar werden. Und es braucht aktiven Effort, wie etwa das Beispiel der Zürcher Europaallee zeige: Minievents wie beispielsweise Streedfood-Feste oder kleine Sportevents, um potenzielle Kundinnen in die Strassen zu locken.

Ob mit Effort oder nicht, glaubt Weinert, dass sich die Einkaufsmeilen wandeln werden: weniger Detailhändler hin zu mehr Dienstleistungen wie Trainerinnen, Physiotherapeuten oder Coiffeuren. Bis dahin werden die Luzernerinnen aber noch an einigen dunklen oder zugesperrten Schaufenstern vorbeilaufen.

Verwendete Quellen
  • Augenschein vor Ort
  • Schriftlicher Austausch mit Martina Stutz
  • Inserate auf Homegate zu verschiedenen leerstehenden Läden
  • Auswertung von Wüest Partner für zentralplus
  • Telefonat mit Robert Weinert von Wüest Partner
  • Telefonat mit Kevin Klak, Unternehmensberater bei Digitalrat GmbH
  • Medienarchiv zentralplus
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